Wer schon immer nur ein Kopfschütteln für Halloween und diverse andere Späße übrig hatte, die so neumodisch in unser Leben getreten sind, der wird in Black Friday, Cyber Monday, SuperSale Tuesday, RudisResterampen Wednesday, Coupon Thursday oder „Pecunia Non Olet“-Sunday durchaus einen weiteren Beweis sehen, dass es gesellschaftlich bergab geht. Nun kann man in ein „Früher war alles besser“-Lamento verfallen und konsequenterweise klingelnden Kindern am 31. Oktober keine Süßigkeiten, sondern eine Kampfschrift über den amerikanistisch geprägten und verordneten Konsumterror aushändigen. Denn was mit dem Weihnachtsmann begann, endet mit dem US-Erntedankfest, schwindeligen Angebotstagen und irgendwann mit dem Bundesliga Super-Bowl.

Ja, man kann das alles so sehen. Es ist aber reichlich dekonstruktiv. Denn worum es Konsumenten und Werbetreibenden ja gleichermaßen geht, sind Anlässe. Früher musste man sich mit einem Schützenfest und einer Kirmes pro Jahr zufrieden geben – regionsabhängig kombiniert mit Osterfeuern, Maitänzen oder Kirchweihen. Dazu noch Weihnachten, fertig war der Aktionskalender. Und der sah nicht einen einwöchigen Besuch des Ballermanns, des Oktoberfests und des Mooser Wirts in St. Anton vor. Selbst Fußball ist heute nicht mehr nur rauchenden Herren mit Hut und Hooligans vorbehalten, sondern ein Event geworden. Als mein Lieblingsverein (1. FC Köln) noch gut war (ist lange her), war das Stadion spärlich besetzt. Heute gehen 30.000 Menschen hin, ohne dass ein Spiel stattfindet. Und im Einzelhandel gab es früher nur SSV und WSV mit gestürmten Wühltischen. Heute kommen Mid-Season-Sale, Sonntagsshopping, Midnight-Shopping, Outlet-Shopping Days und in Anlehnung an Möbelhäuser Jubiläumsverkäufe zum 88-Jährigen hinzu.

Man sucht einfach nach Anlässen – und das ist nicht nur kurz getakteter Zeitgeist, sondern aus Marketingsicht richtig. Genau aus diesem Grund ist gerade auch das Thema Content Marketing in aller Munde. Wovor man Marken warnen und schützen sollte, ist die Gefahr, in eine dauerhafte Rabattspirale zu geraten, die makroökonomisch Deflation bedeuten würde. Denn dieses aus dem Möbel- und Teppichhandel altbekannte Instrument kann bei singulär preisgetriebenem Gebrauch die unerwünschte Folge haben, dass Kunden nur noch bei hohen Rabattierungen kaufen. Man muss kein Genie sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass sich so weder erfreuliche Renditen, noch substanzielle Markenwerte erzielen lassen.

Im Umkehrschluss heißt das, dass mehr inhaltliche Anlässe kreiert werden müssen. Wenn einem in diesem Kontext Halloween in den Schoß geworfen wird, muss die Chance ergriffen werden, so albern man es privat finden mag. Wenn nur eine genügend große Gruppe an Menschen dem Treiben positiv oder neutral gegenüber eingestellt ist, hat man sein Ziel erreicht. Und dass es billige, fernöstlich importierte Dirndl inzwischen auch in Hamburg zu kaufen gibt, wird nördlich des Weißwurst-Äquators niemanden stören bzw. denen im Süden größtenteils nicht einmal auffallen.

Bis Heiligabend müssen wir aber Dank der Strahlkraft des Weihnachtssterns ohnehin nicht mehr über Anlässe nachdenken, höchstens dann über den großen „Tausche Geschenke in etwas Vernünftiges“-Tag, während fröhlich die Weihnachtsbäume raus und die Osternester in die Schaufenster rein geschoben werden.

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