Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Unverpackt Einkaufen, Radeln statt Auto, Plastik vermeiden – der neue Lifestyle ist dem angestaubten Öko-Image entwachsen. Auch in unsere Büros ist die Nachhaltigkeit eingezogen. Im ersten Teil ihrer Interviewreihe „Let’s talk about: Nachhaltigkeit in der Mediaplanung“ spricht Agnes Ley mit Wolfgang Bscheid, Managing Partner bei Mediascale, darüber, wie es mit der Nachhaltigkeit im Kern unseres eigenen Business, der Mediaplanung, aussieht:

Wie können Mediakampagnen, wie kann die Mediaplanung als Gesamtes nachhaltiger werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die von Mediaplus und Mediascale gegründete Markt-Initiative „Nachhaltige Media“ und zeigt mögliche Ansätze auf, wie nachhaltige Media in Zukunft aussehen könnte. Wolfgang Bscheid hat die Initiative ins Leben gerufen.

 

Hallo Wolfgang, was hat dich damals auf die Idee gebracht, den Gedanken der Nachhaltigkeit auch für unseren Arbeitsprozess zu analysieren?

Es war die grundsätzliche Frage, ob das überhaupt geht. Also, ob auch Mediaplanung nachhaltig sein kann und falls ja, wie das aussehen könnte.

Du hast die „Initiative Nachhaltige Media“ gegründet. Stieß das zu Beginn in deinem Arbeitsumfeld auf Begeisterung oder Skepsis?

Eigentlich war die Begeisterung von Anfang an zu spüren. Zum Start wollte ich mich nur mit ein oder zwei Kolleg:innen darüber austauschen, wie sich der Gedanke der Nachhaltigkeit in unsere Planungsarbeit integrieren lassen könnte. Aber plötzlich hatten wir ein großes Team über alle Bereiche und steckten mitten in jeder Menge spannender Diskussionen zu ganz unterschiedlichen Aspekten der Nachhaltigkeit.  

Und wie ist Euch der Einstieg in das Thema gelungen?

Über Fragen. Und dann nochmal Fragen. Zuerst mussten wir uns eingestehen, dass wir eigentlich viel zu wenig über das Thema oder die Idee von nachhaltiger Media wussten. So haben wir uns als erstes Ziel gesetzt, den gesamten Komplex besser zu verstehen: was Kunden bewegt, wie Konsumenten auf das Thema blicken und welche Möglichkeiten Medien und Agenturen zur Verfügung stehen, um etwas zu verändern.

Welche Ansatzpunkte zu einer nachhaltigeren Kampagne gibt es im Mediaplanungsprozess?

Für den Bereich ökologische Nachhaltigkeit gibt es derzeit zwei Wege, die man beschreiten kann: Kompensation und Veränderung. Im Dialog mit unseren Kunden wurde sehr schnell klar, dass sich bereits eine eindeutige Einstellung herausgebildet hat. Zuerst und primär geht es darum, zu versuchen, das eigene Tun in Hinblick auf mehr Nachhaltigkeit zu verändern. Und erst dann ist es legitim, den Gap zu einer CO2-neutralen Kampagne durch Kompensation zu schließen.

Aber wir schauen uns ja nicht nur die ökologische Facette der Nachhaltigkeit an, sondern wir arbeiten daran, zukünftig auch sozial und ökonomisch sinnvoll zu handeln. Unser Ziel ist es, unseren Kunden entsprechend ihrer spezifischen Schwerpunkte, ein zusätzliches Auswahlsystem bereit zu stellen, damit sie Platzierungsentscheidungen für ihre Kampagnen differenzierter treffen können. Derzeit arbeiten wir zusammen mit unterschiedlichen Medienpartnern an einem entsprechenden Scoring-Modell, das eine objektive und transparente Bewertung der Angebote ermöglicht.

Gemeinsam mit der Uni Florida haben wir zudem ein umfangreiches Forschungsprojekt zum Themenkomplex „Ethischer Journalismus“ gestartet, das uns Aufschluss darüber geben soll, wie wir unseren Kunden für ihre Kampagnen redaktionelle Umfelder bereitstellen können, die ihren erweiterten Ansprüchen an „Brand Safety“ gerecht werden.

Hört sich spannend an, was davon ist heute schon umsetzbar?

Mit dem Green GRP bieten wir unseren Kunden in Kooperation „ClimatePartner“ schon seit längerem die Möglichkeit, die CO2 Belastung ihrer Kampagnen valide zu erheben und über entsprechende Kompensationsprojekte auszugleichen. Darüber hinaus haben wir schon heute einen sehr guten Überblick, welche Medienpartner sich wie stark in den unterschiedlichen Bereichen der Nachhaltigkeit engagieren und können somit unseren Kunden eine valide Einschätzung klimafreundlicher Planungsalternativen geben.

Anders gefragt: wo hakt es noch?

Ich würde sagen die Liste der To-dos ist lang! Viele Kunden stehen noch ganz am Anfang und haben viele offene Fragen. Als erstes gilt es zu prüfen, wie die jeweilige Nachhaltigkeitsposition des Unternehmens in die Mediaplanung umzusetzen ist. Also was darf man buchen und was besser nicht? Und welche Konsequenzen hat das im Einzelnen: müssen Zielsetzungen und Ergebniserwartungen entsprechend angepasst werden?

Dabei sind die meisten unserer Konzepte, wie z.B. die Scoring-Modelle, nicht isoliert zu betrachten. Es wäre in den meisten Fällen eher kontraproduktiv, wenn jede Agentur versucht, ihren eigenen Standard zu etablieren. Wir müssen hier immer versuchen, einen Marktstandard anzustreben. Daher benötigt es sehr, sehr viel Abstimmungsarbeit im Kreis aller Beteiligten. Nicht nur unsere Kunden sind involviert, auch unsere Medienpartner müssen die jeweiligen Lösungen akzeptieren und unterstützen. Vor dem Hintergrund einer immer komplexeren Medienlandschaft ist vorstellbar, dass das eine nicht ganz leichte Aufgabe ist. Aber wir sind zuversichtlich, am Ende alle Ansprüche unter einen Hut zu bekommen.

Wo geht die Reise hin? Wo siehst du unsere Initiative Nachhaltige Media und die Mediabranche in Sachen Nachhaltigkeit in 2 Jahren?

Ich glaube, wir werden das Thema ökologische Nachhaltigkeit bis dahin in ein gutes und praktikables Modell überführt haben, so dass wir für Kunden die sich eine „Grüne Planung“ wünschen, eine valide und faire Auswahl treffen können. Schwieriger sehe ich die Situation im Bereich soziale Nachhaltigkeit. Speziell wenn es um die Bewertung der redaktionellen Umfeld-Qualität geht. Zum einen muss man aufpassen, dass Maßnahmen nicht in einer Zensur münden, wie wir sie teilweise in den USA beobachten, sondern sich ganz gezielt gegen Phänomene wie z.B. Hate Speech richten. Zum anderen sollte die Bewertung und Auswahl so objektiv wie möglich sein, um am Ende nicht von der persönlichen Einschätzung des Marketing-Entscheiders oder Mediaplaners abhängig zu machen, welche Platzierung gebucht wird und welche nicht. Das ist also ein in mehreren Bereichen sehr sensibles Thema, das viel Fingerspitzengefühl verlangt. Und genau darum haben wir uns auch dazu entschieden, einen ersten Richtlinien-Katalog und eine Machbarkeitsstudie von einer der kompetentesten Institutionen, der Uni Florida, entwickeln zu lassen.  

Sollte es uns aber gelingen hier eine Lösung zu entwickeln die es unseren Kunden ermöglicht, zukünftig ihren eigenen Anspruch im Bereich soziale Nachhaltigkeit auch auf ihre Mediaplanung zu übertragen, wäre das ein tolles Signal für mehr „ethischen Journalismus“, von dem nicht zuletzt die Gesellschaft als Ganzes profitieren könnte.

Gibt es auch einen Quickwin – etwas, das jedes Unternehmen aus dem Stand verbessern kann, um eine nachhaltigere Mediastrategie umzusetzen?

Ja. Wie jeder von uns einen Urlaubsflug über eine entsprechende CO2-Kompensation ausgleichen kann, so kann auch jedes Unternehmen schon heute seine Kampagnen per Green GRP kompensieren. Und wer schnell etwas tun möchte, sollte das tun. Auch wenn Veränderung der mittel- und langfristig wichtigere Teil auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist.  

Zum Schluss noch etwas Persönliches: Wenn wir über grüne Zielgruppen reden, dann unterscheiden wir mehrere Typen, je nach dem Grad ihres Engagements, ihrer Verzichtbereitschaft und ihrer Einstellung zur Nachhaltigkeit. Welcher Typ bist du und warum?

Ich denke ich bin da irgendwo dazwischen. Ich versuche, es jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Auch wenn viele meiner Gewohnheiten leider eine große Beharrungskraft haben. Aber Gott sei Dank bin ich Teil einer Gesellschaft, die sich langsam auf den Weg macht und das wird sicher helfen, auch die hartnäckigsten Gewohnheiten langsam aufzuweichen. Ich bin auf alle Fälle sehr zuversichtlich was unsere Gesellschaft, unsere Projekte und auch ein bisschen was mich betrifft. 

Danke für das Gespräch und alles Gute weiterhin auf dem Weg der Nachhaltigkeit!