In dem Format „Deep Dive“ tauchen Experten der Mediaplus Gruppe in die Welt der Marketing Trends ab und geben fundierte Einblicke in aktuelle Herausforderungen: Wie können neue Trends gesellschaftlich und wirtschaftlich eingeordnet werden und wie macht man Problemstellungen interdisziplinär anfassbar? Dominik Kropp, Senior Media Analyst bei Mediaplus, bringt mit seinem Beitrag zum neuen goldenen Audio-Zeitalter Licht ins tiefe Dunkel.

THE NEW GOLDEN AGE OF AUDIO

Warum reden wir aktuell von einem neuen goldenen Zeitalter für Audio?

Bewegtbild boomt – diese Aussage würde wohl kaum jemand in Frage stellen. Das Angebot für Bewegtbild war nie vielfältiger als jetzt und durch geplante Markteintritte weiterer Anbieter wird dieser vorerst nicht an Dynamik verlieren. Aber gilt das in ähnlicher Form auch für Audio? Was steckt dahinter, wenn wir von einem neuen goldenen Zeitalter für Audio sprechen? Radio gibt es seit unzähligen Jahren und es läuft so nebenher. Wieso also dieser Hype? Zuerst einmal: Audio ist viel mehr als Radio. Innovationen haben den Markt verändert und weiterentwickelt; besser gesagt Innovationen in folgenden Bereichen: Devices, Plattformen und Inhalte. Aktuell diskutieren wir vor allem die Entwicklungen rund um die zweite Podcast-Welle. Podcasts gibt es eigentlich schon seit 2004 – die Nutzung hat aber erst in den letzten Jahren kräftig an Fahrt aufgenommen.

Mit der wachsenden Verbreitung von Smartphones hat die mobile Nutzung von Online-Audio-Angeboten deutlich zugenommen – es ist mit großem Abstand das weitaus beliebteste Device. Darüber hinaus haben Smart Speaker sowie neue digitale Anwendungen im Auto die Aufmerksamkeit für Online-Audio-Inhalte verstärkt. Diese neuen Devices haben Audio persönlicher und interaktiver gemacht.

In Bezug auf die Plattformen haben vor allem Streamingdienste wie Spotify, Amazon und Apple Music das Medienportfolio erweitert. Fast 80 Prozent der unter 30-Jährigen nutzen sie – in der Gesamtbevölkerung sind es laut ARD/ZDF-Onlinestudie etwa 40 Prozent. Die zum Teil werbefreien Dienste ziehen Nutzungszeit von anderen Angeboten ab, substituieren sie aber nicht vollständig. Werblich belegbare klassische Angebote sind weiterhin relevant. Die Nutzungssituationen unterscheiden sich hier deutlich. So stehen der weitestgehend mobilen Nutzung von Streaming-Diensten auf dem Smartphone die stark habitualisierten, eher passiven Muster beim Hören von klassischem Radio gegenüber.

Das YouTube für Podcasts?

Bei den inhaltlichen Audio-Innovationen sticht aktuell ein Thema besonders hervor: Podcasts. Die Aufmerksamkeit für den Podcast-Markt ist durch die massiven Investitionen von Spotify auf ein neues Level gehoben worden. Spotifys Anspruch: Die Schweden wollen die Nr.1 Plattform für Podcasts werden. Mit den zugekauften Unternehmen Gimlet, Anchor und Parcast verfolgt Spotify nicht nur das Ziel, das Angebot an exklusiven Inhalten zur Differenzierung im Wettbewerb auszuweiten, sondern auch, Publisher und Kreative direkt auf die Plattform zu holen. Dazu werden entsprechende Selfserve-Lösungen für Podcast-Produzenten implementiert, die den Longtail des Podcast-Angebots deutlich ausweiten dürften. Traditionell ist der Podcast-Markt in Bezug auf Vertriebswege und Auffindbarkeit sehr divers aufgestellt. Man kann über viele verschiedene Wege Podcasts suchen und hören. Spotify könnte mit den Investitionen den Markt von Grund auf verändern – und zum YouTube für Podcasts werden. Doch noch ist das eine Wette auf die Zukunft, wenn auch eine sehr vielversprechende.

Content von Meinungsführern für Meinungsführer

Trotz des Nutzerwachstums sind Podcasts momentan noch kein Massenphänomen. Gut ein Fünftel der Deutschen Online-Nutzer hören sie mindestens monatlich wie Reuters Digital News Report 2019 verrät – viele von ihnen sind sogar Heavy User und hören Podcasts mehrmals in der Woche bis täglich. Sie sind tendenziell junge Erwachsene, gut gebildet und besserverdienend. Regelmäßige Podcast-Nutzer sind eine attraktive Zielgruppe für Marken. Sie sind häufig Personen mit großem Interesse an einem bestimmten Thema, das in ihrem direkten Umfeld Meinungen prägt und so als Multiplikator fungiert. Podcast-affine Menschen sind über klassische Medien schwerer zu erreichen, weil sie weniger lineares TV sehen und Printmedien seltener als der Durchschnitt nutzen.

Mehr Wirkung durch exklusive Aufmerksamkeit

Eine der großen Chancen von Werbung in Podcasts ist das hohe Wirkungspotential. Charakteristisch für die Nutzungssituation ist der direkte, intensive Kontakt vom Sprecher zum Hörer. Die Konzentration auf die aktiv ausgewählten Inhalte ist hoch und häufig werden Podcasts aufmerksam und exklusiv ohne parallele Tätigkeit gehört. Die Werbeakzeptanz der Hörer bei Podcasts ist zudem höher als bei den meisten anderen Medien, da die Werbung besser zur Nutzungssituation passt. Insbesondere die vom Host eingesprochenen Native Ads sind eine persönliche und an das Umfeld angepasste Werbeform. Ein weiteres Wirkungsplus für die Werbetreibenden ist die Exklusivität, da in einem Podcast häufig nur wenige Werbebotschaften gespielt werden. Die daraus resultierende mangelnde Skalierbarkeit ist einer der Gründe dafür, dass Podcast-Werbung aktuell noch zu wenig Kontakte für Reichweiten-Kampagnen liefern kann.

Das Hören von Podcasts grenzt sich in Bezug auf das Nutzungsverhalten auch in punkto Dauer der Inhalte ab. Gegen den Trend von möglichst kurzen Schnipseln für die mobile Nutzung unterwegs, ist die On-Demand-Nutzung von Podcasts häufig länger. Durch das hohe Interesse der Hörer an den Themen ist die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, größer.

Neue Optionen für Audiokampagnen

Die dezentrale Vermarktung von Podcasts hat dazu geführt, dass der Markt in Hinblick auf werbliche Angebote momentan noch sehr fragmentiert ist. Zusätzlich fehlen einheitliche Messstandards, welche die Vergleichbarkeit unter den Formaten erschweren. Für eine steigende Relevanz in den Mediaplänen muss sich in Sachen Buchungsoptionen und Ausweisung der Reichweiten sicher noch einiges bewegen.

Werbung in Podcasts ermöglicht jedoch neue Formen der Ansprache im Audio-Umfeld. Aufgrund der hohen Intensität beim Hören eignet sich Podcast-Werbung weniger für „laute“ Unterbrecherwerbung zur Aktivierung, sondern eher für Markeninszenierung und -aufbau. Für passende Zielgruppen kann dies ein sinnvoller Baustein in einer Audio-Kampagne sein.

Man könnte also auch vom goldenen Zeitalter des Podcasts sprechen. Video und Audio boomen. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Nutzer geht in die nächste Runde.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei LEAD digital.

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