Digital Design: Den Wandel gestalten

Schaufensterdeko ist für jeden Fachhändler eine Herausforderung. Vom Bonsaibäumchen bis zum Leuchtdisplay – alles ist möglich. Zur Corporate Identity eines jeden Geschäfts gehört heute jedoch weitaus mehr: Mit dem Internet, mit Social Media, mit allen zur Verfügung stehenden Online-Plattformen, gewinnt die digitale Inszenierung von Marken und Services an Bedeutung. Auch da heisst es, kreativ zu sein, sagt Diana Degraa, Geschäftsführerin von Plan.Net Hamburg im Interview mit Optic + Vision.

Schon heute sind über 20 Milliarden Geräte und Maschinen über das Internet vernetzt – bis 2030 werden es rund eine halbe Billion sein. Die Digitalisierung prägt in hohem Maße die Art, wie wir leben, kommunizieren, arbeiten, wirtschaften und konsumieren. Sie ist einer der wichtigsten Motoren zur Gestaltung der zukünftigen Gesellschaft. Der digitale Wandel ist global, mit direkten Auswirkungen in jedem Lebensbereich. dem Individuum eröffnet er Chancen für mehr Lebensqualität, Unternehmen profitieren von innovativen Geschäftsmodellen und effizientem Wirtschaften. Auch die Optik wird mehr und mehr alle Dimensionen der vernetzten Gesellschaft erfasssen müssen, wenn es darum geht, die Zukunft von Marken nicht nur analog, sondern mittels digitaler Markenkommunikation zu gestalten.

  • Diana Degraa, welche grundlegenden Veränderungen sind durch die zunehmende Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelten zu erwarten?

    Einerseits werden die Veränderungen fundamental sein und die Art, in der wir arbeiten, miteinander kommunizieren und unsere Freizeit gestalten noch stärker technologisch prägen. Andererseits werden die Bedürfnisse der Menschen nach Echtheit, Nähe und sinnlichem Erleben nicht kleiner werden sondern eher größer. Wir erwarten daher, dass die Digitalisierung rasant zunimmt aber zukünftig an manchen Stellen auch in den Hintergrund tritt – nicht im Vernetzungsgrad, sondern in ihrer Sichtbarkeit. Für Unternehmen bedeutet das: umdenken, intern und extern automatisieren bzw. digitalisieren, Schritt halten mit dieser Entwicklung. Es ist nicht immer eine leichte Aufgabe, den Bedürfnissen der Menschen durch unternehmerische Digitalisierung Rechnung zu tragen.

  • Wie werden sich Wirtschaft, die Märkte, durch die zunehmende Präsenz digitaler Plattformen und Instrumente entwickeln?

    Vordergründig zielt die Digitalisierung der Wirtschaft auf Verfügbarkeit, Vergleichbarkeit und Individualisierung von Produkten ab. An dieser Stelle bringt Digitalisierung scheinbar nur mehr Wettbewerb. Im Hintergrund wird Digitalisierung aber eine Durchgängigkeit ermöglichen, die sowohl die Bedürfnisse der Menschen, die Wertschöpfung von Unternehmen und die Nachhaltigkeit unserer Gesellschaft miteinander in Einklang bringt. Wenn nur produziert wird, was einen Markt hat, wenn Ressourcen wirklich intelligent genutzt werden, wenn Logistik auch auf der letzten Meile effizient gesteuert wird, dann wird das Phänomen Digitalisierung zu einem Betriebssystem, das allen dient.

  • Wird es überhaupt noch klassische Instrumente im Marketing geben – oder werden Markenführung und Marketing zukünftig durch Digital Concepts und Social Media bestimmt?

    Natürlich findet Marketing immer mehr in digitalen Medien statt. Aber es geht um mehr als die Kanalfrage oder die heute selbstverständliche Dialog- und Serviceorientierung einer Marke. Es geht auch um ein neues Senderverhalten, das auf mehr als klassische Kampagnenwellen setzt, nämlich auf eine Vielzahl von Begegnungen, z.B. durch intelligentes Content Marketing. Content Marketing prägt das Bild einer Marke behutsamer, individueller und nachhaltiger als klassische Kommunikation allein. Denn bei Content Marketing werden nicht nur Produktbotschaften vermittelt, sondern auch Haltungen rund um Marken und Unternehmen. Digitalisierung ermöglicht auch hier, den Kontakt zu den Menschen an den geeigneten Stellen zu suchen, aber an anderen auch gezielt zu unterlassen. Das funktioniert bei klassischen Ansätzen nicht.

  • Jenseits der Gestaltung von Websites und Apps: Welche Gestaltungshorizonte sehen Sie für das Digital Design?

    Tatsächlich findet Branding mittlerweile auf nahezu jedem Screen statt. Sei es auf Smart-TV’s, auf digitalen Steelen oder Smart-Watches. Der Übergang zwischen einer klassischen Website und einer App wird fließender. Genauso, wie die Grenze zwischen Werbung und Inhalten zunehmend fließender in Ausdruck und Kanal wird.

  • Einst prägte das Design die Formel: Form Follows Function. Was macht in Zeiten des digitalen Wandels ein gutes, ein erfolgreiches Brand Design aus – Design Follows Strategy? Wie steht es um das Verhältnis von Content und Form?

    Eine heutige Regel könnte lauten: „Form Follows Context“. Klassische Designelemente wählen bzw. gestalten wir heute, um sie auf möglichst unterschiedlichen Flächen und einer Vielzahl von Kanälen einsetzen zu können. Ein Beispiel: Ein formal gutes und richtiges Logo muss vom Nutzer sowohl auf Anzeigen, einer Website, Mobile-Bannern und als App-Icon erkennbar sein.
    Bilder müssen sowohl auf responsiven Websites, in oft kleinen Bannern, auf Großflächenplakaten und in sozialen Medien darstellbar sein. Gleiches gilt für Schriften usw.

  • Wie wichtig sind im Digitalzeitalter noch die drei klassischen Corporate Design Elemente Logo, Farbe und Bilder?

    Mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als zuvor. Durch die zunehmende „Standardisierung“ des digitalen Designs durch Flat- und Material-Design und der daraus quasi resultierenden Verpflichtung, auf jedem Device eine durchgehende UX zu haben, sind speziell Bilder und Farben, aber auch Typographie die einzigen Möglichkeiten, sich noch hervorzuheben und markenbildende Elemente in das Design zu integrieren.
    Insbesondere im Bereich der Bildsprache stehen wir im Digitalzeitalter neuen Herausforderungen gegenüber. Bildmaterial muss in verschiedensten Kanälen in unterschiedlichsten Viewports darstellbar sein. Gleichzeitig verändert der Trend hin zu immer mehr Bewegtbild (GIFs, Cinemagraphs, Videos) auch noch den Anspruch, den Marken und Designer an Bildmaterial haben.
    Klassische Regeln zum Aufbau und Einsatz von Bildmaterial sind in Zeiten des Digitalen Designs nicht mehr gültig bzw. müssen komplexer gedacht werden.

  • Gibt es so etwas wie grundlegende „Faustregeln“ für die Entwicklung digitaler Corporate Identities - und Kommunikationsprogramme?

    Wie oben schon erwähnt: Viele unserer Überlegungen drehen sich um den Gedanken „Form Follows Context“. Unsere Grundüberlegung ist immer: Wo und in welchem Zusammenhang haben Nutzer Berührung mit der Marke? Welche Grundvoraussetzungen haben wir hinsichtlich Screengröße und wie können wir diesen im CI gerecht werden.

  • Diana Degraa, danke für das Gespräch!

Dieses Interview ist zuerst erschienen in der Print-Ausgabe von Optic + Vision, Ausgabe 07/2017. Zu finden auch hier.