Nach einem Nachmittag voller Präsentationen und Meetings zum Thema Bluetooth Low Energy Technology beim 3rd Beacon Summit im Haus der Kommunikation in München bin ich mit zwei anderen Teilnehmern ins Gespräch gekommen. Natürlich wussten wir alle, wie diese Technologie funktioniert: ein kleiner Sender (Beacon) gibt ein Signal ab, das von fast jedem Mobilgerät empfangen werden kann.

Wenn also bei Ihrem Mobilgerät der Bluetooth-Modus aktiviert und es nicht mehr als 30 Meter von diesem Sender entfernt ist, kann es das Signal empfangen. Wenn Sie auch über die entsprechende App verfügen, kann das Signal interpretiert und Ihr Standort ermittelt werden. Daraufhin können Mitteilungen an Sie gesendet werden.

Es handelt sich dabei um eine einfache und recht robuste Technologie, die von jedem verwendet werden kann. Zahlreiche Unternehmen sind bereits in den Beacon-Markt eingetreten, und auch Apple, Facebook und Google setzen darauf. Viele Menschen investieren eine Menge Geld und Zeit und setzen in ihrem Geschäft oder zur Steigerung ihrer Lebensqualität auf diese Technologie.

Doch welche Möglichkeiten eröffnet diese Technologie eigentlich? Nun, es gibt ein paar Standard-Nutzungsszenarien und -Ideen, wie die Nutzung aussehen könnte: Indoor-Navigation und Umsatzsteigerung im Einzelhandel sind dabei die gängigsten Szenarios. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie kommen am Flughafen an und müssen zu Gate G49. Sie haben keine Ahnung, wie Sie dort hinkommen. Aber mithilfe von Beacons sind sowohl Ihr Standort als auch der des Gates bekannt, und die App lotst Sie problemlos zum gewünschten Zielort. Fast genauso verhält es sich mit dem anderen Szenario: Sie betreten ein Geschäft und erhalten auf Ihrem Mobilgerät sofort eine Mitteilung, dass die blauen Jeans gerade im Angebot sind. Die Jeans befinden gleich zu Ihrer Rechten. Und als Kaufanreiz gibt es obendrein noch einen 5-Euro-Gutschein.

Nach zwei Minuten höflichen Smalltalks hat sich zwischen den anderen Teilnehmern und mir eine interessante Diskussion entsponnen: Sind Indoor-Navigation und Einzelhandelsgutscheine wirklich so interessant? Und warum gibt es sie nicht schon überall, wenn es so gut funktioniert?

Bisweilen neigen wir dazu, begeistert über all die Möglichkeiten zu fachsimpeln und lassen dabei den tatsächlichen Nutzen außer Acht. Wir erwarten, dass eine Technologie unsere Probleme löst, und übersehen dabei, dass unsere Probleme womöglich nur die Symptome eines größeren Problems sind.

Nehmen wir an, Sie betreiben ein Einzelhandelsgeschäft. Sie verkaufen also Jeans. Und Sie möchten Ihren Jeans-Absatz steigern. Wenn Sie dies erreichen wollen, indem Sie Ihre Kunden genau zu den Jeans-Hosen führen, die Sie verkaufen möchten, Ihnen einen Nachlass von fünf Euro gewähren, sich zurücklehnen und darauf warten, dass die Verkaufszahlen anziehen, dann haben Sie ein größeres Problem.

Denn: Die Gründe, warum wir Dinge kaufen, sind einfach zu verstehen. Die Maslowsche Bedürfnishierarchie besagt, dass wir physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Individualbedürfnisse sowie Selbstverwirklichungsbedürfnisse (in dieser Reihenfolge) haben. Wie wir auswählen, was wir kaufen, fällt in die an dritter oder vierter Stelle genannten Kategorien. Wir kaufen Dinge, um unsere Zugehörigkeit zum Ausdruck zu bringen und um von unseren Mitmenschen und auch von uns selbst Wertschätzung zu erfahren. Wir kaufen also Jeans nicht (nur), weil wir ohne sie im Winter frieren würden, sondern auch, weil wir uns von der Gemeinschaft ausgrenzen und unsere Selbstachtung verlieren würden, wenn wir ohne sie zur Arbeit kämen.

Wenn es um Bedürfnisse geht, ist es also völlig gleichgültig, um welche Art von Jeans es sich handelt. Wenn Sie jedoch Jeans herstellen und Ihren Absatz ankurbeln möchten, ist dies natürlich von großer Bedeutung. Mir hingegen ist es egal. Ich möchte einfach nur eine Jeans tragen, wenn ich morgens zur Arbeit komme.

Wenn man mir jedoch eine tolle Geschichte erzählt, kann meine Kaufentscheidung dadurch beeinflusst werden. Und damit auch meine Einstellung. Menschen stehen tagelang Schlange, um das neueste iPhone zu ergattern, beschweren sich aber, wenn im Supermarkt mehr als fünf Personen vor ihnen in der Schlange stehen. Warum? Weil die Geschichte des iPhone besser ist als die des Brokkoli*.

Erzählen Sie mir also die Geschichte Ihres Produkts, anstatt mir fünf Euro Nachlass zu gewähren. Zeigen Sie mir meinen Platz in dieser Geschichte und auch, welche Rolle ich dabei spiele. Sprechen Sie mich emotional an!

Und bevor Sie nun Beacons kaufen, weil das der neue, ultimative Trend ist, überlegen Sie kurz und beantworten Sie zunächst diese Fragen:

Welche Geschichte möchten wir erzählen und welche Technologie kann uns möglicherweise dabei unterstützen, diese Geschichte so zu erzählen, dass sich der Endkunde angesprochen fühlt? Wie stellen wir die Bindung zu unseren Kunden her? Wie nehmen wir unsere Kunden bei der Hand und können gemeinsam mit ihnen eine Geschichte erzählen?

Beacons können wesentlich zur Lösung beitragen, doch erwarten Sie nicht, dass die Technologie den Umsatz von alleine steigert. Die Geschichte ist wichtiger als ein technologischer Rahmen. Und wenn Sie nicht wissen, wie die Geschichte aussehen und wie sie erzählt werden soll oder welche Technologie am besten geeignet ist, kann ich Ihnen eine großartige Agentur empfehlen!

 

*Das Gemüse Brokkoli hat eine äußerst interessante Geschichte vorzuweisen. Es sollte sich also einmal mit seiner Werbeagentur darüber unterhalten, wie seine Geschichte besser erzählt werden kann.

If this is your first time on Pinterest LEAVE NOW! It’s far too late for us, but save yourselves! Über diesen Pin bin ich schon häufiger gestolpert. Ich liebe Pinterest. Wirklich. Aber Pinterest ist wie ein schwarzes Loch. Einmal drin, nie mehr wieder gesehen. Stundenlang kann es einen gefangen halten, man kommt buchstäblich vom Hundertsten ins Tausendste. Es fängt erstmal harmlos an – ein lustiges Meme von someecards, ha und hier Grumpy Cat, immer wieder lustig, die alte Miesepeter-Katze. Oh wie süß, diese Tierbabys und ihre kleinen menschlichen Freunde. Ganz schön stylisch diese Kleinkinder – wahnsinnig süß, aber definitiv ein ganz schmaler Grat. Dann schon lieber Fashion für Erwachsene. Oh, was für tolle Ohrringe – wo gibt es die zu kaufen? Etsy. Liefern die nach Deutschland? Ja! Gekauft! Und schon sind wieder mal zwei Stunden vergangen.

Pinterest – was ist das überhaupt? Und wofür braucht man das?
Der Name Pinterest kommt aus dem Englischen von to pin = anheften und interest = ‚Interesse‘. In diesem sozialen Netzwerk können die Nutzer Bilderkollektionen erstellen und diese thematisch geordnet an virtuelle Pinnwände heften, anderen Pinnern folgen, die Pins anderer Nutzer teilen (repinnen), kommentieren und mit einem ‘Gefällt mir’ versehen. Es ist der Ort der schönen Bilder, Ideen und Anregungen. Doch das ist längst nicht alles. Die Pinnwände dienen nicht nur dem Zurschaustellen von Interessen und Sammeln netter Bildchen. Vielmehr ist Pinterest eine visuelle Linksammlung. Die Bilder verlinken in der Regel zurück zu einer Webseite, einem Blog oder auch direkt in Shops, von wo sie ursprünglich stammen. Das Themenspektrum reicht dabei von A wie Architektur über E wie Essen & Trinken bis hin zu T wie Tätowierungen und Z wie Zitate.

Wer beispielsweise bald eine Hochzeit plant, erstellt schon mal eine Sammlung mit Themen, die relevant für die Feier sein könnten – Locations, Hochzeitstorte, Kleider, Dekoideen, Ringe. Und auch die Urlaubsplanung lässt sich prima mit einer Vorabsammlung der Städte, Tempel, Museen, Strände und weiteren Ideen für den Trip vorbereiten – und schürt dabei schon mal die Vorfreude.
Verständlich, dass das soziale Netzwerk vor allem für Unternehmen mit eigenem Webshop großes Potenzial birgt. Die (überwiegend weiblichen) Nutzer müssen nicht über aufwendig geplante und kostenintensive Media-Kampagnen erreicht und aktiviert werden – sie kommen ganz von selbst, auf der Suche nach Fashiontrends, Einrichtungsideen und DIY-Anleitungen. Sie liken, stöbern, kaufen, pinnen – und ganz nebenbei fungieren sie für Brands damit als Markenbotschafter.

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So sieht die Pinnwand z.B. aus, wenn man auf Pinterest nach Hochzeitskleidern sucht. Quelle: Pinterest/Screenshot

Pinterest öffnet sich immer mehr für Unternehmen und bietet inzwischen die Möglichkeit, Business Accounts zu erstellen. Neben reinen Markenpräsenzen können Unternehmen inzwischen auch mit zusätzlichen Informationen wie Orten, Rezepten, Preisen etc. angereicherte „Rich Pins“ erstellen oder „Promoted Pins“ (bisher nur in den USA) gezielt auf bestimmte Zielgruppen aussteuern.

Und das Geschäft boomt. Laut einer Auswertung von shopify pinnen zwei Millionen Nutzer täglich Produkt-Pins, 93 Prozent der User nutzen Pinterest in Vorbereitung auf einen Kauf. Von 2013 auf 2014 ist die Anzahl der Käufe, die über Pinterest initiiert wurden, um 130 Prozent gestiegen (Käufe, die von außerhalb der USA kamen). Und 2015 kamen bereits 80 Prozent des Pinterest-Traffics über mobile Endgeräte.

27 Prozent aller Nutzer folgen bereits einer Markenpräsenz auf Pinterest. Auf diesen Profilen können die Unternehmen Tipps und Anregungen geben, Produkte vorstellen und eine Interaktionsgrundlage mit den Kunden schaffen. Bekannte Beispiele sind dabei internationale Brands wie die Hotelkette Four Seasons, die Consumer Electronics-Marke Sony oder das Online Einrichtungshaus Wayfair. Über Pinterest Web Analytics können alle Aktivitäten anschließend ausgewertet und Insights über die Kunden/Abonnenten/Pins gewonnen werden. Nicht zu vernachlässigen für alle Unternehmen, ob nun mit oder ohne eigener Präsenz bei Pinterest, ist in jedem Fall der Pin-it Button, der ähnlich zum inzwischen überall verbreiteten Like-Button von Facebook auf der eigenen Seite bzw. im eigenen Shop platziert werden kann und so die Besucher animiert, Produkte aus dem Shop zu pinnen und diese damit im Pinterest-Netzwerk zu teilen und so als Multiplikator für die Marke dienen. Pinterest wird somit zum nicht zu vernachlässigenden Traffic-Lieferanten und Informationstool.

Über 73 Mio. monatliche Nutzer hat Pinterest inzwischen weltweit. Zahlen für Deutschland werden von Pinterest hingegen nicht einzeln veröffentlicht und sind nur schwer zu bekommen, irgendwo zwischen drei und sechs Millionen stark soll die Mitgliederzahl des Netzwerks hierzulande inzwischen liegen – Tendenz steigend. Das Potenzial ist somit noch überschaubar, die Werbemöglichkeiten im Vergleich zum US-Markt eingeschränkter. Und dennoch oder gerade deswegen ist Pinterest ein Trend, den man nicht verschlafen sollte.

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Pinterest zeigt dem User auf seiner individuellen Pinnwand, Themen für die er sich interessiert. Im vorliegenden Fall z.B. Architektur, van Gogh, undgewöhnliche Interiors und Fotografie. Quelle: Pinterest Screenshot

Halali. Es wird zur Hatz geblasen. Zur Hatz auf die Budgets der Agenturen. Globale Player sind dabei, Kreation zu technisieren. Komplett neue Wettberber tauchen auf: IT-Konzerne, Softwarehäuser und Unternehmensberatungen. Dieses Szenario des Schreckens (für die Agenturen) entwarf die w&v Anfang Juni in einem Beitrag.

Und, sie hat Recht! Wenn die Agenturen nicht schleunigst aufwachen, dann steht eine neue Phalanx potentieller Konkurrenten bereit, ihre Arbeit (und ihre Budgets) in Teilen zu übernehmen. Aber: Agenturen müssen keinesfalls das Nachsehen haben. Das gemalte Szenario ist ein Wunschbild der neuen Player. Nur muss sich in Deutschland Fundamentales im Binnenverhältnis von Media und Kreation ändern, damit dieser Fall nicht eintritt. Die Kreation muss ihre Blockadehaltung aufgeben. Und damit meine ich nicht den Kreativen in einer klassischen Werbeagentur, der sein Geld hauptsächlich mit Anzeigen, Plakaten oder Fernsehspots verdient. Geschenkt, dass dieser Typus bei digitalen Insiderthemen überfordert ist. Nein, es geht um die Online-Kreativen in den Digital Units der Kreativagenturen und bei den sogenannten Multimedia-Spezialisten. Die stehen mitten in einem äußerst dynamischen Markt, der von Themen wie Programmatic Advertising, Targeting und Profiling, Smart Data und der damit verbundene dynamische Steuerung von Kreation getrieben wird. Diese Entwicklungen verändern unseren Markt gerade grundlegend. Nur leider nehmen die Online-Kreativen an dieser Entwicklung nicht teil.
Warum verweigern sich viele Kreative den neuen Möglichkeiten?

Suchen Sie mal einen Digital-Kreativen auf der d3con oder der AdTrader Conference? Oder machen Sie sich mal den Spaß, die Zahl der Kreativen unter über 500 dmexco-Speakern zu ermitteln. Sie werden sehen: Kreative beteiligen sich derzeit wenig bis gar nicht an den zentralen Diskussionen in unserem Markt – weder auf Podien, noch in wichtigen Lobby-Organisationen wie dem BVDW. Vorangetrieben wird der Markt derzeit ausschließlich von Technologie- und Media-Experten.
Warum ist das so? Fehlt den Digital-Kreativen das Digital Gen? Und was meine ich damit? Nur weil jemand in der Lage ist, eine Kampagne über mehre Kanäle (darunter auch mehrere digitale) logisch und abgestimmt auszurollen, denkt er noch lange nicht digital. Digitale Denke ist ein Philosophie: Sie umfasst das Prinzip des kollaborativen Arbeitens und einer permanenten Feedback-Kultur und kombiniert es mit stetiger Optimierung. Sie stellt den Nutzer, sein Verhalten und sein Feedback in den Mittelpunkt. Kritik wird dabei als positives Element gesehen, das hilft, eigene Thesen Schritt für Schritt weiterzuentwickeln.
Demgegenüber steht die eher tradierte, statische Arbeitsweise vieler Digital-Kreativer, die Widerspruch als lästig empfindet und ihre Kreation als einmal gesetztes Statement. Vielleicht liegt es daran, dass viele Kreative, auch solche aus Digital-Agenturen und -Units, ihre Prägung immer noch in elitärer Kaderschmieden erhalten haben, die eine eher autoritären Vorstellung von Kommunikation pflegen: eine Welt, in der die Kreativen entscheiden, was gut und richtig ist. Und maximal noch dem Werbetreibenden oder dem Award-Juror als Sparringspartner das Recht zur Bewertung der Kreation zugestanden wird. Der Konsument ist in dieser Geisteshaltung meist ein Störenfried, der gute Kreation nicht erkennt und damit keinen Platz auf Augenhöhe einnimmt.

Von diesem Podest sollten Kreative schleunigst steigen, denn diese Position ist nicht mehr zeitgemäß. Schließlich predigen doch alle Berater heute ihren werbetreibenden Kunden, dass der Schlüssel zum Erfolg einer Kampagne darin liegt, auf das Feedback und das Urteil des Konsumenten zu hören. Nur halten sich die Prediger nicht an ihre eigenen Glaubenssätze.
Das ist schade, denn auch in Zeiten einer immer stärkeren Marketing-Automation ist exzellente Kreation ein zentraler Pfeiler der Kommunikation. Kreativität bleibt bis auf weiteres eine Leistung, die eben keine Software automatisch erzeugen kann. Sie ist auch kein USP der Unternehmensberater. Kreative sind ein eigener Schlag Menschen mit ganz speziellen Talenten. Umso wichtiger ist es, diesen Typ Werber auf dem Weg in die Digitalisierung nicht zu verlieren. Deshalb würde ich mir wünschen, dass gute Kreative sich der neuen, technisch getriebenen Mediawelt viel stärker öffnen. Dass sie sich mit den Möglichkeiten, die Programmatic und Profiling bieten, viel intensiver auseinandersetzen – gerne auch kritisch. Nur wenn sie ein gleichberechtiger Teil des Systems werden, kann Marketing Automation seine volle Kraft entfalten.
Wir wissen, dass eine erfolgreiche Kampagne auch im Programmatic-Zeitalter erst durch das Zusammenspiel aus Kreation und Media entsteht. Aber genau diesem Zusammenspiel verweigern sich bisher die meisten Kreativen. Auch Analyse und Tracking werden von ihnen eher als Bedrohung empfunden, denn als Chance. Ein Fehler, denn sie sind keine Überwachung, sondern ein sinnvolles und leistungsfähiges Instrument zur Überprüfung der eigenen Thesen. Kritische Konsumenten oder eine mangelnde Performance sind keine Form der Ablehnung. Sie sind eine Chance zu lernen, für was sich Konsumenten wirklich interessieren.
Zum Jobprofil des Kreativen gehört es deshalb zwingend, sich Leistungskennzahlen und Kampagnenreports zu Gemüte zu führen. Kreative müssen aus ihrem Elfenbeinturm steigen und den Konsumenten (nicht den Marketingleiter) als eigentliches Ziel ihrer kreativen Arbeit anerkennen. Ein konstruktiverer Blick auf die neuen Möglichkeiten zeigt, dass die Kommunikation für klar umrissene Teilzielgruppen für Kreative viel spannender sein kann, als für die One-to-many-Kampagne immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Und damit am Ende immer Mainstream zu liefern, ohne die Chance zu haben, polarisieren zu können.

Meine Hoffnung: Wir stellen spätestens auf der dmexco 2016 spektakuläre Kampagnen vor, die die technischen Möglichkeiten von Programmatic & Co. kreativ ausschöpfen. Eines aber ist auch klar: Wenn die Kreativen nicht bald ihre Einstellung zu den neuen Technologien und der Marketing-Automation ändern, kann es wirklich sein, dass viele ihren Job mittelfristig an den Nagel hängen müssen. Denn immer mehr Werbungtreibende erkennen das Potenzial, das in einer individuelleren Zielgruppenansprache und Kampagnensteuerung – vereinfacht als Technisierung der Kreation bezeichnet – liegt. Und sie werden diese Leistung in Zukunft stärker einfordern. Von der Agentur und/oder vom System-Dienstleister. Der Kunde bekommt immer, was er will. Die Frage ist nur, von wem.

Der Beitrag wurde auf wuv.de veröffentlicht.

Nur knapp vier Prozent der deutschen Online-Shopper haben schon einmal einen Curated-Shopping-Service genutzt, so eine aktuelle Umfrage des ECC Köln. Das ist nicht viel. Doch diejenigen, die es tun, sehen klare Vorteile in dem kuratierten – also gewissermaßen betreuten – Einkaufen, bei dem ein Styling-Berater den Kunden individuell zusammengestellte Outfits nach Hause schickt: Die Möglichkeit, modisch etwas Neues auszuprobieren, die Zeitersparnis – schließlich sucht ein Modeprofi das Outfit aus –, die Online-Beratung, aber auch der Überraschungseffekt, nicht zu wissen, was im nächsten Paket sein wird, zählen dazu. Und das Risiko ist gering:  Was nicht gefällt, wird wieder zurückgeschickt – und zwar kostenlos. Da verwundert es nicht, dass die gleiche Studie auch besagt, dass sich schon jeder Fünfte vorstellen kann, Curated-Shopping-Dienste einmal in Anspruch zu nehmen.

Der vor rund vier Jahren entstandene Trend hat sich zu einem ernstzunehmenden Geschäftsmodell entwickelt: Neben Startups wie Modomoto, Kisura oder Outfittery ist mit Zalando nun auch einer der großen Online-Händler auf den Zug aufgesprungen. Mitte Mai ist dessen Curated Shopping Dienst Zalon an den Start gegangen. Ob nur für Frauen, Männer oder für beide gibt es mittlerweile Anbieter. Der Kunde genießt alle Vorteile, die bei einem Einkauf im lokalen Geschäft gegeben sind, und muss dafür nicht einmal außer Haus.

Als Agentur für Digital Commerce und Brand Communication finden wir diese Entwicklungen natürlich sehr spannend. Schließlich verbindet uns ein gemeinsames Ziel: Denn der Weg hin zum erlebnisorientierten, für den Kunden maßgeschneiderten Shopping ist genau der richtige. Curated Shopping ist nicht nur etwas für Männer mit Shopping-Phobie, die orientierungslos in Kaufhäusern umherirren und vor Verkäufern fliehen – wie es im TV-Spot von Outfittery zu sehen ist. Oft ist es, wie auch schon eingangs erwähnt, schlichtweg der Zeitmangel, der die Kunden zu dieser Art des Einkaufens verleitet. Mit einem nicht ganz günstigen, aber auch nicht überteuerten Angebot ist es etwas für Jedermann. Außerdem sorgt das Versprechen, dass mit jeder Bestellung der persönliche Stil noch genauer getroffen wird, für zusätzliche Kundenbindung.

Im Zeitalter des Connected Commerce, in dem alle dauerhaft mit dem Smartphone, dem Wearable oder am PC online sind und sich inspirieren lassen, shoppen oder gezielt stöbern, um die Ware im PoS (Point of Sale) zu kaufen, passt die Idee des Curated Shopping genau zum Zeitgeist. Das Einkaufsverhalten des Users hat sich den technischen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, angepasst. Die Ansprüche sind höher geworden. Mit dem direkten und persönlichen Austausch mit dem Styling-Berater, einer individuellen Auswahl, der schnellen Lieferung und letztendlich der Bestellung über alle Geräte gliedert sich das Konzept perfekt in die nahtlose Reise des Kunden im Internet ein und schafft ein wahres Shoppingerlebnis. Die Seamless Customer Journey und Connected Customer Experience – wie es so schön heißt – werden bei diesem Geschäftsmodell wunderbar umgesetzt.

Hinsichtlich der Entwicklung des Marktes, der Ansprüche und Wünsche der Kunden werden die bereits bestehenden Services vermutlich nicht die einzigen Anbieter bleiben. Das Modell trifft den Nerv der Zeit und wird Bestand haben. Es wird nicht mehr lange dauern, bis weitere große Player eigene Services auf den Markt bringen und mehr als vier Prozent der Deutschen diese Angebote zumindest einmal ausprobiert haben.

Der Artikel wurde auf LEAD digital veröffentlicht.

Tobias Grewe (39), seit dem 1. Juli 2014 Manager und Senior Partner bei Serviceplan Köln, hat neben seinem Beruf als Kommunikationsberater eine zweite Karriere eingeschlagen, die er nicht mehr missen möchte. Der Fotokünstler hat in den letzten Jahren in zahlreichen Galerien, Kunstvereinen und sogenannten „Off-Sites“ im In- und Ausland ausgestellt und knüpft mit seinen Bildern bewusst an die abstrakte Malerei an. Der Unterschied: Tobias Grewe „malt“ mit der Kamera, verzichtet dabei auf jegliche Formen der digitalen Bildbearbeitung und geht mittlerweile ungewöhnliche Wege, indem er die Begrenzung des Ausstellungsraums „sprengt“. Um zu erfahren wie er arbeitet und was ihn treibt, hat für uns der Kölner Kunstexperte Gérard Goodrow (49) unseren Kollegen mit Doppelleben zu einem Gespräch eingeladen. Goodrow, Kunsthistoriker, Autor und Förderer junger Künstler hat in seiner Laufbahn fünf Jahre die Art Cologne geleitet und sieben Jahre die Abteilung für zeitgenössische Kunst bei Christie’s in London aufgebaut. Sein nächstes Buch „Passages. Indian Art Today“ erschient Mitte August bei Daab Media, Köln.

Tobias, die Architektur spielt eine herausragende Rolle in deiner Kunst. Würdest du dich als Architekturfotograf bezeichnen?
Es geht in meiner Kunst nicht um die Abbildung von Architektur. Urbane Räume und architektonische Motive sind lediglich ein vielschichtiger Ausgangspunkt für meine fotografische Arbeit, der „Fundus“ sozusagen. Mein Bildinteresse orientiert sich zwar an Architektur, es geht aber dabei weniger um das Gebäude an sich, sondern vielmehr um das, was ich mit meinem Auge sehe bzw. „entdecke“. Oft bleibe ich wie angewurzelt stehen – dabei handelt es sich meist um Strukturen, komplexe Formen oder Farb-Momente, die ich z.B. in Fassaden, Dachkonstruktionen oder generell in konstruierten Objekten entdecke. Das kann eigentlich alles sein – von Abluftrohren einer Tiefgarage bis hin zu einer Achterbahn.

Was muss ein Gebäude oder sonstige urbane Strukturen haben, um für dich interessant zu sein? Muss es eine besondere Architektur sein? Orientierst du dich an Star-Architekten wie z.B. Frank Gehry oder Daniel Libeskind?
Nein, gar nicht! Interessanterweise sind es oft eben nicht die „Top-Models“ der großen Architekturbüros – sondern eher die unspektakuläreren, teilweise anonymen oder sogar als hässlich empfundenen Objekte, in denen ich etwas sehe. Dabei geht es sowieso nicht um das Gebäude als solches, sondern eher um kleine Details. Die bekannten Gebäude der Star-Architekten sind eh meist zu laut, haben zu viel Eigencharakter. Was soll man da rausholen?
Ein Beispiel: Der Fotograf Peter Gilbert hat mir mal Bilder von Santiago Calatravas futuristischen Kulturbauten in Valencia geschickt. Ich bin dem Tipp gefolgt und war letztendlich enttäuscht. Die Strukturen waren so spektakulär, so perfekt, dass sie alles von sich schon preisgaben. Es gab nichts, was man „entdecken“ konnte.

Man könnte also sagen, dass Du Dinge siehst, wo wir als normale Menschen vermutlich dran vorbeilaufen würden. Was geht in Deinem Kopf vor, wenn Du ein geeignetes Motiv gefunden hast?
Ich bin immer wieder fasziniert von architektonischen Details – d.h. formale Momente, wie komplexe Überlagerungen, Wiederholungen, Farbenspiele oder besondere Strukturen. Es geht immer um eine gewisse Energie, die in genau diesem Detail steckt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich nur dieses Detail, ohne das „ganze Drumherum“, was sowieso nur ablenkt. Beim Fotografieren konzentriere ich mich dann auf genau das und nur das, d.h. ich lasse das weg, was ich mit meinem sehr subjektiven Blick auf das gesehene Detail als „zu viel“ empfinde und künstlerisch in der Komposition nicht verwerten kann.

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„Tubes I“, 2009

Es geht also um eine starke Reduktion, die beim Akt des Fotografierens stattfindet. Wie genau kann man sich das vorstellen? Wie machst Du das?
Beim Fotografieren löse ich über die Wahl des Ausschnitts, sowie durch besondere, teils extreme Perspektiven und unterschiedliche Belichtungen Farben, Formen, Strukturen und sonstige Elemente aus ihren eigentlichen Architektur-Kontexten heraus und überführe sie so in neue Wahrnehmungsmöglichkeiten. Dieser Prozess des fotografischen Weglassens, macht das visuell sichtbar, was ich vor meinem geistigen Auge gesehen und dabei gefühlt habe. Das Architektur-Detail wird dadurch „gegenstandslos“ gemacht und der Ausgangspunkt “Architektur“ verliert so vollends seine Bedeutung. Dabei bekommt z.B. ein Fassadendetail, so wie ich es fotografiere, einen eigenen neuen kompositorischen Sinn in dem Bildraum, den ich ihm intuitiv beim Fotografieren „zuweise“. Es geht also um das „Wesentliche“, das Herausarbeiten einer Essenz. Nicht umsonst hieß meine letzte große Einzelausstellung im Kunstverein Sundern-Sauerland „DESTILLAT“. Ich für mich bezeichne das, worum es mir in meiner Kunst geht, als „Abstraktion durch Reduktion“.

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„Spindle“, 2010

Deine Bilder sind nicht nur abstrakt, sondern wirken oft sehr malerisch – als ob sie tatsächlich gemalt würden…
Das empfinde ich genauso. Es war sehr interessant, als ich von einem Besucher einer meiner Ausstellungen gefragt wurde, wie ich das Bild gemalt hätte. Um zu beweisen, dass es kein Gemälde, sondern tatsachlich eine Fotografie war, musste ich ihm die Referenzen zur Realität in meinen Arbeiten zeigen – das können schon mal Spinnweben, Risse oder aber Spiegelungen sein, die das Foto als solches wieder erkennbar machen.

Die Verwechselung findest du aber gut, oder? Du „verblüffst“ gern mit dieser Illusion…
Ja, verblüffen, staunen. Mit meinen Fotoarbeiten versuche ich dem Betrachter eine neue Seh-Erfahrung zu ermöglichen, bei der über das Moment des Staunens ein Erkenntnisgewinn entsteht. Nicht zuletzt zeigen mir Sammler, Interessierte oder Freunde Motive auf ihren Smartphones, die sie so nie fotografiert hätten, wenn sie meine Bilder nicht gesehen hätten. Wenn Menschen durch meinen Augen sehen – dort stehen bleiben, wo sie normalerweise vorbeilaufen – dann habe ich schon viel erreicht.

Wir haben eben vom malerischen Moment in deinen Arbeiten gesprochen. Es gibt aber einen weiteren Bezug zur Malerei, denn wenn man deine Bilder anschaut, denkt man häufig an bestimmte Maler oder Kunstbewegungen, wie z.B. die Farbfeldmalerei oder die Op Art…
Das stimmt. In meiner Bildfindung entstehen im kompositorischen Prozess bewusste Konzeptionen von geometrischen Strukturen und farblichen Rhythmen, die dann optische Illusionsräume erzeugen, wenn nicht sogar optische Täuschungen wie in der Op Art.

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„Refractions III, Los Angeles“ (links), „Refractions IV, Beijing“

Einen direkten Bezug zur Farbfeldmalerei der 1950/60er Jahre stelle ich mit meiner „Colourfields“-Serie ganz bewusst her. Inspiriert hat mich dabei allen voran Barnett Newman, der sich in seiner Arbeit auf die Eigenwerte der Malerei besann, ohne etwas figürlich oder erzählerisch „darstellen“ zu wollen und darüber hinaus sogar in einem langwierigem Farbauftragsprozess jeglichen Pinselduktus als möglichen Ansatzpunkt für eine erzählerische Spur komplett killt. Ziel war die Konzentration auf das wesenseigene Moment der Farbe und deren Wahrnehmung und Wirkung. In meiner „Colourfields“-Serie ordne auch ich mit meiner fotografischen Abstraktion die Farbflächen kompositorisch an und verwische dabei ebenfalls alle erzählerischen Bezüge. Barnett Newmans Farbflächen wurden unterteilt bzw. gegliedert durch die sogenannten „Zips“ – bei mir müssen in dem Fall schon mal architektonische Elemente wie Straßenlaternen, Fensterholme oder von anlehnenden Fahrrädern zerkratzte Betonsäulen herhalten.

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„Colourfields #3 – Cologne“, „Colourfields #4 – New York“, „Colourfields #6 – Cologne“ (von links)

In der jüngsten Vergangenheit warst du aber eher damit beschäftigt, neue Wege zu ergründen – weg vom Einzelbild an der Wand. Du denkst Fotografie „Out of the Box“. Seit Neuestem sieht man z.B. immer mehr raumbezogene Arbeiten von Dir. Dabei sprengst Du die Begrenzungen des Bildes und dessen Vorgaben. Wie kamst Du dazu?
Bei verschiedenen Projekten war der Ausstellungsraum zum Teil wie eine „Barriere“ – eine „Begrenzung“ oder „Vorgabe“ wie du sagst. Dafür musste ich eine Lösung finden bzw. den Raum mit seinen Gegebenheiten überwinden. Der erste Anstoß kam über die Einladung, für den RAUM in Düsseldorf, der auf installative Arbeiten ausgerichtet ist, ein Ausstellungskonzept zu entwickeln. Es war klar, dass ich keine normale Bilderschau machen sollte. Aber was kann ein Fotograf sonst machen? Dieses Problem, diese Fragestellung, hat mich sehr beschäftigt – und gleichzeitig beflügelt. Ich hatte zu der Zeit gerade mit meiner „Colourfields“-Serie begonnen: Über extremen Ausschnitt und gesteuerte Überbelichtung habe ich die bunt bemalten Beton-Abluftrohre einer Kölner Tiefgarage mit einer davor stehenden Laterne zu zweidimensionalen Farbfeldkompositionen reduziert und abstrahiert. Dabei verschwammen alle Dimensionen: Hintergrund, Vordergrund, Flächigkeit, Dreidimensionalität.

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Ausgangsobjekt als Iphone Sketch, Fotoarbeit „Colourfields #1 – Cologne“, Fotografische Skulptur „Colourfields – Die Stille Post“ (von links)

Daraus ist mir dann die Idee für das Ausstellungskonzept gekommen, nämlich diese beiden abstrahierten Aufnahmen zurück in den dreidimensionalen Raum zu überführen. Dazu stand jedoch nicht mehr die ursprüngliche Realität des Objekts zur Verfügung, sondern nur noch, was aus der Reduktion aus Ausschnitt und Überbelichtung herauszuholen war. Dabei galt es, die Realität nicht zu rekonstruieren, sondern nur zu zitieren. Ein stiller Prozess, der in seiner Kette „Realität – Reduktion – Wiedergabe“ beliebig weitergetrieben werden könnte. Fast so wie beim Kinderspiel „Stille Post“, bei dem sich eine Geschichte durch das Weitererzählen von Mal zu Mal verändert und mit dem Ausgangspunkt immer weniger zu tun hat. So auch bei meiner Ausstellung im RAUM: Realität  als Ausgangspunkt der Geschichte, meine Weitererzählung in Form einer Abstraktion und schlussendlich das Hinzudichten von neuen Realitäten bei der Rückführung des Fotos in die Dreidimensionalität. Eine von mir erschaffene stille Post. So war auch der Ausstellungstitel geboren: „Colourfields – Die stille Post“.

Eine Foto-Skulptur sozusagen! So etwas habe ich sonst nie gesehen – eine echte künstlerische Innovation. Du gehst inzwischen auch gerne direkt auf den Ausstellungsraum ein, veränderst somit die räumliche Wahrnehmung des Betrachters. Wie bist du auf die Idee gekommen, mit deiner Fotokunst auch raumbezogen zu arbeiten?
Letztes Jahr hat mich der Künstler Christoph Bucher eingeladen, eine Ausstellung in seinem Projekt-Raum in Düsseldorf zu konzipieren. Ich habe sofort zugesagt – allerdings ist der Raum in seiner Beschaffenheit sehr schwierig. Hinzu kommt, dass dieser Raum in der Primärnutzung ein Showroom der Modedesignerin Tina Miyake ist. Nach meiner Erfahrung mit der „stillen Post“ bin ich an diese Ausstellung durch die schwierigen Raumgegebenheiten schon ganz anders herangegangen. Da der Raum sich in einer vielbefahrenen, sehr hektischen Straße befindet, war sofort vor meinem geistigen Auge, dass ich den Raum in eine Achterbahn verwandeln möchte. Und so habe ich auf die beiden im rechten Winkel zu einander stehenden Wände je ein riesiges Foto der Achterbahn gesetzt. Durch die unterschiedlichen Wandgrößen musste ich hier im Sinne des visuellen Ergebnisses einen Schienenstrang verbinden, damit aus beiden Wänden, sprich aus beiden Fotos ein zusammenhängendes Bild wurde. Die optische Illusion war perfekt, denn der Blick wurde auf die rote Achterbahnschiene gelenkt, die im Auge des Betrachters in einer flüssigen Kurve durch den rechten Winkel rauschte. Durch den knallweißen Hintergrund hat das Auge sozusagen den rechten Winkel einfach subtrahiert und der runden Bewegung der Schienenkurve visuell den „Vortritt“ gelassen. Der rechte Winkel war durch diese Illusion bezwungen.

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„Gute Fahrt, 2013“ (links) & Fotoinstallation / Tapetenarbeit „GUTE FAHRT“

In meiner letzten Ausstellung „DESTILLAT“ habe ich dann auf einer leicht nach innen gebogenen, elf Meter langen Wand die perspektivisch extrem aufgenommene Bullaugen-Fassade eines Hotels in Bangkok gedoppelt und horizontal gespiegelt aneinandergesetzt und ebenfalls als Tapetenarbeit vollflächig auf diese Wand gespielt. Das Motiv wirkte so nach außen gebogen – also konvex – optisch der konkav geformten Wand entgegen. Ein irrer optischer Effekt, der diese riesige Wand völlig im Griff hatte.

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Fotografische Installation, Tapenarbeit „DESTILLAT, Bangkok, 2013“

Sehr beeindruckend. Genauso beeindruckend ist die Tatsache, dass du zwei Berufe gleichzeitig ausführst. Das muss auch manchmal wie eine Achterbahnfahrt sein, oder? Gibt es gegenseitige Berührungspunkte zwischen den beiden Arbeitsfeldern?
Ich würde sagen ja. Bei Aufträgen, wo wir z.B. Fotografen für die Umsetzung einer Kampagne beauftragen, glaube ich, dass ich mit meinem Gefühl für „das Bild“ – zusammen mit meiner Art Direktorin und ihrem Know-how – im Gespräch oder Briefing mit dem Fotografen sehr schnell zum Punkt komme. Das ist natürlich ein schöner Nebeneffekt.
Darüber hinaus kommen Kunden auch zu meinen Ausstellungseröffnungen. Unsere Kunden waren alle schon da, sofern die Ausstellung jetzt nicht gerade im Ausland oder zu weit weg ist. Die Kunst ist dann wie ein geschützter Raum, in dem man mit Kunden auch einmal die Gelegenheit hat, über andere Dinge zu sprechen, zu inspirieren und sich anders auszutauschen.

Nach diesem inspirierenden Rückblick nun auch ein Vorausblick – gibt es etwas, was du gern noch machen würdest? Etwas was ansteht? Was bringt die Zukunft in der Arbeit von Tobias Grewe?
Ein Traum von mir wäre, irgendwo eine permanente Installation aufzubauen – etwas, das länger bleibt als die üblichen Ausstellungen, die in der Regel nur sechs Wochen dauern. Ich würde gerne z.B. die Lobby einer Firma bespielen dürfen – einen Ort, wo vielen Menschen jeden Tag rein und raus gehen; Menschen, die in ihrem Alltag wenig mit Kunst zu tun haben. Ich würde gerne sehen, wie meine Kunst ihre Sichtweisen über die Zeit nach und nach verändert.
Darüber hinaus gibt es ein anderes Medium, was mich natürlich noch reizt und bestimmt auch bald in meiner Arbeit eingesetzt wird, nämlich Video oder Film. Es bleibt also spannend…

Nahezu zwei Jahrzehnte funktionierte E-Commerce in seiner ursprünglichen Form absolut reibungslos für alle Beteiligten. Der Weg des Kunden führte unmittelbar zum Online-Shop, in dem das im Vorfeld ausgesuchte Produkt gekauft wurde. Konkurrierende Shops suchten und fanden Alleinstellungsmerkmale im Design und beschäftigten sich mit einer kundenorientierten und -freundlichen Benutzeroberfläche, die das Einkaufen im Web so einfach wie möglich gestaltete. Heute reicht dies nicht mehr aus. Die Technik und die Erwartungen der Kunden entwickeln sich gleichermaßen und die Unternehmen müssen reagieren.
Heutzutage prägen Begriffe wie „Connected Customer Experience“ und „Seamless Customer Journey“ den E-Commerce: Doch was bedeuten diese eigentlich? Es handelt sich hier um keine strategischen Maßnahmen, die auf wirtschaftliche Interessen des Unternehmens zurückzuführen sind. Vielmehr haben die Nutzer Ansprüche entwickelt, die flexibel vom Unternehmen bedient werden müssen. Der Unternehmenserfolg hängt heute von vielerlei Faktoren ab, die sich rund um die Verbesserung der Kundenzufriedenheit, Prozessoptimierung, Markenwahrnehmung, Neukundenakquisition und Bestandskundenpflege drehen.

1) Themenwelten schaffen

Die oberste Maxime ist: Nur wenn der Kunde zufrieden ist, kann auch das Unternehmen zufrieden sein. Der Mehrwert für alle Beteiligten liegt allerdings nicht mehr allein bei einer technisch reibungslos funktionierenden Rundumversorgung, der perfekten Beratung und einem breiten Angebot. Dies sind Faktoren, die viele Verbraucher mittlerweile als selbstverständlich voraussetzen. Wollen sich Händler von der Konkurrenz abheben, müssen sie für ihre Kunden ein angenehmes Shopping-Erlebnis schaffen: Nutzer sind oft nicht nur auf der Suche nach dem günstigsten Angebot, sondern freuen sich auch über Inspirationen und themenbezogene Informationen. Spezifische Themenwelten, die das Einkaufen begleiten oder gewisse Stimmungen erzeugen und transportieren, sind dabei ein wichtiger Bestandteil.
Beispielsweise erhalten Kunden auf hessnatur.com in verschiedenen Kategorien Styling-Vorschläge und finden zu jedem Produkt Informationen zum Stoff und dessen Herkunft. Gleichzeitig wird ihnen das Image des Anbieters für nachhaltige Mode auf vielen Wegen präsentiert, was eine starke Identifikation ermöglicht. Sei es vom Design oder von der Art und Weise der Kommunikation mit dem Kunden – der gesamte Content basiert auf ökologischen und sozialen Grundprinzipien, die hessnatur und den Kunden vereint. Hier wird das Shopping zu dem Erlebnis, das sich der User gewünscht hat /wünscht.

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2) Stichwort: Touchpoints

Der Nutzer wählt heute aus einem unendlich großen Pool von Anbietern aus – doch was qualifiziert einen Online-Shop letztendlich für den Kunden? Touchpoints sind Schnittstellen, an denen Kunden und Unternehmen noch enger interagieren und Händler aktiv beim Lösen von Problemen oder bei der Kaufentscheidung helfen. Eine transparente Lösungsfindung und die Möglichkeit, Kritik zu äußern, unterstützen die Verbraucher, die hohe Ansprüche an den Online-Shop stellen.

Darüber hinaus müssen die unterschiedlichen Angebote eines Unternehmens natürlich miteinander harmonieren. Denn die Möglichkeit, selbst in den Laden zu gehen oder zu Hause am PC, unterwegs mit dem Mobiltelefon sowie mit der Smartwatch zu bestellen, verknüpft die gesamte Lebenswelt der Verbraucher. Wir von hmmh kennen die Bedürfnisse der Nutzer und helfen Händlern dabei, diese Anforderungen zu erfüllen. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob man sich zu Hause, im Bus oder direkt im PoS (Point of Sale) befindet.

3) Das richtige Timing auf dem richtigen Kanal

Die so genannte Seamless Customer Journey beschreibt den nahtlosen Übergang von der Inspiration bis hin zur Möglichkeit des Kaufens über ein und dasselbe Endgeräte oder mit allen Geräten gleichzeitig. Die Art des Einkaufens hat bei diesem Prozess einen neuen Antrieb entwickelt, weshalb es schwer ist, zwischen Online- und In-Store-Käufen zu differenzieren. Der gesamte Kaufprozess wird multimedial begleitet und holt den Kunden dort ab, wo er sich gerade befindet. Wichtig ist es hierbei, den richtigen Impuls zur richtigen Zeit zu setzen.

Diese Dairberlin_pressemitteilung_FBynamik müssen Unternehmen nutzen, um den User mithilfe neuer technischer Mittel unterstützen und ein aufregendes Einkaufserlebnis bieten zu können. Dies hat hmmh beispielsweise bei der Apple Watch App für airberlin realisiert. Das Erlebnis des Kunden fängt hier bereits bei der Buchung an und mündet darin, dass das Wearable als Boarding-Pass genutzt werden kann und dem Nutzer relevante Informationen anzeigt – wie etwa das Wetter am Zielort oder Details zum Flug. Im Vordergrund stehen die vielfältigen Möglichkeiten und Angebote des Unternehmens, die über alle Kanäle und Endgeräte hinweg eine Erleichterung für den Kunden bieten. Die zentrale Herausforderung ist dabei, dass die unterschiedlichen Anwendungen nicht nur intuitiv bedienbar sind, sondern vor allem die jeweiligen Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden, die von Endgerät zu Endgerät variieren, erfüllen.

Bei einem anderen unserer Kunden haben wir die Idee des nahtlosen Einkaufserlebnisses über alle Verkaufskanäle hinweg mit Hilfe von Beacons umgesetzt: Ob beim Vorbeigehen oder in der Filiale werden Kunden – sofern sie dem zugestimmt haben – heutzutage erkannt und erhalten so gezielt passenden Content auf ihr Smartphone.

Was ist also Connected Commerce 2015?

Unser Ziel als Agentur für Digital Commerce und Brand Communication ist es nicht, den E-Commerce komplett neu zu erfinden – vielmehr wollen wir unseren Partnern die Reise in den Connected Commerce ermöglichen, um eine optimale Lösung für den User und das Unternehmen zu erzielen. Dabei spielt all das eine Rolle, was den Händlern hilft, ihren Kunden zu helfen. Gemeinsam mit der Technik entwickeln wir uns weiter und schaffen neue, spannende Erlebnisse – ob zu Hause, im PoS oder unterwegs über ein mobiles Endgerät.

Dabei ist es wichtig, im richtigen Moment den richtigen Content zu liefern, eine Atmosphäre um das Einkaufen zu erschaffen, mit der sich die Kunden identifizieren können, und eine Themenwelt zu bieten, in die sich die User begeben können, wenn sie in der Stimmung sind. All das muss dabei nahtlos möglich und unkompliziert sein.

Der Artikel wurde auf internetworld.de veröffentlicht.

Die Veränderungen am Markt schaden den Agenturen. Wenn sie ihre Chancen verschlafen

Die Agenturen überlassen das Feld aktuell anderen Playern: Unternehmensberatungen und IT-Dienstleistern. Sie haben die richtigen Zugänge. Was ihnen jedoch fehlt, ist die Verknüpfung von Daten aus Vertrieb, Media oder Kommunikationskennzahlen. Das sind in Zukunft die Hebel für die Optimierung! Dem Kunden ist es letztendlich egal, wo und wie er einkauft. Hauptsache, günstig und bequem. Und was tun die Agenturen? Sie sind dabei, eine große Chance zu verschlafen, neue Kunden und neues Business zu generieren. Stattdessen beklagen sich Agenturchefs immer lauter über mangelndes Commitment, den steigenden Anteil an Projektaufträgen und über die Unlust der Kunden an langfristiger Agenturbindung. Aber kaum ein Agenturchef stellt sich die Grundsatzfrage: warum?

Außer lautem PR-Gebrüll einiger Kollegen in der Fachpresse ist in puncto neuer Leistungsangebote wenig passiert. Auch auf Unternehmensseite wachsen die Anforderungen so schnell, wie Veränderungen eintreten: Noch nie war der Druck so groß, noch nie sind Jobs so schnell verändert worden, und noch nie in den letzten Jahrzehnten sind Marketingchefs so schnell wieder entsorgt worden, wie sie gekommen sind. Wo sind die Neuentwicklungen, die Testlabors, neue Vertriebskonzepte, die kommunikative Neuausrichtung des Geschäftsmodells? Wie können Händler oder
Marken mit Vertikalisierungskonzepten zukünftig die Schlacht um den Kunden gewinnen? Wo sind die Cases?

Es fehlt auf beiden Seiten an neuen Lösungen, innovativen Ideen und zukunftsträchtigen Visionen. Am Beispiel Onlinehandel möchte ich dies näher erläutern: Bereits 2020 wird jeder dritte Euro im Handel online umgesetzt werden. In den vergangenen Jahren sind die Umschichtungen anschaulich im Weihnachtsgeschäft in den Innenstädten sichtbar gewesen. Volle Weihnachtsmärkte – aber keine vollen Einkaufstüten bei den Besuchern. Nach kumuliert 23 Prozent Frequenzrückgang im Retail in den letzten Jahren ging es mit dem Besuch des traditionellen Geschäfts weiter bergab.

Nun sind Pure Player, also reine Onlineanbieter, die oft 60 Prozent geringere Kostenstrukturen haben, die Hauptwettbewerber im Markt. Anbieter wie Booking.com, Zalando oder Westwing kämpfen mit neuen, digitalen Instrumenten gegen etablierte Anbieter. Diese sind über die Wucht der Transformation meistens überrascht, verunsichert und vielfach hilflos. Viele Unternehmen, teilweise ganze Branchen, haben die Konsequenzen hinsichtlich ihres Geschäftsmodells massiv unterschätzt. Ganz vorn dabei die Fashionindustrie und der Modehandel.

Marktbereinigungen dauern heute auch nicht mehr viele Jahre, sondern passieren immer öfter innerhalb weniger Monate. Die Digitalisierung stellt dabei ganze Geschäftsmodelle auf den Kopf beziehungsweise infrage. 1 und 1 macht nicht mehr 2, sondern ist aktuell schon 5. Kein Wunder.

Und was passiert gerade in den etablierten Unternehmen? Wer als Unternehmen nicht die Kapitalkraft hat, kann innerhalb weniger Monate vom Markt verschwinden, da die Investitionen in Digitalisierung Budgets und vor allem in den Geschäftsprozessen Zeit brauchen. Was vielen Händlern und Firmen nicht bewusst ist: Strukturell sind erfolgreiche Onlineplayer für die Zukunft oft viel besser aufgestellt. Die Logistikkette steht, CRM und individualisierte Angebote sind seit Jahren immer wieder optimiert worden, die Transformation zum Mobile-Commerce ist fast abgeschlossen. Marketingchefs gelten, genau wie Agenturen, in vielen Unternehmen als Paradiesvögel. Sie sollen inspirieren – mal was anderes machen. Aber die Company neu strukturieren? Das Businessmodell verändern? Neue Vertriebsstellen anschieben oder das Pricing diskutieren? Fehlanzeige.

Dem Endkunden sind diese Überlegungen völlig egal. Für ihn zählen die sichtbaren Vorteile: Der Service, der im Internet geboten wird, die Vergleichbarkeit und die ständige Verfügbarkeit. Das Motto lautet: Alles zu jeder Zeit, zum günstigsten Preis und am besten bewertet. Noch ist es nicht zu spät für Agenturen. Aber nur, wenn sie schnell sind, neue Angebote kreieren und den Lead übernehmen.

(Erschienen in Werben&Verkaufen, Nr. 14)

Ja, hier ist der Stoff, aus dem Legenden sind. Wir führen Sie durch die 1.001 Geschichten der Mythen des arabischen Marketings und der modernen Legenden im Nahen Osten.
Viel ist darüber geschrieben und noch mehr darüber gesprochen worden, doch bisher wurde kaum versucht, den Kern der Marketinglegenden im Nahen Osten vereinfacht darzustellen. Noch immer sind sich viele Investoren beispielsweise nicht über die zahlreichen Feinheiten und möglichen Komplikationen bei der Kommunikation mit arabischen Muslimen im Klaren. Es fehlt an Wissen über das, was man unbedingt tun und was besser lassen sollte ebenso wie das Verständnis einer Region, über die es neben den politischen Aspekten auch unzählige wirtschaftliche Fakten zu berichten gibt.
Hier also ein kurzer Überblick einiger arabischer Märchen, die vielleicht nützlich für Sie sind, wenn Sie ein Markenprojekt in dieser aufstrebenden Region mit ihren zahlreichen global-denkenden Wohlhabenden und digitalen Millennials in Betracht ziehen.

Urban Legend #1: Der Nahe Osten* – also der arabische Raum – ist ein homogener Markt. Natürlich gehört diese Annahme ins Reich der Märchen. Es gibt im Nahen Osten immerhin drei wesentliche Kulturgruppen und zwei geoökonomische Zusammenschlüsse.
Bei den drei Kulturgruppen sind insbesondere die überwiegend arabischen Märkte Saudi-Arabien, Kuwait und Oman zu nennen. Diese Länder gelten als sehr traditionsgebunden, mit unerschütterlichen Sitten und Bräuchen sowie starken Familienbindungen.
Dann gibt es die multikulturellen Märkte wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und in gewissem Maß auch Bahrain: Sie sind gekennzeichnet von einem hohen Einwandereranteil und modernem Luxus. Die letzte Kulturgruppe bilden die Levantemärkte Libanon, Jordanien und Syrien mit einer starken europäisch-mediterranen Anmutung. Im Vergleich zu einer vornehmlich arabisch geprägten Gegend wie den Staaten des Golfkooperationsrats weist die Region Levante zahlreiche Gemeinsamkeiten mit dem europäisch-mediterranen Raum auf und lösen sich kulturelle Unterschiede auf. Auch die Landschaften der Region muten europäischer an als in den Staaten des Golfkooperationsrats, die vor allem durch Wüstengebiete geprägt sind. Abgesehen von den derzeitigen kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien bleiben die europäisch-mediterranen Wurzeln Syriens dennoch erhalten.
Die geoökonomischen Zusammenschlüsse sind am einprägsamsten. Der Golfkooperationsrat (Kooperationsrat der Arabischen Staaten des Golfes) ist ein Staatenbund, dem sechs Länder angehören: Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Infolge der Kooperation sind ausländische Direktinvestitionen zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor für die seit jeher ölreiche und ölabhängige Region geworden.
In den Levantemärkten hat die Globalisierung zugenommen. Gleichzeitig ist auch eine starke Anknüpfung an die arabischen Wurzeln zu beobachten. Eine unterschwellige Bedrohung scheint vielleicht durch politische Instabilität vorzuliegen, doch Maßnahmen für wirtschaftliche Stärke und Stabilität haben weithin begonnen; langfristig angelegte Weiterentwicklungen sind in Gang. Möglich wurde dies auch durch die gut – und global – ausgebildete junge Generation, die immer mehr Wert darauf legt, mit dem Fortschritt in den benachbarten Ländern des Golfkooperationsrats auf einer Höhe zu bleiben.

Urban Legend #2: Der islamische Lebensstil ist antiwestlich bzw. antiamerikanisch geprägt. Dies ist eine verbreitete Fehleinschätzung. Tatsächlich streben immer mehr muslimische Verbraucher eine typische internationale (westliche) Lebensweise an. Die meisten jungen Araber möchten ein Hochschulstudium in Europa oder Amerika absolvieren, und arabische Familien wenden sich einem global ausgerichteten Lebensstil zu – die bei den Beduinen liegenden Ursprünge werden dabei aber nicht notwendigerweise aufgegeben.
Trotz der Anlehnung an eine Lebensweise nach westlichem Stil werden zunehmend Entscheidungen getroffen, mit denen die Araber ihre Identität als Muslime bekräftigen und ihren Respekt für islamische Grundsätze zum Ausdruck bringen. Vor diesem Hintergrund stehen an der Scharia orientierte Geschäftsmodelle bei den Produkt- und Dienstleistungsvorlieben hoch im Kurs.

Urban Legend #3: Kommunikation mit Arabern ist das Gleiche wie Kommunikation mit Muslimen. Falsch! Zwischen Arabern (bzw. der arabischen Welt) und Muslimen (bzw. der muslimischen Welt) gibt es unverkennbare Unterschiede. Arabische Muslime kommen aus der Region um den Persischen Golf. Verglichen mit anderen muslimischen Regionen sind hier mehr westliche Ansichten und ein enormer Reichtum vorhanden.
Auch die Geografie und Topografie der Region kommen den arabischen Muslimen zugute, die eine hoch entwickelte Kultur vertreten und in deren Zivilisation sich moderne Städte mit antiken Zentren vermischen. Ölvorkommen haben – ebenso wie die Infrastruktur, der moderne Fortschritt und der Tourismus – den meisten arabischen Muslimen schlagartig allgemeinen Wohlstand gebracht.

Urban Legend #4: Marketing für Araber ist Marketing für eine alternde Gesellschaft der Vorväter und ihrer aktuellen Erben. Das ist ein großer Irrtum. Arabische Muslime eines neuen Typs werden als Verbraucher immer wichtiger. Die arabischen Millennials der digitalen Generation sind junge Konsumenten, die die Zukunft der arabischen und muslimischen Verbraucherwelt darstellen. Aktuell sind mehr als die Hälfte der Einwohner in arabischen Ländern unter 25; diese Gruppe macht über elf Prozent der Weltbevölkerung aus.
Interessanterweise wachsen diese Millennials in eine Welt hinein, die sich sehr von dem Umfeld unterscheidet, das für ihre unmittelbaren Angehörigen prägend war. Die Überzeugungen, Sorgen, Erwartungen und Sehnsüchte der jungen Generation werden geformt durch Lebenserfahrungen, zu denen nicht nur der Arabische Frühling gehört, sondern auch die breite weltweite Anerkennung, die dem schnellen Fortschritt in der arabischen Region gezollt wird. In den meisten Industrieländern zog sich derartiger Fortschritt über mehrere Jahrzehnte hin.
Zwar bleiben zentrale religiöse Werte und Neigungen über die Grenzen von Generationen und geoökonomischen Zusammenschlüssen hinweg unverändert – dennoch ergeben sich aus der gegenwärtigen Stimmungslage der Millennials völlig neue Herausforderungen und Chancen für Vermarkter, die ein durch Offenheit und digitale Vernetzung gekennzeichnetes Verbrauchersegment erreichen wollen.

Urban Legend #5: Geschäfte sind im Nahen Osten strikt auf das Geschäftliche beschränkt. Geschäftskontakte und persönliche Freundschaften sind in dieser stark von Beziehungen geprägten Region ein und dasselbe. Araber ziehen es generell vor, Geschäfte mit ihnen bekannten Menschen zu machen, die sie mögen und die ihr Vertrauen genießen. Eine beschleunigte Kontaktanbahnung zur schnellen Aufnahme von Geschäftsgesprächen könnte Sie daher in Verlegenheit bringen. Small Talk ist mehr als nur reine Höflichkeit – man findet damit heraus, ob Sie ein passender Geschäftspartner sein würden.
Sie sollten sich Zeit nehmen, um ungekünstelt und interessiert ins Gespräch zu kommen. Aufrichtige Fragen zu Familienmitgliedern und ihrem Wohlergehen kommen gut an. Auch schadet es nicht, ein paar Geschichten in petto zu haben, um das Eis zu brechen. Geschäftsbesprechungen nehmen damit auf jeden Fall einen guten Anfang.
Das waren nur fünf der 1.001 Geschichten, die wir – ein Team mit über 14 Nationalitäten in unserer Dubaier Niederlassung – Ihnen bei unserem nächsten Zusammentreffen gern ausführlich erzählen. Wie wäre es … vielleicht bei einer Kanne voll arabischem Kaffee und ein paar Datteln?

* Der Begriff des Nahen Ostens bezeichnet (ähnlich wie Middle East aus dem englischen Sprachgebrauch) keine scharf abgegrenzte geografische Region; je nach Kontext werden unterschiedliche Länder dazugezählt. Bei Serviceplan Middle East beschäftigen wir uns mit den folgenden Märkten: Bahrain, Saudi-Arabien, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Palästina, Katar, Jordanien, Syrien, Libanon, Irak, Jemen.

In Deutschland gibt es mehr als 12.000 Werbeagenturen, 2.000 davon allein in Hamburg. In Bremen jedoch, etwa 120 Kilometer entfernt, gibt es gerade einmal 150. Reduziert man diese Zahl noch auf die reinen Digitalagenturen, reichen zwei Hände allemal, um diese aufzuzählen. Bremen ist also keine Stadt, die auf der Medien-Landkarte eine große Rolle spielt. Wohl eher ist sie bei den Nachwuchs-Kreativen, -Programmierern und -Projektmanagern für Roland, Rathaus und Weser bekannt als für Texterschmieden, Ad-Schools und trendigem Großstadtflair.

Für uns als eine der größten Digitalagenturen Deutschlands stellt unser Hauptsitz Bremen daher im Bezug auf das Talent-Recruiting eine gewisse Herausforderung dar. Denn genauso wie die Konkurrenz in Hamburg oder den anderen Medien-Metropolen ist natürlich auch hmmh in Bremen auf talentierten Nachwuchs angewiesen. Um diesen Standortnachteilen nachhaltig entgegen zu wirken, haben wir schon vor vielen Jahren ein erfolgreiches System entwickelt, das Jugendliche und junge Erwachsene bereits während ihrer Ausbildung anspricht.

Unser Erfolgsrezept: Nicht die Agentur, sondern vor allem der Nachwuchs soll von der Zusammenarbeit profitieren. Denn so bleibt hmmh im besten Fall über lange Zeit, also über Studium, Praktika und der ersten Anstellung hinweg, positiv im Gedächtnis. Die Erfahrung hat gezeigt: Viele der heute Festangestellten waren in der Vergangenheit Teil des Recruitment-Programms und kamen nach einigen Jahren bewusst wieder zurück nach Bremen.

Folgende zwei Säulen stützen das Programm:

1.  Schülerpraktium

hmmh setzt bewusst auf die junge Generation und bietet Schülern die Möglichkeit, das Leben in der Agentur über einen Zeitraum von bis zu drei Wochen kennenzulernen. Dabei sehen wir die Schüler so, wie sie wirklich sind: unerfahren, oft unsicher, aber neugierig und dankbar für jeden Input. Deswegen haben wir einen festen Plan entwickelt, durch den die Schüler interdisziplinär feste Aufgaben verfolgen und praxisnah einen Einblick in unsere Arbeit bekommen. Sie sollen nicht drei Wochen unseren Mitarbeitern schweigend über die Schulter schauen, sondern sich selbst mit der Materie beschäftigen.

Auf diese Weise lernen sie viel über die Arbeit in einer Digitalagentur. Wo sich in anderen Unternehmen die Praktikanten die Aufgaben teils selbst suchen müssen, bekommen sie bei uns eine feste Ansprechperson, der sie am Ende ihres Praktikums ihre Ergebnisse präsentieren. Egal ob leichte oder keine Vorkenntnisse, jeder erstellt eine kleine Broschüre mit den Ergebnissen seiner/ihrer Arbeit, wie z.B. das CI eines selbst erfundenen Flagshipstores einer fiktiven Marke.

Somit nehmen sie mehr mit als einfach nur Erfahrung und einen ersten Einblick. Sie erhalten eine nachhaltig positive Perspektive auf Hmmh als potentiellen Arbeitgeber in ihrer Zukunft. Christoph Schroeder, heute Strategic Conceptioner, fand nach Bachelor- und Masterstudium sowie einiger Zeit bei einem anderen Unternehmen genau wegen dieses Praktikums in seiner Schulzeit wieder zurück zu hmmh.

2. Studentische Hilfskraft

Viele Studenten suchen einen Nebenjob, der nicht nur allein das WG-Zimmer finanziert, sondern sich auch im zukünftigen Berufsfeld befindet. hmmh bietet ihnen diese Option und stellt gezielt talentierte Studenten in Teilzeit ein, um spezifische Projekte und/oder Bereiche zu unterstützen. Auch hier steht im Fokus, dass die Studenten sich einbringen, Teil des Teams werden und darüber hinaus viel für sich mitnehmen und lernen können. Deswegen bekommen sie, wie jeder Mitarbeiter, einen Paten zur Seite gestellt und erhalten die Möglichkeit, je nach Interesse die Bereiche zu wechseln sowie an anderen Projekten mitzuarbeiten.

Auch für die Endphase eines Studiums bietet hmmh eine auf die Bedürfnisse der Studenten ausgerichtete Lösung: Unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten wir ihnen das Angebot, sie halbtags als studentische Hilfskraft einzustellen. Gemeinsam wird ein Thema für die Abschlussarbeit gesucht, das in Zusammenhang mit den Aufgaben in der Agentur steht. So arbeiten sie die eine Hälfte des Tages bei Hmmh und die andere Zuhause für ihr Studium. Das Wissen aus dem Job können sie auf ihre Abschlussarbeit anwenden. Außerdem haben sie bei Fragen immer einen Experten in der Nähe und können auf Recherche-Tools und Kontakte der Agentur zugreifen.

Die Chancen, nach dem Abschluss eine Stelle bei hmmh zu erhalten, sind dabei sehr hoch. Neben anderen Mitarbeitern sind Jana Loock, heute Strategy & Planning Manager, und Florian Podszun, Project Manager, auf diesem Weg zu Hmmh gekommen. Die Agentur profitiert von Absolventen, die zum Zeitpunkt ihrer Übernahme bereits im Team integriert und vollständig eingearbeitet waren, die Studenten von einem fließenden Übergang ins Berufsleben – natürlich mit einer, von uns empfohlenen, kurzen Auszeit dazwischen.

Was diese beiden Angebote so besonders macht, ist die Tatsache, dass sie voll auf die Bedürfnisse der Praktikanten bzw. Studenten ausgerichtet sind. In Kombination mit dem Engagement und den Verbindungen zu Bremer Hochschulen sowie der lokalen Kreativ-Szene bildet sich somit ein Recruitment-Konstrukt, das nachhaltig und erfolgreich junge Talente nach Bremen in den Weser-Tower lockt – egal ob mit 12 oder 12.000 Agenturen in der Nachbarschaft.

Thorben Fasching hat diesen Text zusammen mit Henning Flaspöler, Creative Conceptioner bei hmmh, verfasst.

Gedanken zum Stand der digitalen Kreation während der Jurysitzung des Deutschen Digital Award

Draußen pustet ein ungemütlicher Wind um ein Hochhaus in Hamburg unweit der Alster. Drinnen sitze ich in einem stylishen Loft zusammen mit ca. 20 Kollegen aus der Digital- und Werbebranche. Wir schauen gerade einen Film. Es ist ein erotischer Stoff. Ein LKW und ein PKW machen rum und am Ende wird ein Van geboren. Das ist witzig und originell. Ein guter Film, denke ich.

„Aber was ist daran digital?“, fragt ein Jurykollege in die Runde.

Irgendwie ja eine berechtigte Frage. Der Spot ist in der Kategorie „Branded Content“ eingereicht. Aber es ist tatsächlich „nur“ ein Film. Andererseits, denke ich weiter, wenn man nach der erfolgreichsten digitalen Werbekreation der vergangenen Jahre auf YouTube fragt, landet man doch ziemlich schnell beim „Epic Split“ für Volvo mit Jean Claude Van Damme. Und das ist doch auch „nur“ ein Film. Das wirft dann eine wirklich generelle Frage auf: Was meint denn dieser Begriff „digital“ heutzutage? Nullen und Einsen, na klar. Aber das hilft auch nicht viel weiter. Denn eigentlich gibt es da draußen ja gar kein Stück Kommunikation mehr, das nicht irgendeinen digitalen Aspekt hat. Und wenn nahezu alles in unserer Kommunikationswelt digital geworden ist, dann differenziert dieser Begriff auch nicht mehr. Eine schöne Misere, denke ich.

Dieser Award hier hieß bis vor kurzem „Online-Star“. Dann hat man das „Online“ weggeschmissen, weil es irgendwie altmodisch rüber kommt. Hat man dann mit dem Namen „Deutscher Digital Award“ zielsicher den nächsten überlebten Begriff gewählt? Und plötzlich kommt mir ein Gedanke. Jetzt weiß ich, wie man es betrachten muss. Bedeutet digital nicht vielmehr, dass Kommunikation heute immer vernetzt ist? Also dass ein Stück Werbung gar nicht mehr für sich alleine stehen kann, dass es immer mit anderen Kommunikationsbestandteilen verknüpft ist, mit der gesamten Kampagne, mit verschiedenen Touchpoints, mit Menschen oder auch mit einem bestimmten Kontext oder mit einer Strategie.

Wir sitzen hier in der Jury des Deutschen Digital Award und prämieren eben nicht die eine Anzeige oder den einen Film, aber eben auch nicht den einen Banner. Wir prämieren „Cases“. Und das ist gut so. So erhält das Digitale einen echten Mehrwert, denn durch das Digitale kann Kommunikation insgesamt immer smarter und auch relevanter gemacht werden. Und bei ihrer Bewertung spielt eben diese konzeptionelle Relevanz und Smartness eine immer größere Rolle.

Das bringt mich gleich auf den nächsten Gedanken: Den Pret-a-porter-Effekt. Wir schicken hier bei diesem Wettbewerb also unsere Cases auf den Laufsteg. Dafür müssen sie natürlich richtig sexy sein. Aber sie müssen zumindest theoretisch auch wirklich getragen werden können. Das bedeutet, reine Fake-Kreation sollte man aussortieren, aber Award-Kreation – also Cases im Auftrag des Kunden, die aber primär Innovationscharakter haben – sind nicht nur okay, sondern meiner Ansicht nach sogar wünschenswert. Denn, wenn sie konzeptionelle Relevanz besitzen, kann aus Award-Kreation gerade über eine Prämierung echte funktionierende Kommunikation werden und sie kann dann als Leuchtturm möglicherweise sogar die ganze Branche in neue, aufregende Gewässer führen. Um das zu schaffen muss der Case zunächst aber mal auf dem Laufsteg funktionieren und dafür muss er dem Anlass angemessen eben auch besonders sexy präsentiert werden. Das macht man mittlerweile am besten mit einem Case-Film, der den Case schlüssig, aber eben auch spannend erzählt.

Und während ich in dem stylishen Loft über Hamburg sitze und mir einen Case nach dem anderen anschaue, stelle ich fest, dass mir die Case-Filme besonders gut gefallen, die nicht mit einem Kundenbriefing anfangen, sondern mit einem relevanten Problem. Denn das zeigt mir, dass die Kreativen nicht nur schlau nachgedacht haben, sondern im Zweifel sogar proaktiv einen Kunden motiviert haben, dieses Problem dann zu bearbeiten. Und das ist dann auch wieder relevant und wichtig für unsere ganze Branche.

Dieser Artikel wurde auf horizont.net veröffentlicht.