China auf der Suche nach Glück

Auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass Glückskekse eine amerikanische Erfindung des 20. Jahrhunderts sind, fällt den Deutschen gemeinhin zum Thema Glück und China der Glückskeks ein. In der Vorstellung geben weise bärtige Konfuzianer kluge Ratschläge auf kleinen Papierchen, umhüllt von knusprigem Teig. Aufgebrochen lesen wir: „Trübsinn kann keinen erreichen, der stetig Möglichkeiten sucht, zu lächeln.“ Obwohl der Glückskeks nicht aus China kommt, gehört die Suche nach Glück, glücklich sein, Freude, der Traum vom Glück zu den wichtigsten Themen im Reich der Mitte und das schon seit viertausend Jahren.

Im Buch der Riten, einem konfuzianischen Klassiker, führt das Gefühl der Freude die Klassifizierung der sieben menschlichen Gefühle an. Für Laozi, einem Zeitgenosse von Konfuzius, lag das wahre Glück in der Untätigkeit. Wenn der Mensch aufhöre, so Laozi, dem Glück oder anderen Zielen hinterherzulaufen, dann sei er wirklich glücklich. Lin Yutang, ein Bestsellerautor des letzten Jahrhunderts, meinte, dass die chinesische Vorstellung von Glück „Warm, satt, dunkel und süß“ sei. Er hält Essen neben Sex für eine der beiden wirklichen Freuden des chinesischen Lebens. Glück ist warm und kommt aus dem Bauch.

Kleines Glück, Double Happiness Zigaretten, die Farbe Rot, als Symbol für Freude und Leben; Glück beginnt in China nicht im Paradies, sondern im Hier und Jetzt. Wenn dem so ist, drängt sich natürlich die Frage auf, warum die Chinesen nach dem World Happiness Report so freudlos sind? Unter den 85 gelisteten Ländern, angeführt von Dänemark, taucht China gar nicht erst auf. Was sagt uns der Glückskeks: „Echte Armut ist nicht der Mangel an Geld oder Besitz, sondern fehlende Wärme des Herzens.“ Chinas rasanter Aufstieg hat seinen Preis: Die Menschen vermissen die alltäglichen Freuden, das kleine Glück des Miteinanders. Sinnsuche und Wertesuche sind im Trend, was die gut gefüllten Hallen buddhistischer Tempel zeigen. Buddha ist wieder da.

 

Museum

Foto: Barbara Geldermann Oktober 2015, in der Nähe der Großen Mauer

 

Das hat auch die chinesische Regierung erkannt. Die momentane Kampagne für den chinesischen Traum wird gerne mit dem Weg zum Glück im Hier und Jetzt kombiniert. Was das heißt zeigt das Promotionvideo der Chinese Communist Party (CPC) „Chinese Dream“, ein Hit der chinesischen Netzgemeinde. In dem Video werden Bürger wie Du und Ich nach ihren Träumen interviewt. Geträumt wird in China von einer „hübschen Frau“ bis zum „Weltfrieden“.

 

 

Auch westliche Marken haben den Traum und die Sehnsucht der Chinesen nach Glück für ihre Kampagnen sehr erfolgreich aufgegriffen. Nicht Geld und Reichtum, sondern das Glück der Familienzusammenführung wurde von PepsiCo in der „Bring Happiness Home“ (BHH) Campaign zum Frühlingsfest 2015 das zentrale Thema. Gemeinsam mit der populären Video-making und –sharing-App Meipai luden sie die Bürger ein, kleine persönliche Videos über ihre glückliche Familienzusammenkunft einzureichen.

McDonald’s schrieb für sein zwanzig jähriges Jubiläum in China kurzerhand seine original Philosophie “I’m lovin’ it” um. Unter dem Slogan “Make Room for Happiness” entwickelte McDonald’s seine dem chinesischen Markt angepasste Positionierung: Ein Aufruf an die Konsumenten, in einer Restauration der Fastfood-Kette vom Stress des Alltags mit einem Burger auszuruhen. Die Neupositionierung zog einen Umbau der Restaurants und Neuausrichtung der Kommunikation nach sich.

Das kleine Glück in der Familie, Freiräume vom alltäglichen Stress, das glückliche Heim, die Seele baumeln lassen – die Suche nach und das Finden von Glück sind zentrale Marketingthemen geworden. Und um mit einem Glückskeksspruch zu schließen: „Einige Menschen träumen vom großen Glück, andere von Keksen.“

Über unsere Gastautorin: Barbara Geldermann ist zertifizierte Außenwirtschaftsberaterin des BWA mit Schwerpunkt interkulturelles Management. Als ausgewiesene Kennerin der „Seele“ Ostasiens stellt sie Marketingfragen in einen neuen Kontext. Bei der Serviceplan International Roadshow „China Insights” am 17.11.2015 in München moderierte sie die Panel Discussion zum Thema „Innovation als USP in China“.