Wir fangen mit dem Creative Coder an und schnappen uns Ret Lauterbach, Technical Director bei Plan.Net Technology, und Stephan Enders, Head of Innovation Studio bei der Plan.Net Gruppe, die uns hoffentlich erklären können, was sich dahinter verbirgt.

Am 27. Juni 2017 habe ich bei der „International Roadshow 2017: China Insights“ in München vor deutschen Unternehmen eine Rede mit der Überschrift „The Future is Now“ („Die Zukunft findet heute statt“) gehalten. Ich habe über die derzeitigen sozialen und ökonomischen Ereignisse in China gesprochen, die die Zukunft beeinflussen: Konsumsteigerung, Sharing Economy, Live-Streaming und bargeldlose Lebensweise. Gleichzeitig habe ich einige der dahinterstehenden Geschäfts- und Vermarktungspotenziale vorgestellt.

Es ist nun mal so: Der vollkommene Markt ist nur noch einen Klick entfernt. Wo Ihr Kunde das neue Jersey, die neonfarbene Sportsocke oder die urbane Funktionsjacke kauft, ist ihm herzlich egal.

So klar uns das ist, so sehr liefern wir uns dennoch stetig den Gravitationskräften maximaler Vergleichbarkeit aus. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Ihren tollen Beziehungen zu Ihren Kunden, die alles heilen. Amazon verbringt ein Vielfaches an Zeit mit Ihrem Kunden. Oder eBay. Oder Facebook. Und ja, ja, Ihre Berater auf der Fläche sind echte Sportler. Die kennen sich aus, die haben’s drauf. Wenn Sie wirklich beraten und nicht nur verkaufen.

Hand aufs Herz: Am Ende sind Sie wahrscheinlich ein bisschen so wie Ihr Wettbewerb.

Jetzt könnten Sie viel Geld in die Hand nehmen und das tun, was wirklich erfolgreiche Retailer tun: Kampagnen machen. Ihrer Marke eine Seele geben. „Erst mal zu Penny.“ „Yippeeyayayippeeyippeeyeah.“ „Wir lieben Lebensmittel.“ „Es gibt sie noch, die guten Dinge.“ Damit würden Sie mehr als ein Ort irgendwo offline oder online, bei dem es (Ihre) Sportartikel gibt. Man würde Sie sogar lieben.

Aber das ist teuer, dauert und so lange können weder Sie noch wir warten. Die gute Nachricht ist, dass es zwischen verhängnisvoll illoyaler Suchmaschine und teurer Liebesbeziehung einen Plan für Ihre Marke gibt.

Da, wo Ihre Kunden Antworten und nicht nur Preise suchen. Wo es wichtig ist, was ein Produkt kann und was nicht. Und wie gut es ihnen jemand erklärt, steigert die Bereitschaft zum Kauf dramatisch. Wer im richtigen Moment relevant ist, steigert die Bereitschaft zum Kauf dramatisch.

Sie ahnen es: Es geht um Content. Aber nicht um ein paar Versuche, die dann im digitalen Nirgendwo verschwinden. Sondern Content, der auf klare KPIs hin erstellt, optimiert und auf Conversion getrimmt wird. In Ihrem Falle vor allem klug gemachtes, informatives, glaubwürdiges Bewegtbild, das den Menschen an der richtigen Stelle seiner Journey begegnet.

Und dann:

  • Definieren Sie Kunden-Profile und erkennen Sie die wahren Bedürfnisse dieser Kundentypen. Es ist ein großer Unterschied zwischen denen, die schlanker werden wollen, und denen, die andere oder sich selbst besiegen wollen.
  • Bearbeiten Sie diese Cluster mit einem initialen Set an Botschaften. Fahren Sie mehrere Kampagnen gleichzeitig. Zum Beispiel bei Facebook. Diese Kampagnen können sehr unterschiedlich sein.
  • Lassen Sie sich nicht mit schlechter Conversion abspeisen, sondern lassen Sie optimieren, bis Ihre Ziele erreicht sind.
  • Trennen Sie nicht zwischen Erstellung, Optimierung und Auslieferung von Content. Lassen Sie sich das aus einer Hand anbieten, weil die Übergänge fließend sind und weil weder Kreativität noch mediale Intelligenz alleine ideale Ergebnisse erzielen. Schon gar nicht in fast Echtzeit.

Handeln Sie!

Dieser Beitrag erschien zuerst bei SAZsport.

Was kreativ bedeutet?
Was für eine Frage.
Am besten, man ist es, ohne lang darüber zu quasseln.
Aber gut, drücken gilt hier nicht.
Also:

Kreativ bedeutet neu, unvorhersehbar, unberechenbar.
Schlaumeierisch gesagt: Kreativ sein ist ein Paradox. Die sinnvolle Kombination von Dingen, die nicht zusammengehören.
Dann macht es „Klick“ im Kopf.

Das Wort „sinnvoll“ ist hier wichtig. Gedanken, Gefühle, Formen wahllos miteinander zu kombinieren endet in der Regel im Irrsinn. Kreative Kombinationen dagegen müssen Sinn machen. Am besten erst im Kopf des Konsumenten. Wenn der Konsument den letzten Schritt einer Gedankenkette selbst tun, wenn er die letzte Bedeutung eines Filmes, eines Bildes selbst entschlüsseln kann, dann, liebe Testinstitute da draußen, ist die Wirkung viel stärker, als wenn man alles vorgekaut bekommt.

Konsument ist übrigens ein Wort, das ich nicht so gern benutze. Natürlich geht es bei Werbung letztlich ums Verkaufen. Doch je mehr Botschaften auf uns „Konsumenten“ heute einprasseln, desto mehr setzen sich nur die relevanten durch. Das kann das vielzitierte richtige Angebot zur richtigen Zeit im richtigen Medium sein. Stichwort Programmatic. Entscheidend aber ist: Je besser die Botschaft inszeniert ist, desto stärker – again – die Wirkung. Ich halte es daher mit seiner Heiligkeit Sir John Hegarty und spreche lieber von Publikum als von Konsumenten. Einem Konsumenten will man etwas verkaufen. Sein Publikum will man unterhalten. Das Schöne ist, gut unterhalten kauft man mehr, als nur gut informiert. Nicht umsonst heißt es „Kauflaune“.

Was ist gute Unterhaltung bei guter Kreation? Viel mehr als Entertainment. Ein neuer, anregender Gedanke etwa. Ein neue Perspektive auf das Leben, bei der man sich denkt: Wow, so habe ich das noch gar nicht gesehen. So bleibt etwas in Erinnerung, so erzählt man es gern weiter.

Gute Kreation lebt von starken Gefühlen. Von Begeisterung, Rührung, Erschütterung, Beschwingtheit, von Witz, von allem, was einen bewegt. Langweilig aufgezählte Information? Bewegt mich nicht. Mich bewegen gute Geschichten mit einem überraschenden Ende. Menschliche Geschichten, die meine Vorurteile und Denkschubladen erschüttern. Die eine eigene Dynamik entwickeln, aber nie zum Selbstzweck werden, sondern im Dienst der Marke stehen. Sagt sich einfach, ist aber sauschwer, täglich umzusetzen.

Kreativ bedeutet insofern natürlich auch unnachgiebig, ausdauernd, zäh. Wie heißt es so schön? Ein guter Kreativer unterscheidet sich von einem schlechten nicht durch seine Ideen, sondern dadurch, dass er nicht so schnell aufgibt.

PS.: Ich bin übrigens ziemlich stolz darauf, in diesem Text kein einziges Mal die momentanen Buzzwords „Disruptive“, „Diversity“ und „Digital Transformation“ benutzt zu haben. Aber bei Bedarf, liebes Publikum, einfach oben an geeigneter Stelle gedanklich einfügen, schon macht es „Klick“ im Kopf. 😉

Dieser Beitrag erschien zuerst bei W&V.

Wie heißt es doch so schön: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Vermutlich war dieses Sprichwort nie zutreffender als in der heutigen Zeit. Es ist nicht sonderlich überraschend, dass die Menschen heutzutage weniger über Textnachrichten miteinander kommunizieren, sondern vielmehr über Bilder in mobilen Nachrichten-Apps und insbesondere Social-Media-Plattformen.

Urheber dieses Trends in den sozialen Medien war vor einigen Jahren vielleicht Instagram, doch es war Snapchat, das als erstes Unternehmen in den Bereich der persönlichen Nachrichten vordrang und andere Plattformen folgten schließlich diesem Beispiel. Mittlerweile ist digitales Bildmaterial mehr als nur eine Form der Präsentation und Dokumentation unseres Lebens. Vielmehr nutzen wir anstelle von Text aktiv Bilder zur Kommunikation. Snapchat bestimmte diesen Trend in den letzten drei Jahren maßgeblich und konnte die Zahl seiner täglich aktiven Nutzer auf über 160 Millionen verdreifachen. Facebook wollte dabei natürlich nicht abseits stehen und übernahm nahezu alle Funktionen für Bildnachrichten, die sich durch Snapchat verbreitet hatten, auf all seinen vier Plattformen Instagram, WhatsApp, Messenger und Facebook.

Während verschiedenste Einstellungen für Portraitbilder und einfache Bildbearbeitung mittlerweile Standard in den Social-Messaging-Kanälen geworden sind, versuchen beide Plattformen, sich künftig verstärkt in Richtung „Augmented Reality“ zu bewegen. Nutzer sollen so die Möglichkeit haben, in ihrer realen Umgebung aktiv und in Echtzeit digitale Elemente zu platzieren. Man kann sich dies so ähnlich wie bei Pokemon Go vorstellen, allerdings mit weitaus mehr Möglichkeiten mit der Umwelt zu interagieren und auf sie zu reagieren. Snapchat beschreibt dies als „Malen der Welt durch 3D-Erlebnisse“.

Snapchat mag diesen Trend beschleunigt haben, doch Facebook scheint ein noch höheres Innovationstempo anzuschlagen. Kürzlich stellte Mark Zuckerberg im Rahmen der „F8“, der jährlichen Entwicklerkonferenz von Facebook, zahlreiche neue Effekte für 3D-Kameras vor. Er unterstrich, dass ein verstärktes Augenmerk auf der Schaffung einer „Kameraplattform“ liegen wird. Diese Plattform soll nicht nur zum Aufnehmen von Bildern, sondern auch als Kommunikationsmittel dienen. Er erklärte sogar, dass die Kamera künftig in allen Facebook-Apps eine zentralere Funktion als die Texteingabefelder bekommen soll.

Für Facebook erschließt sich dadurch eine Möglichkeit, vollständig in der „realen“ Welt anzukommen und zur Schnittstelle zwischen Smartphone und Umgebung des Nutzers zu werden. In einem Gespräch mit BuzzFeed News führte Zuckerberg diesen Ansatz weiter aus und stellte fest, dass sich bei Facebook sehr viel darum drehe, die reale Welt mit der Onlinewelt zu verknüpfen. Weiterhin erklärte der Facebook-Gründer, dass das Nutzererlebnis verbessert und unser Leben bereichert würde, wenn es gelingt, die digitalen und physischen Aspekte unserer Welt miteinander zu vereinen.

Bei einer Demonstration der neuen 3D-Kameraeffekte richtete ein Facebook-Entwickler sein Smartphone auf den Tisch und ein 3D-Propellerflugzeug erschien auf dem Bildschirm, das um eine Wasserflasche auf der Tischplatte flog. Ein anderer benutzte die Kamera seines Smartphones, um den Raum in ein Planetarium zu verwandeln, das Planeten und Sterne an die Decke projizierte. Bei einer weiteren Vorführung wurde ein gewöhnliches Portraitfoto aufgenommen und der Gesichtsausdruck nachträglich zunächst in ein Lächeln und anschließend in ein Stirnrunzeln verändert.
Facebook zeigte außerdem verschiedene 3D-Szenen, die vollständig aus einer Reihe von 2D-Fotos erstellt wurden. Die Bildtiefe der Szenen ermöglichte es den Zuschauern, durch Drehen des Kopfs hinter das Bett in einem Raum zu blicken oder um einen Baum in einem Wald herumzuschauen. Nutzer konnten das Licht im Foto eines Raums dimmen, diesen unter Wasser setzen oder sogar ein digitales Objekt im Raum platzieren, das für andere Betrachter auch später noch zu sehen war.

Letztendlich geht es um die Idee, die reale Welt in eine Erweiterung von Facebook zu verwandeln. Während Zuckerberg Beispiele anführte, die Kamera von Facebook zu nutzen, um zum Beispiel digitale Kunst an einer Wand anzusehen oder ein auf eine Tischplatte projiziertes digitales Spiel zu spielen, wird die eigentliche Absicht doch ersichtlich: Elemente, die normalerweise im eigenen Feed angezeigt werden, können in die reale Welt gezogen werden. Dies gilt ebenso für Inhalte von Freunden und Familie und letztlich sicher auch für Werbeanzeigen. Da dem traditionellen Newsfeed von Facebook im Gegensatz zu den Nachrichten-Apps weniger Beachtung geschenkt wird, könnte das eine Möglichkeit sein, die Relevanz dieser Art von Content auch künftig zu sichern und gleichzeitig das Geschäft mit Werbeanzeigen zu erweitern.

Was bedeutet dies jedoch für die Marken, wenn die Konsumenten in einer erweiterten Realität leben, ständig mit ihrer Umgebung interagieren und diese visuell manipulieren? Und was geschieht wenn wir alle 24 Stunden am Tag AR-Brillen oder -Kontaktlinsen tragen? Unweigerlich kommt dabei das Bild einer dem Film „Minority Report“ ähnlichen Welt auf, in der uns die Werbeanzeigen quasi auf Schritt und Tritt verfolgen. Sicherlich muss es aber auch einen anderen Weg geben. Wir werden wohl einfach abwarten müssen, was passiert.

Dieser Beitrag wurde auch bei HORIZONT Online veröffentlicht.

Florian Haller, Hauptgeschäftsführer der Serviceplan Gruppe, spricht in einem Interview mit der Marketing Review St. Gallen zur Positionierung der Agenturgruppe und zu aktuellen Entwicklungen im Marketing. Das Interview führten Sven Reinecke, Direktor des Instituts für Marketing der Universität St. Gallen und Friedrich M. Kirn, Geschäftsführer MIM Marken Institut München GmbH.

An der Universität St. Gallen (HSG) bilden wir Studierende in Marketing und Management aus – in Agenturen findet man aber nicht sehr viele „studierte“ Marketeers. Sie sind ein seltenes Beispiel dafür: War Ihre Ausbildung aus Ihrer Sicht förderlich, oder würden Sie heute einen anderen Weg wählen?

Meine Zeit an der HSG war für mich ausgesprochen förderlich. Das hat damit zu tun, dass sich das Geschäft für Werbeagenturen in den vergangenen 20 Jahren ganz extrem verändert hat. Früher war unser Kerngeschäft stark am Bauchgefühl ausgerichtet und in erster Linie kreativ. Eine wissenschaftliche „Verbildung“ war damals vielleicht gar nicht nützlich. Das ist heute völlig anders. Werbeagenturen arbeiten wesentlich strategischer und viel komplexer. Während wir einst vier bis fünf Werbekanäle bespielten, sind wir heute mit 20 bis 30 Kanälen konfrontiert. Und die wollen auch noch vernetzt sein. Zudem haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Berufsbilder entwickelt, die es früher nicht gab und die heute nicht mehr wegzudenken sind. Denken Sie nur an digitale Werbeformen. Auch die Geschäftsmodelle haben sich enorm weiterentwickelt. Strategische wie theoretische Grundlagen sind heute für die Führung eines Unternehmens unserer Größenordnung unerlässlich. Insofern bin ich sicher, dass mir das Studium an der Hochschule St. Gallen wertvolles Basiswissen vermittelt hat. Ich finde es schade, dass sich so wenige Top-Absolventen der renommierten Universitäten für den Eintritt in große Kommunikationsagenturen entscheiden. Hier müssen wir uns vielleicht aber auch an die Nase fassen und stärker kommunizieren, was für Tätigkeitsfelder und Aufstiegschancen wir bieten.

Was waren für Sie besonders „kritische“ und erkenntnisreiche Ereignisse in Ihrem Werdegang?

Echte Aha-Momente waren die wesentlichen berufliche Stationen in meinem Leben. Das fing natürlich mit dem Studium in St. Gallen und dem „St. Galler Management-Modell“ an. Das entscheidende Learning war, dass Führungskräfte sich nicht mit Vordergründigem zufrieden geben, sondern Strukturen erkennen müssen. Wer Strukturen erfasst und weiterentwickelt, kann erfolgreiche Strategien konzipieren. In St. Gallen ist auch der Kontakt mit der Wirtschaft sehr gefördert worden. So haben wir früh Vorträge gehalten und Manager-Seminare mitgestaltet. Schon in jungen Jahren kamen wir ganz selbstverständlich mit dem Schweizer und europäischen Top-Management in Kontakt. Daraus ergaben sich ganz natürlich Kontakte, die nun über Jahrzehnte bestehen. In meiner Universitätszeit entwickelte ich ein Gespür dafür, wie toll Werbung sein kann. Es war übrigens überhaupt nicht klar, ob ich einmal in die Agentur meines Vaters eintreten würde.

Eine wichtige Station war für mich nach dem Studium der Eintritt bei Procter & Gamble. Als ich nach Brüssel ging und dort für eine Marke europaweit arbeitete, hatte ich in einem internationalen Team einen riesen Spaß. Das Management gab uns jungen Marketingprofis das Gefühl, dass wir für unsere Marken persönlich verantwortlich sind. Daraus entstand ein ganz starker Bezug zu unseren Marken. Über die sechseinhalb Jahre bei Procter & Gamble reifte bei mir die Überzeugung, dass ich einmal mein eigenes Ding machen wollte. So bin ich dann in die Agentur meines Vaters eingetreten.

Wie differenziert man sich als Agentur? Die Positionierung, die „Vision“ oder „Leitbild“ der meisten Kommunikationsagenturen sind sehr ähnlich und somit wenig einzigartig, der Fokus liegt auf Markenführung und Kreativität.

Stimmt. Es ist wirklich schwer, sich in der Außenwahrnehmung abzusetzen. Aber das liegt einfach daran, dass Agenturen per se bestimmte Werte leben müssen. Von einer Agentur erwartet der Kunde, dass sie ein großes Maß an Kreativität hat und Marken nicht beschädigt. Das liegt in der Natur der Sache. Unkreative Agenturen gibt es nicht.

Am Markt differenzieren wir uns durch unsere vier „i‘s“: innovative, international, independent, integrated. Wir sind independent, also unabhängig, und partnergeführt. Zudem sind wir integriert aufgestellt. Dabei ist ganz wichtig, dass unsere Struktur nicht theoretisch ist, sondern in den Häusern der Kommunikation aktiv gelebt wird. Bei uns arbeiten die klassischen Kommunikativen selbstverständlich Tür an Tür mit Mediaplanern, Datenanalysten und Marktforschern. Innerhalb der Agenturgruppe ist dabei jede Agentur eine selbstständige Einheit. Wir haben die Tiefe der Spezialisierung, aber trotzdem das Ganzheitliche. Erreicht wird das dadurch, dass die Teams räumliche Nähe haben und zu Kundenteams zusammengefasst werden. Weiter stehen wir für Innovation und Internationalität.

Unternehmen verfolgen verstärkt eine „One Brand“-Philosophie. Serviceplan selbst agiert als Gruppe, aber man pflegt bewusst sehr viele „Subbrands“ und regionale Verankerung. Ist das nicht ein gewisser Widerspruch? Benötigt man in der heutigen globalen Zeit noch eine so starke nationale Präsenz?

Man muss die Leistungsebene von der Markenebene trennen. Auf der Leistungsebene haben wir tatsächlich einzelne Agenturen zu den Spezialbereichen. So macht eine Agentur nichts anderes als Business Intelligence oder eine andere ist auf Search Engine Optimization spezialisiert. Wir verstehen diese Spezialagenturen als Werkzeuge, die der Kunde einzeln kaufen kann. In den spezialisierten Einheiten entwickelt sich ein ganz spezifisches Know-how. Kreative suchen Kreative und Technik-Affine brauchen Technikfreaks. Als Agenturgruppe müssen wir die richtigen Umfelder schaffen und für die Bereiche passende Mitarbeiter finden. Auf der Markenebene versuchen wir dagegen, uns zu reduzieren. Wir wollen nicht für jeden Leistungsbereich eine eigene Marke. Das lässt sich am Markt nicht durchsetzen. Deshalb haben wir eine Marke für das Kreativprodukt im weitesten Sinne: Serviceplan. Wir haben eine Marke für die Fähigkeit, mit Kanälen umzugehen – Mediaplus. Die Marke Plan.Net steht dagegen ausschließlich für das digitale Segment, Facit umfasst den Bereich Marktforschung und unsere neueste Marke Solutions deckt das Realisierungsgeschäft ab. Unter diese Marken gliedern sich die Leistungsbereiche.

Ist es heute überhaupt noch sinnvoll, in so vielen Ländern und auf so vielen Kontinenten regional Präsenz zu zeigen oder müssten Agenturen viel mehr in einzelnen Märkten Synergien suchen?

Die Serviceplan Gruppe ist die erste deutsche Agentur, die in großem Maß internationale Präsenz zeigt. Wir haben im Ausland entweder eigene Standorte oder Partnerschaften. Unsere Präsenz erstreckt sich derzeit über 35 Länder – von Frankreich über Dubai bis nach China. Obwohl Deutschland so exportorientiert ist, hat sich nie eine deutsche Agentur so internationalisiert wie Serviceplan. Das ist eigenartig, weil deutsche Unternehmen für Eigenschaften wie Zuverlässigkeit und technikorientierte Denke geschätzt werden. Zudem setzen Global Player wie beispielsweise BMW als Kunden voraus, dass der Partner in der Lage ist, Werbekampagnen international zu planen und länderspezifisch anzupassen. Dazu braucht ein Unternehmen in einzelnen Märkten differenziertes Know-how. Wer heute eine Kampagne für den 7er-BMW plant, muss den chinesischen Markt verstehen. Dort werden ungleich mehr Autos verkauft als beispielsweise in Deutschland. Kurz: Die Internationalisierung wird ganz klar von unseren Kunden gefordert. Nicht vergessen möchte ich den Aspekt, dass die Internationalisierung für die Serviceplan Gruppe eine ungeheure Bereicherung ist. Bei Kick-off-Veranstaltungen ist es für mich immer wieder ein Erlebnis, wenn Teams aus China, Europa und den USA zusammentreffen und gemeinsam eine Vision entwickeln. Die Internationalisierung ist für uns durchaus auch eine emotionale Angelegenheit. Dass wir uns bei der Expansion auf Hubs konzentrieren, die wirtschaftlich relevant sind, versteht sich von selbst. Wichtig ist uns, dass die einzelnen Länderagenturen unabhängig sind und ihre Kunden betreuen. Natürlich entstehen länderübergreifend auch Synergien.

Serviceplan setzt mit dem Modell „Haus der Kommunikation“ stark auf das Thema Integration. Ich möchte nicht nach Ihrer Lieblingskampagne fragen – denn Kunden ordnet man nicht gerne. Doch welche Kampagne von Serviceplan bringt die Integration am besten zum Ausdruck?

(Lacht) Wir liefern jedem Kunden zuverlässig den passenden Service. Darauf bin ich stolz. Natürlich gibt es im Tagesgeschäft auch echte Leuchtturm-Projekte. Ich bin auf viele Arbeiten, die wir für BMW machen, stolz. Hier kombinieren wir sehr stark Kreativität, Media und den digitalen Ansatz. Ein gutes Beispiel ist die Einführungskampagne für den i8. Der ist ganz einfach ein tolles Produkt, für das die Entwicklung einer Kampagne Spaß macht. Dazu kommt der globale Anspruch und der Rollout auf allen Kanälen. Der ist auch für eine große Agentur eine Herausforderung. Ist der Kunde dann zufrieden, ist das für alle Beteiligten eine Freude. Es gibt aber auch kleinere Fälle, die ich superspannend finde. So haben wir für den Deutschen Anwaltsverein eine Kampagne entwickelt, die hauptsächlich viral funktioniert hat. Bei so einem Case steht dann das Innovative im Vordergrund.

Häufig wird 360-Grad-Kommunikation gefordert – Mittelständler mit bescheidenen Budgets favorisieren aber 80 : 20. Können Sie Beispiele geben, wann „Integrierte Kommunikation“ nicht das Ziel sein sollte und welchen Stellenwert Marke hat?

Ich halte den Begriff 360-Grad-Kommunikation für wenig sinnvoll. Es kann in der heutigen Zeit nicht darum gehen, möglichst alle Kanäle zu bespielen. Erstens reicht dafür das Geld wohl in den meisten Fällen nicht und weiter stellt sich die Frage, welche Logik dahinter stehen soll. Innovative Konzepte berücksichtigen durchaus, welche Kanäle es gibt, suchen dann aber eine intelligente, in der Zeitfolge sinnvolle Verknüpfung.

Der allgegenwärtige Trend zur Digitalisierung verstellt uns nicht ein einziges Thema. Wenn alles digitaler wird, rückt im Wettbewerb alles näher zusammen. Dadurch steigt meines Erachtens die Bedeutung der Marke. Früher gab es hohe Eintrittsbarrieren. Kunden mussten in das Geschäft gehen und beraten werde, bevor sie sich für ihr neues Sakko entschieden. Heute gibt es das Internet und der Vergleich per Mausklick ist die Regel. Deshalb kann man durchaus die These vertreten, dass Markenarbeit heute so wichtig ist wie nie.

Uns beschäftigt in der Forschung derzeit das Thema „Sponsorenaktivierung“. Warum wird Sponsoring in vielen Fällen – trotz der hohen Rechtekosten – ungenügend aktiviert und die Markenführung integriert? Gibt es hierfür Best-Practice-Beispiele?

Die Serviceplan Gruppe hat eine kleine Unternehmenseinheit, die sich spezifisch mit Sponsoring auseinandersetzt. Das Thema ist sehr spannend und Sponsoring kann enorme Werbewirkung entfalten. Gleichzeitig wird Sponsoring im Agenturgeschäft allerdings nie eine zentrale Rolle spielen. Sponsoring-Entscheidungen werden oft sehr emotional gefällt und besonders bei der Budgetplanung ist Vorsicht geboten. Wer sich mit doch meist beträchtlichen Summen beim Sponsoring engagiert, muss darauf achten, dass für Werbemaßnahmen in der Folge noch genügend Budget bleibt. Nur dann ist Sponsoring effizient.

Die Kommunikationslandschaft zersplittert sich, kaum einer hat noch den Überblick. Im digitalen Werbebereich gibt es zwei stark dominierende Player. Wie sieht die Kommunikation im Jahr 2025 aus? Wie verschieben sich die Budgets der Unternehmen, wie die Aufgaben der Agenturen und der anderen Player wie beispielsweise der Marktforscher?

Ich mache mir da gar keine Sorgen. Es gibt viele Dinge, die im derzeitigen Digitalhype nicht diskutiert werden. Auch künftig werden Unternehmen Partner brauchen, die kreative Ideen entwickeln. Selbst im digitalen Bereich entsteht ein enormer Beratungsbedarf. Agenturen, die sich nur auf ihre Einkaufsmacht im Mediabereich zurückziehen, werden verschwinden, weil Computer diese Arbeit übernehmen. Nicht beantwortet ist aber die Frage, welche Kundendaten ich überhaupt bekommen kann, zu welchem Preis kaufe ich die ein und wie segmentiere ich die verfügbaren Daten? Der Beratungsbedarf wird künftig nicht kleiner, sondern größer werden. Wenn ich Google oder Facebook meine Kanalstrategie übertrage, dürfte wohl ziemlich klar sein, auf welchen Kanälen meine Budgets eingesetzt werden. Das werden Werbekunden nicht wollen. Unsere Chance wird in der Zukunft sein, verschiedene Quellen zu nutzen und für unsere Kunden effiziente Angebote zusammenzustellen.

Blick nach vorne: Wie wird Serviceplan in 15 Jahren dastehen?

Seien wir zufrieden, wenn Serviceplan die kommenden fünf Jahre gut dasteht. Scherz beiseite: In 15 Jahren werden wir in jedem Fall noch digitaler sein. Der Anteil an digitalen Services liegt bei uns derzeit schon bei über 50 Prozent. Heute machen die Werbebudgets im Digitalbereich bei den Kunden durchschnittlich 30 Prozent aus. Künftig wird das Thema Daten ein wichtiger Bereich werden. Serviceplan wird noch mehr Content-Marketing machen als das heute der Fall ist und noch internationaler werden. Bei aller berechtigten Skepsis gegenüber der Datensammelwut und der Auswertung von Big Data in vielen Ländern auf dieser Erde müssen wir in Europa aufpassen, dass wir nicht abgehängt werden. Ich bin durchaus ein Verfechter von Datenschutz und kontrolliertem Umgang mit Daten, aber die Zukunft ist in vielen Teilen digital und die Geschäftsmodelle, die sich aus dieser Zukunft entwickeln, sind ebenfalls digital. Wenn wir an diesem Megatrend partizipieren wollen, müssen wir der digitalen Welt gegenüber aufgeschlossen bleiben. Gerade in der Werbung müssen wir darauf achtgeben, dass nicht nur Firmen in den USA in ihrem Safe-Harbour all das machen, was bei uns nicht erlaubt ist, und damit richtig gut Geld verdienen. Dafür ist es wichtig, den Menschen auch die Angst vor Big Data zu nehmen.

Zum Abschluss vielleicht noch einige Worte zu Ihrem Engagement in der Schweiz, in der Serviceplan ja auch eine Niederlassung unterhält?

Gern. Mein Vater ist Schweizer und ich auch. Ich habe in der Schweiz meinen Militärdienst absolviert, studiert, gearbeitet und habe der Schweiz viel zur verdanken. Insofern sind wir genau betrachtet die größte Schweizer Agentur weltweit. Die Schweiz ist für uns im Übrigen ein wichtiger Markt, weil sie ein Hub für international tätige Firmen ist. Wir arbeiten beispielsweise für ABB international global mit Standort Zürich. Ich fühle mich in der Schweiz sehr wohl.

Dieses Interview erschien in Marketing Review St. Gallen.

Hallo, mein Name ist Julia Schweizer und ich bin Head of Recruiting bei Serviceplan, Europas größte inhaber- und partnergeführte Agenturgruppe mit Hauptsitz in München. Auch wenn ich heute nach den begehrtesten Köpfen für unsere Agenturen suche, habe ich keinen klassischen HR-Weg hinter mir. Nach meinem Kommunikationswirt bei der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing in München, habe ich im ganz „normalen“ Agenturalltag als Kundenberater bei verschiedenen Werbeagenturen gearbeitet.

Seit Sommer 2011 bin ich bei Serviceplan – ich selbst bin allerdings gar nicht auf die Idee gekommen, mich als Recruiter zu bewerben. Hier hat mir mein – schon damals sehr umfangreiches – berufliches Netzwerk geholfen. So kam es, dass mich der damalige Chef der Serviceplan HR ansprach, weil er über gemeinsame Kontakte auf mich aufmerksam geworden war. Das Angebot hat sich toll angehört – und sich vor allem richtig angefühlt. Eine Woche nachdem ich den Vertrag unterschrieben hatte, saß ich schon in meinem neuen Büro. Das zeigt: In meinem Job ist es besonders von Vorteil, viele Leute zu kennen und Networking zu betreiben.

Meine Aufgabe als Recruiter ist es, offene Positionen mit geeigneten Personen zu besetzen. Über Karrierenetzwerke wie LinkedIn suche ich mögliche Kandidaten, die auf die Stellenbeschreibung passen könnten und spreche sie persönlich an – das ist mir ganz wichtig. Ich möchte die Person besser kennen lernen und versuchen, ein ganzheitliches Bild zu bekommen. Hat die Person Kinder, wo ist ihre Heimat, würde sie für den Job umziehen? All diese Details geben mir ein besseres Bild der Menschen und können letztendlich darüber entscheiden, ob der oder diejenige zum Team und zum Job passt.

Meine Recruiting Tätigkeit hat viel damit zu tun, sich in Menschen hineinzuversetzen; herausfinden, wie sie ticken, was sie bewegt und motiviert. Ich nehme mir unheimlich gerne die Zeit, die Leute genauer kennen zu lernen, ihnen Tipps zu geben, woran sie noch arbeiten können oder in welchen Branchen und Bereichen sie vielleicht besser aufgehoben wären. Auf der anderen Seite ist es mir aber ein persönliches Anliegen im Interview mit potentiellen Kandidaten ehrlich und authentisch zu bleiben. Ich möchte niemanden frustrieren, indem ich Dinge verspreche, die die Agentur nicht halten kann. Jeder sollte ein realistisches Bild davon bekommen, was ihn erwartet.

In meinem Job habe ich das Glück, viele interessante Menschen zu treffen. Ein absoluter Glücks-Moment ist es dabei, wenn ich – auch Jahre später – das Feedback bekomme, dass ich die Leute perfekt einschätzen und ihnen so vielleicht zu ihrem Traumjob verhelfen konnte. Wenn ich genau die richtige Person für eine bestimmte Stelle gefunden habe – das ist großartig.

 

Dieser Beitrag ist auf www.linkedin.com erschienen.

Wenn Marken ohne klassische Werbung zu kommunikativen Selbstläufern werden. Tesla, MyMüsli oder Westwing haben es vorgemacht

Früher war die Werbewelt ganz einfach ausrechenbar: Drei Dinge waren die Eckpfeiler für planbaren Marketingerfolg: Ein sattes Budget, große Reichweite und die klare Positionierung. Out ist dieser klassische Mix keineswegs, wenn jemand Gummibärchen, Toilettenpapier oder Bier verkaufen will.

Ein anderer Ansatz ist, eine Kampagne nicht mehr ausschließlich in klassischen Medien in den Mittelpunkt zu setzen, was vielfach wie geschmiert läuft: Die abgefahrenen Autobauer von Tesla beispielsweise erreichen in Deutschland laut You Gov Brandindex einen Bekanntheitsgrad von über 60 Prozent. Tesla ist kein Einzelfall: Die Frühstücksversorger von MyMüsli oder der Möbelversender Westwing sind Marken, die ihre Bekanntheit großteils auf ganz neuen Wegen erlangt haben. Die Produkte sind dabei sehr verschieden, auch ihre Macher. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten, die ins neue Lehrbuch der modernen Markenschule geschrieben werden können:

Eine gute Geschichte

Ein neues Produkt muss eine eigene Geschichte haben. Aber nicht irgendeine Larifari-Story, sondern eine, die auffällt, anders ist, die Menschen interessiert. Und natürlich muss sie den Zeitgeist treffen. Das heißt: Erfolgreiche Marken greifen Megatrends auf, aber auf unkonventionelle – und mitunter sogar überraschende – Art und Weise. Tesla surft erst einmal auf der Welle des in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegenen Umweltbewusstseins. So weit so sinnvoll. Dazu zünden sie dann ihren ganz eigenen Marken-Überraschungsmoment. Denn die Autos sind der krasse Gegenentwurf zu Ökostyle und funktionaler Solarmobil-Bastelei. Die zukunftsweisende Elektromobilität steckt in einem extrem schicken, äußerst begehrenswerten und richtig teuren Auto. Ein elitäres Produkt, das smartes ökologisches Bewusstsein klar von tradierter Öko-Spießigkeit trennt.

Das Spiel funktioniert auch eine Nummer kleiner. MyMüsli hat als Basis den Bio-Trend in der Ernährung aufgegriffen. Dann haben sie ihm Raketentriebwerke verpasst und das Produkt mit Individualität plus Convenience angereichert. Ein ganz eigenes im Netz zusammengeklicktes Bio-Müsli wird mit persönlichen Phantasienamen versehen, das dann per Kurier direkt auf den Frühstückstisch geliefert wird. Milch drauf und loslöffeln. Einfach lässig, schmackhaft und gesund – so lebt und isst man heute. Um zu zeigen, was maximal geht, haben die Produktentwickler on top den Taschenrechner glühen lassen: 566 Billiarden Müsli-Varianten sind nach Firmenangaben möglich. Die kann keiner in einem Leben ausprobieren. Mehr Vielfalt geht wirklich nicht. Schöne Geschichte, bei der jeder Müsli-Maniac hängen bleibt und die man gerne weitererzählt. Da es jedoch mit  Online Angebot und Online Marketing allein auch nicht geht, setzt MyMüsli seit einigen Jahren verstärkt auf eigene Läden in gut frequentierten Lagen in relevanten Ballungsräume mit individuellen Müsli Beratern zum Anfassen.

Das Quick&Easy Feeling, das uns das Internet gebracht hat, nimmt auch Westwing auf. Da haben schlaue Leute einfach mal geschaut, was sich so tut in der Welt des Wohnens. Kaum ein Volk gibt schließlich so viel Geld für die Einrichtung ihrer Behausungen aus wie wir Deutschen. Und zudem sind wir extrem gerne daheim – Cocooning nennt man das heute. Und da ist es mehr als logisch, einen Weg zu finden, der einen anderen erspart: Den bisher unvermeidbaren zu den gigantischen Möbel-Märkten am Stadtrand. Das clevere Start-up schickt stattdessen trendige Markenmöbel und Wohnaccessoires zu günstigen Preisen bequem nach Hause. Da die Möbelauswahl vorwiegend von Frauen getroffen wird, sind die neuen Sessel und Tische nun nicht mehr komplizierter zu beschaffen als ein paar High-Heels von Zalando.

Westwing spielt sehr gut mit der Psychologie der Konsumenten. Da läuft eine Uhr auf dem Westwing Verkaufsportal. Wer nicht in der verbleibenden Zeit bestellt, ist raus und bekommt das trendige Produkt nicht mehr. Das kennt man aus dem klassischen Einzelhandel…solange der Vorrat reicht. Erst nach Bündelung aller eingegangenen Aufträge ordert Westwing die Ware und liefern sie aus. Bezahlt wird aber vorher.

Die Stars an der Spitze

Marken, die Menschen bewegen, wecken Interesse, begeistern, machen die Kunden zu Fans, die dann Teil der Marke werden. Partizipation lautet das neue Mantra.
Was zusätzlich hilft, ist eine ordentliche Medienpräsenz des Managements. Denn erfolgreiche Marken und ihre Geschichten brauchen Erzähler. Und die müssen auf die Bühne. Das muss man wollen und können. Selbstvermarktung wurde lange als persönliche Eitelkeit abgestempelt, gilt vielfach gar immer noch als Schimpfwort. Die erfolgreichen Vertreter, welche die hohe Kunst der persönlichen Inszenierung meisterhaft beherrschen, schert das wenig. Sie machen ihr Ding, zum Wohle der Vermarktung ihrer Marken. Teslas Elon Musk ist hier der nahezu ideale Protagonist: Ein milliardenschwerer Visionär als Gesicht des Unternehmens. Ein Mann, der nicht nur den Weg der E-Mobilität in den Massenmarkt ebnen will, sondern der auch mit anderen aufsehenerregenden Projekten immer wieder für Schlagzeilen in der Weltpresse sorgt. Mal sind es wieder verwendbare Raketen, ein andermal schwebt ihm die Besiedlung des Mars vor oder er will gar einen Tunnel unter Los Angeles bauen, der Fußgänger von A nach B katapultiert. Ein positiv Verrückter, der aber für perfektes Storytelling sorgt und damit seine Absendermarke immer wieder neu auflädt.

Die deutschen Pendants sind da zwar deutlich bescheidener, aber durchaus auch effektiv. Sowohl das MyMüsli-Führungstrio, allesamt ehemalige Studenten aus Passau, als auch Deliah Fischer von Westwing werden als Vorzeige-Gründer gefeiert und prämiert. Keiner von ihnen scheut sich, in Talk-Shows zu gehen oder öffentlichkeitswirksam für die eigene Marke zu trommeln. Und stets hinterlassen sie einen frischen, sympathischen Eindruck. Deliah Fischer, die Modejournalismus studierte, hat sicher den größten Teil zum bisherigen Bekanntheitsgrad von Westwing beigetragen. Eine Power-Frau, die ankommt und das Gesicht einer Vision, dann einer Idee und schließlich einer Marke ist. Wer bei Westwing kauft, kauft auch immer ein Stück Deliah Fischer Spirit ein. Genauso wie im Tesla der geniale Gründer Elon Musk irgendwie immer als gefühlter unsichtbarer Beifahrer daneben sitzt. Ein richtig gutes Gefühl.

Entdecke die neuen Möglichkeiten

Start-ups haben heute meistens ein anderes Geschäftsmodell und sie machen auch ihre Werbung anders. Sie leben den Game Change konsequent, in allem, was sie tun. Und das ist gut so. Drei Tage nach dem Start von MyMüsli im Jahr 2007 gab es bereits 16.500 Google-Treffer. Später drehten die Gründer den ersten TV-Spot, der komplett auf einem iPhone entstanden ist – aufgrund der begrenzten Mittel. Inzwischen kann es sich das Unternehmen leisten, auch in klassische Werbung zu investieren. Allerdings auch vielfach in Form von modernen interaktiven Formaten.

MyMüsli war ein medialer Volltreffer, weil die Gründer die Zeichen von sich verändernden Verbraucherinteressen erkannten und intelligent adaptierten. Tesla ist ein medialer Selbstläufer, powered by Elon Musk. Hinter Westwing stehen die Marketingexperten von Rocket Internet, die wissen, wie man Start-ups im Web pusht. Mit dem Bespielen aller Kanäle von Social Media bis Influencer-Marketing. Es ist die Kunst, ohne großes Budget und ohne klassische Anzeigenschaltung Menschen für sich zu gewinnen. Das funktioniert im Internet ganz ausgezeichnet, deshalb ist es häufig das Lieblingsmedium der neuen Markenschule.

Auch die Agenturen haben längst umgedacht. Sie begleiten ihre Kunden im unternehmerischen Prozess von der strategischen Produktentwicklung bis hin zur ganzheitlichen interdisziplinären Vermarktung.

 

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Ein Angriff mit Säure ist eines der schlimmsten Verbrechen, das man begehen kann. Dafür sollten die Täter im Höchstmaß bestraft werden und ebenso sollte es ein Verbot dafür geben, dass Säure für jeden einfach so zugänglich ist. Die Opfer eines Säureangriffs leiden nicht nur unter schlimmsten körperliche Qualen, sondern tragen weitaus größere seelische Verletzungen davon. Auch für Freunde und Angehörige, die mit dem Opfer leiden, ist das eine Geschichte voller Leid und Elend. Für ein junges Leben einfach unvorstellbar! Einige der Opfer können nicht mehr sehen, und viele erliegen ihren Verletzungen – ein Angriff mit Säure ist eines der wirklich abscheulichsten Verbrechen überhaupt.

Ständig mit der Angst zu leben, dass man solch einem Angriff zum Opfer fallen kann, gleicht einem Leben auf Messers Schneide. Dieses Messer hängt über dir wie ein Schwert und droht jeden Tag hinunterzufallen und deine Seele zu verletzen, egal wohin du gehst. Ich habe solch ein Leben voller Angst hinter mir, mit einem zerstörten Selbstvertrauen, da die Angst vor einem Säureangriff meinen Kopf beherrschte.

Das Leben als Teenager in einer kleinen Stadt war demnach nicht einfach, denn als meine Eltern mich zum ersten Mal vor solch einem unvorhersehbaren und grundlosen Angriff mit Säure warnten, setzte sich diese Angstpsychose in mir fest. Diese ganzen Geschichten von Eifersucht, abgewiesenen Verehrern oder abgelehnten Anträgen waren einfach nur beängstigend!

Meine Schule war ganz in der Nähe meines Zuhauses, die beste Klosterschule der Stadt. Den Weg zur Schule ging ich mit meinen Freunden, die mich jeden Tag abholten. Und seitdem hatte ich diese Panik vor einem Säureangriff, immer! Diese Angst fing an, in mir wie offenes Feuer zu lodern. Es gab Tage, an denen ich mir vorstellte, mein Gesicht gleiche einer verätzten, entstellten Pflanze.  Diese Furcht verfolgte mich als Teenager während der Schulzeit, nachdem ich zum ersten Mal von Säureangriffen durch zurückgewiesene Liebhaber als Racheakt erfuhr. Und aus Vorsicht habe ich einfach jedem misstraut, der mir folgte oder von dem ich glaubte, er würde mich verfolgen. Was ich in diesem Prozess nicht realisierte, war, dass ich eine innere Angst hatte, die sich nie bewahrheitete. Meine Eltern hatten extra zwei Leute beauftragt, die mich als Aufpasser zur Schule begleiteten. Anfangs ging ich den Schulweg noch zu Fuß, doch nach und nach wurde meine Freiheit eingeschränkt und der Fußweg zur Schule erschien mir wie ein ferner Traum, da ich ja das kurze Stück bis zum Schulgebäude mit dem Auto gefahren wurde.

Und ich war nicht die einzige, die mit dieser Angst lebte. Viele Freunde von mir sprachen über die Folgen solch eines Verbrechens, und auch sie versuchten Situationen zu vermeiden, die zu eben solchen Konsequenzen führen könnten. Der Gedanke an einen Säureangriff löst immer noch Ängste in mir aus, da Säuren heutzutage überall und absolut kostengünstig erhältlich sind. Meine Schulzeit liegt nun schon 20 Jahre zurück, aber was sich seitdem definitiv geändert hat, das ist wohl die Tatsache, dass es zunehmend mehr Opfer von Säureangriffen gibt, die möglicherweise hätten verhindert werden können.

Und heute war ein solcher Tag, an dem ich einige dieser Opfer kennengelernt habe. Starke junge Frauen, die mir die Augen geöffnet und mir gezeigt haben, dass das Leben weitaus mehr bedeutet als „nur“ dieser Säureangriff! In jeder Situation wieder aufzustehen, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und einen Weg heraus zu finden, heraus aus diesem schlimmen Erlebnis. Ich selber erzählte hier bislang nur von meiner Angst vor einem Angriff, doch wie ist bloß das Leben eines tatsächlichen Opfers, das einen Angriff mit Säure erfahren hat? Nun, alle diese jungen Frauen, die ich kennenlernen durfte, hatten ein Lächeln im Gesicht, das gleiche Selbstvertrauen und eine große Portion Mut und den Willen zur Unabhängigkeit. Ungeachtet dessen, was ihnen im Leben widerfahren ist, schauen sie entschlossen nach vorne und stellen sich dem Leben, das sie in vollen Zügen genießen wollen. Angst ist ein Gedanke, der sich möglicherweise nach und nach verflüchtigt, ein verätztes Gesicht jedoch erinnert unaufhörlich daran, was heute verhindert werden kann – für eine bessere Zukunft von morgen. Ein Angriff mit Säure ist eine heimtückische Tat ohne Gleichen, die einfach jeden treffen kann. Ich bin ganz klar der Meinung, dass dieser böswillige Gedanke dringend aus den Köpfen muss, und das kann nur geschehen, wenn das Bewusstsein geschärft wird und eine richtige Aufklärung und Erziehung der jungen Menschen stattfindet.

Es ist zuallererst einmal ein gutes Zeichen für das Geschäftsmodell Kommunikationsagenturen, wenn auf breiter Front mehr Stellen ausgeschrieben werden. Auf der anderen Seite muss man die Kollegen, die man sucht, auch finden. Hier liegt im Moment für viele Agenturen das Problem. Es ist uns allen, die wir unter dem eigentlich überkommenen Label „Agentur“ firmieren, noch nicht gelungen, allen da draußen zu vermitteln, dass die vielen neuen digitalen und medialen Berufsbilder auch in Agenturen vorkommen. Und dass sie zum großen Teil sogar in Agenturen entstanden sind. Junge Digital Natives haben uns als Wirkungsstätte oft gar nicht auf dem Schirm und orientieren sich lieber an Internet Companies und Startups.
Schon beim Wort „Agentur“ entsteht in vielen Köpfen ein ziemlich analoges Bild „klassischen“ Werbegeschäfts. Das entspricht längst nicht mehr der Realität. Nur sagen wir das nicht deutlich genug.

Dabei gäbe es genügend Möglichkeiten. Hochschulmarketing ist eine der effizientesten. Wir können gar nicht früh genug anfangen, potenzielle Kollegen an unserem Business teilhaben zu lassen und zu informieren, was heute eine Kommunikationsagentur kann und ausmacht. Wenn heute eine größere Agentur nicht mindestens zehn aktive Hochschulpartnerschaften pflegt, muss sie sich nicht wundern, wenn sie auf dem Personalmarkt nur sucht und nicht findet. Dabei reichen sporadische Vorträge oder Messeauftritte jedoch nicht aus. Gefordert sind Agenturtage und Arbeitsgruppen auf realen Kunden-Cases. Hochschularbeit macht Arbeit, aber bringt eine Menge – nicht nur Bewerber. Auch sehr viel Feedback und Außensicht von denen, die uns wirklich weiter bringen – den Kollegen von morgen. Die dann wissen, dass Agenturen immer noch ein begeisternder Platz sein können, sich beruflich zu engagieren.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Horizont.