Psycho-Trip
Die Datenanalysten von Cambridge Analytica haben angeblich mit psychografischem Targeting die US-amerikanische Präsidentschaftswahl beeinflusst. Im Marketing ist dieses Kommunikationssystem schon seit Jahren gang und gäbe. Aber die Methoden werden feiner, wie der Fall MINI Countryman zeigt. Eine Bestandsaufnahme.
Ich komme aus dem Urlaub zurück und fange an zu erzählen. Meinen Eltern schildere ich, wie schön das Wetter war. Meinen Kollegen berichte ich von den ausgefallenen Läden. Meine Freunde erfahren von den Freuden des Nachtlebens. Derselbe Urlaub, auf drei verschiedene Arten erzählt. Und jeder bekommt die Geschichte, die er hören möchte. So ungefähr funktioniert psychografisches Targeting: Der einzelne Nutzer erhält genau die Botschaft, die seiner momentanen mentalen Disposition entspricht. Die Psychologie gilt als die Lehre vom Erleben und Verhalten des Menschen. Beim psychografischen Targeting wird deshalb zunächst das Surfverhalten der Nutzer analysiert. Das geschieht über Cookies.
Wer sich gerade für Extremsportarten interessiert, sollte anders angesprochen werden als jemand, der gerade virtuell in Esoterikratgebern kramt. Begleitet man die Suchhistorie eines Menschen über einen längeren Zeitraum, zeigen sich Muster im Verhalten. Vergleicht man diese Muster mit dem Verhalten anderer Nutzer, lassen sich Gruppierungen bilden.
Svenja, Olaf, Bernd und Inge sind solche Gruppierungen. Oder besser gesagt: Zielgruppenmodelle, mit denen die Marke MINI gearbeitet hat, als der Countryman Anfang dieses Jahres auf den Markt gebracht wurde.
Hinter dem Typ Svenja kann sich sowohl eine Frau als auch ein Mann verbergen, genauso wie ein Nutzer à la Olaf Frau oder Mann sein kann. Und auch das Alter spielt zunächst keine Rolle. Soziodemografische Angaben reichen als Zielgruppenmodelle für Kreation und Mediaaussteuerung schon lange nicht mehr aus. Sie sind viel zu ungenau und bilden deshalb nur die Basis für das psychografische Targeting. Wolfgang Bscheid ist Geschäftsführer der Serviceplan-Tochter Mediascale. Er hat die Methode des psychografischen Targetings in die Serviceplan Gruppe integriert. Soziodemografische Planung ist für Bscheid „Erstbeschnitt“.
Ein Beispiel: Es ist logischerweise sinnvoll, Autowerbung an Personen auszuspielen, die über 18 Jahre alt sind, weil man erst ab 18 den Führerschein uneingeschränkt nutzen kann. Und eine Premium-Automarke spricht am besten Menschen an, die über ein hohes Haushaltsnettoeinkommen verfügen. Auch klar. Aber die Bezeichnung „30-jähriger Softwarespezialist“ sagt kaum etwas über die Persönlichkeit des Menschen aus. Ein Mediaplaner würde einen Computernerd, der noch bei Mama wohnt, nicht in den gleichen Topf werfen wie den Geschäftsführer eines vielversprechenden Start-up-Unternehmens.
„Jeder kennt das Bild des Porsches, der vorm Aldi steht“, sagt Dennis Hofmann, Strategie Director bei der Serviceplan Consulting Group Hamburg. „Warum? – Weil es die Frage impliziert: Wo ist die Kongruenz? Wie passen Porsche und Aldi auf eine Persönlichkeit? Soziodemografie hilft hier nicht weiter“, so Hofmann.
Svenja, Olaf, Bernd und Inge bezeichnet man als Personas. Das sind markenbezogene Verhaltenshäufigkeiten, denen man einen willkürlichen menschlichen Namen gegeben hat, um sie geistig fassbar zu machen. Olaf z. B. agiert emotional, leistungsbezogen und durchaus spontan. Er ist ein Bestimmer und handelt logisch. Olaf kann man ein Auto zeigen, das auf einer Serpentine Richtung Klettersteig spurtet. Svenja dagegen ist viel ruhiger und nachdenklicher. Sie ist empfänglich für ein Werbemotiv, das die Sicherheit des Autos betont, indem es z. B. die fünf Sterne im NCAP-Crashtest thematisiert.
Dass die kumulierten Verhaltenshäufigkeiten persönliche Namen erhalten, ist auch für die Kreativen bei Serviceplan Campaign hilfreich. Wer Werbebotschaften gestaltet, hat immer eine Vorstellung im Kopf von den Menschen, bei denen seine Botschaften wirken sollen. Sieht man seine Zielgruppe bildlich vor Augen, hat man damit Leitplanken für die eigene Kreativität. Weg vom Geschmäcklerischen werde Kreation jetzt erarbeitet, sagt Wolfgang Bscheid.
Als der MINI Countryman im Februar auf den Markt gebracht wurde, begleitete ihn eine ganze Reihe digital geschalteter Motive. Über 200 verschiedene Bilder hatte Serviceplan Campaign entworfen, die über das System des psychografischen Targetings an die Menschen hinter den Personas ausgeliefert wurden. „Vergleicht man die Kampagne für den MINI Clubman aus dem Jahr 2015 mit der Kampagne für den MINI Countryman aus dem Jahr 2017, so haben wir jetzt 4-mal mehr Motive“, berichtet Marc Lengning, der die Marke MINI international führt.
Rolf Schröter
Redakteur Werben & Verkaufen