Keynote zum Mobile Media Day 2014
Vorbemerkungen
Das TIME Magazine kürte ihn im Jahr 2000 zum „Man of the Millennium“. Der Philosoph und Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan benannte ein ganzes Zeitalter nach ihm. Er war kein Visionär und kein Heiliger, er war Pragmatiker. Niemand weiß, wann er geboren wurde und welche schulische Bildung er genoss und doch kennt heute jeder seinen Namen, denn er veränderte die Welt. Die Rede ist von Johannes Gutenberg.
Mit seiner Erfindung des Buchdrucks legte er den Grundstein für unsere Kultur. Er ermöglichte die massenhafte Verbreitung von Schriften und sorgte damit dafür, dass Bildung nicht mehr nur wenigen Gelehrten vorbehalten war, sondern für die breite Masse zugänglich wurde. Breite Bevölkerungsschichten lernten Lesen. Das Denken veränderte sich. Die Menschen wurden unabhängiger und selbstbestimmter. Sie begannen, zu hinterfragen, was man ihnen glauben machen wollte.
Dank der Gutenbergschen Erfindung wurden Schriftstücke mobil, sie wurden beweglich und JEDER konnte sie mitnehmen. Wenn man so will, war das also die Geburtsstunde für mobile Medien.
Wir sind sehr mobil
Heute sind sie nicht mehr wegzudenken: 116 Millionen Mobilfunkanschlüsse gibt es in Deutschland – bei 80 Millionen Einwohnern. Viele haben zwei, nur wenige keinen. Über 60 Millionen Deutsche haben ein Mobiltelefon, Tendenz weiter steigend.
Genutzt werden mobile Medien durchschnittlich rund eineinhalb Stunden pro Tag. Hinsichtlich Nutzungshäufigkeit und -dauer liegen Smartphone und Co. inzwischen auf Rang vier hinter Online, TV und Radio. Und 55 Prozent der Deutschen sind täglich mit einem Mobilgerät online.
Die Entwicklung der Medien und der gesellschaftliche Wandel gingen immer und gehen auch heute noch Hand in Hand. Das, was unsere Gesellschaft heute in besonderer Weise charakterisiert und prägt, ist die Mobilität: soziale, berufliche, geographische, politische… Dass sich die Mobiltelefone derart schnell in der breiten Masse der Bevölkerung durchgesetzt haben, vor allem seit man mit ihnen weit mehr kann als nur zu telefonieren und Kurzmitteilungen zu verschicken, ist also wenig – eigentlich gar nicht überraschend.
Mit dieser Erfindung wurde der Nerv der Zeit getroffen. Und genau das ist das Geheimnis erfolgreicher Innovationen: Wer den Blick auf den Menschen und dessen Bedürfnisse verliert, plant an ihm vorbei, schafft ein Nischenprodukt, das natürlich durchaus seine Berechtigung haben kann, aber nur selten ein Produkt für die Masse werden wird.
Wenn ich heute mit Bus oder Bahn fahre oder, noch besser, im Café sitze und Menschen sehe, die mehr auf ihr Mobilgerät konzentriert sind, als auf ihr Gegenüber oder andere Menschen um sie herum, dann muss ich an ein Zitat von Albert Einstein denken:
„Ich fürchte den Tag, an dem die Technologie mehr Raum einnimmt als für die zwischenmenschliche Interaktion genutzt wird. Dann wird die Welt eine Generation von Idioten haben.“
So weit wie Einstein würde ich nicht gehen, aber dass sich durch die Verbreitung von Smartphones nahezu alle Bereiche unseres Lebens verändert haben, ist wohl unbestritten.
Neue Medien riefen schon immer Kritiker auf den Plan.
Die Agentur McCann Erickson in Melbourne kreierte für die Kampagne eines Wörterbuchverlags den Australier Alex Haigh, der sich derart an dem Verhalten seiner Mitmenschen störe, dass er eine Initiative namens „Stop Phubbing“ ins Leben gerufen habe. Ist Ihnen der Begriff geläufig? Phubbing ist ein englisches Kunstwort, das aus phone und snubbing (eine schroffe Ab- oder Zurechtweisung) zusammengesetzt ist.
Mit jedem neuen Medium, das in unserer Gesellschaft verankert wurde, traten Kritiker auf den Plan. Und ja, dass mit Neuerungen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken – Angst vor permanenter Überwachung, Datenschutz, Datenklau aus der Cloud etc. – verbunden sind, dürfte jedem klar sein.
Aber wir wollen heute nicht über negative Seiten und über Risiken sprechen, sondern über die unzähligen Chancen, die mit dem Einzug mobiler Medien in unsere Gesellschaft verbunden sind, über Angebote und Anwendungen, die sich bereits etabliert haben oder dabei sind, sich zu etablieren und über Visionen, die wir brauchen, um auch in Zukunft großartige Angebote für eine Gesellschaft zu schaffen, die noch mobiler werden wird.
Steigende Mobilität und ihre Folgen
Die Gesellschaft wird noch mobiler werden, darüber sind sich alle einig. 90 Prozent der Bundesbürger gehen täglich außer Haus. Das ergab die Studie „Mobilität in Deutschland“ (MiD) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung. Die Europäer legten im Jahr 2010 rund 5.600 Milliarden Kilometer mit dem Auto, Bus und Bahn oder mit Flugzeug und Schiff zurück. Der Personenverkehr hat in den EU-Ländern seit 1990 um ein Drittel zugelegt und wird laut Prognosen der Europäischen Kommission bis zum Jahr 2030 um weitere 29 Prozent ansteigen.
Diese zunehmende Mobilität führt zu einem neuen Verhalten, zu neuen Alltagsstrukturen/-abläufen und zu neuen Bedürfnissen der Menschen. „Früher“, also vor dem Online-Zeitalter, haben vor allem die Medien unseren Alltag strukturiert: Morgens, am Frühstückstisch wurde die Zeitung gelesen. Sie war das mobilste aller klassischen Medien. Es musste sie lesen, wer bereits (mehr oder minder) umfassend informiert das Haus verlassen wollte. Die aktuellen Sportnachrichten, Wirtschaft, Lokalgeschehen – welche Themen auch immer. Wer sich mit Kollegen, Bekannten oder dem Nebensitzenden in Bus oder Bahn informiert austauschen wollte, musste zuvor die Zeitung gelesen haben – oder dies spätestens dort tun.
Über Tag lief das Radio. Wer die aktuellste Musik aufzeichnen oder bestimmte Sendungen hören wollte, musste zur richtigen Zeit vor dem Radiogerät/-empfänger sitzen, um das Programm zu verfolgen oder gar aufzuzeichnen, um später noch einmal darauf zurückgreifen zu können.
Am Abend schaute man Fernsehen. Man las vorab das Fernsehprogramm und wählte aus der zunehmend vielfältigen Senderlandschaft das für sich Passende aus. Vielleicht schaute man auch jede Woche zur gleichen Zeit dieselbe Serie, die man auf gar keinen Fall verpassen durfte. Die Linearität der elektronischen Medien führte dazu, dass wir mehr oder minder stark unser Leben nach ihnen ausrichteten.
Mit Einzug des schnellen Internets im ersten und der mobilen Geräte im zweiten Schritt verändert(e) sich dies grundlegend. Zunehmend wurden und werden dieselben Inhalte auf verschiedenen Kanälen zur Verfügung gestellt. Die technischen Möglichkeiten zur flexiblen, orts- und zeitunabhängigen Nutzung nahmen und nehmen zu. Seine Lieblingsserie kann man heute ganz traditionell wie früher jede Woche immer zur gleichen Zeit schauen (zu Hause oder mit Event-Charakter in der Lieblingskneipe oder bei Freunden) – oder eben dann, wenn es gerade passt, online auf dem PC, dem Notebook, dem Smartphone, Tablet…
Medien und mediale Inhalte werden zu unseren ständigen Begleitern, stehen uns permanent zur Verfügung und verschaffen uns dadurch eine bislang nicht gekannte Flexibilität.
Die lineare Mediennutzung ist deswegen trotz allem noch die Regel: Sich einfach vom TV- oder Radio-Programm leiten zu lassen, ohne gezielt Angebote abzurufen, ist natürlich bequemer und der Mensch an sich ist tendenziell bequem. Außerdem gibt es immer wieder neue TV-Formate, die im realen (analogen) und im digitalen Leben heiß diskutiert werden und zwar schon während oder spätestens unmittelbar nach Ausstrahlung (GNTM z. B.). Hier am Ball zu bleiben, ist gerade für Jugendliche und junge Erwachsene von besonderer Bedeutung.
Doch die Erfahrung, Medien individuell nutzen zu KÖNNEN, verändert unsere Anspruchshaltung auch in anderen Lebensbereichen: Wir wollen alles – und am liebsten sofort. Der Laden um die Ecke hat am besten lange Öffnungszeiten, damit ich nicht vor verschlossener Tür stehe, wenn ich gerade etwas brauche. Und dann hat er idealerweise in seinem Sortiment auch genau das, was ich suche. Oder bietet mir zumindest an, direkt das, was ich vergebens suchte, zu bestellen und zu mir nach Hause zu liefern. Am stärksten ausgeprägt ist diese Einstellung, darüber herrscht in der Fachliteratur weitgehend Einigkeit, in der Generation Y festzustellen, also unter den 1980 bis 1995 Geborenen. In der Generation Z, unter den Digital Natives, wird dies noch viel stärker ausgeprägt sein.
Diese neue Erwartungshaltung müssen Unternehmen, die Angebote für Endverbraucher kreieren, heute unbedingt berücksichtigen. Die Zeiten, in denen Werbebotschaften an die breite Masse der Bevölkerung adressiert wurden, sind vorüber. Momentan werden eher – mal spitzere, mal breitere – Zielgruppen dezidiert angesprochen. Ein bislang gutes und richtiges Konzept, auch wenn man über die Art und Weise der Zielgruppendefinition – wie über so vieles im Leben – wunderbar streiten kann. Für mich beispielsweise sind Zielgruppendefinitionen auf Basis des Kaufverhaltens in vielen Fällen der Königsweg.
Künftig aber sollte man sich weniger den Kopf darüber zerbrechen, ob man nun Zielgruppen soziodemographisch oder doch besser hinsichtlich ihres Freizeit- oder aber Konsumverhaltens bestimmen sollte, sondern darüber Gedanken machen, wie man den einzelnen Menschen ganz individuell ansprechen und mit den für ihn relevanten Informationen in genau dem Moment versorgen kann, in dem sie für ihn auch tatsächlich relevant sind. Und die Möglichkeiten für diese individuelle Ansprache sind dank der inzwischen weiten Verbreitung mobiler Devices wie Smartphones und Tablets so gut wie nie zuvor.
Vor allem Smartphones sind dabei unverzichtbar. Sie sind zu unseren Rund-um-die-Uhr-Begleitern geworden. Sie erleichtern uns das Leben, indem wir permanent erreichbar und online sein können. Dank ihnen sind wir IMMER und überall informiert – oder haben zumindest permanent die MÖGLICHKEIT dazu, uns zu informieren: über Privates, über Berufliches und über alles andere, über das wir informiert sein wollen (Nachrichten aus aller Welt, Wirtschaft, Politik, Sport, Kultur…). Dank Twitter und Push-Nachrichten der diversen Nachrichten-Apps sind wir innerhalb kürzester Zeit im Bilde über aktuelle Ereignisse und Entwicklungen.
Mediaplus Pendler-Studie
Wie sehr sich Smartphones etabliert haben, sieht man im öffentlichen Nahverkehr besonders gut: Wo früher Zeitungen und Bücher dominierten, sind heute überwiegend bunte Displays zu sehen. Von den knapp 43 Mio. Erwerbstätigen in Deutschland pendeln fast alle zumindest wenige Kilometer zur Arbeit. Und etwa 13 Mio. von ihnen fahren regelmäßig mit Zug, S- oder U-Bahn, Tram oder Bus.
Was genau machen all die Menschen, wenn sie gedankenversunken auf die Bildschirme schauen? Lesen oder schreiben sie Nachrichten an ihre Liebsten? Informieren sie sich über Nachrichten oder vielleicht über Produkte, die sie sich evtl. anschaffen wollen? Nutzen sie Apps? Und wenn ja: welche und wie oft?
Diese Fragen blieben bis vor Kurzem unbeantwortet. Weder Medienschaffende noch Werbetreibende verfügten über valide Daten zum Nutzungs- und Surfverhalten der Pendler, dabei sind sie eine sehr interessante Zielgruppe: Sie sind häufig berufstätig, vielfach Medien nutzend, in der Regel online erreichbar und kaufkräftig. Sie sind also äußerst werberelevant!
Um endlich fundierte Antworten auf diese Fragen zu bekommen, haben wir 2014 in einer Online-Studie gut 2.100 Personen befragt, die regelmäßig mit dem ÖPNV zur Arbeit fahren und mindestens ein Mobilfunkgerät besitzen.
Pendler im Detail
Werktags sind die meisten von Ihnen mit dem Bus (59 %), der S-Bahn (43 %), dem Zug (32 %) und der U-Bahn (31 %) unterwegs – knapp zwei Drittel benötigen pro Strecke jeweils zwischen 15 und 45 Minuten.
Ihr wichtigster Begleiter ist das Smartphone: Mit 96 Prozent verfügen fast alle über eines und nutzen dieses auf kurzen wie auch langen Strecken. Rund die Hälfte holt es sogar während ganz kurzer Wartezeiten aus der Tasche; zum Beispiel an der Supermarkt-Kasse.
42 Prozent der Pendler haben zusätzlich auch ein Tablet. Tablets werden allerdings vorwiegend während längerer Fahrzeiten genutzt (85%) – klar, das ist nachvollziehbar.
Die spannendere Frage aber war für uns, WAS genau die Nutzer mit den Mobilgeräten tun.
Vor allem werden kurze Informationshäppchen konsumiert:
- Am häufigsten prüfen die Pendler, ob sie einen Anruf oder eine SMS erhalten haben (87%).
- Sie lesen SMS oder E-Mails (84%),
- schauen auf die Uhr (79%) oder in die sozialen Netzwerke (58%),
- checken den Wetterbericht (57%) oder
- lesen Nachrichten (52%).
Der Mobile-Browser spielt dabei allerdings eine untergeordnete Rolle. Wesentlich wichtiger sind die vielen Apps: Rund zwei Drittel der Pendler nutzen sie „häufig“ (63%), ein Drittel „gelegentlich“ (33%). Am stärksten genutzt werden Apps aus den Bereichen Kommunikation, soziale Netzwerke, Nachrichten und Zeitungen, Verkehr bzw. Navigation und Musik. Facebook führt die Rangliste der am häufigsten genutzten Apps an (83%). Darauf folgen YouTube, WhatsApp, Amazon und Google Maps. Ebenfalls in den Top-Ten vertreten sind Banking-Apps, Anwendungen der Verkehrsverbünde, Wikipedia und die Rezeptdatenbank Chefkoch.de.
Wobei sich im Nutzungsverhalten klare Präferenzen in Abhängigkeit von der Tageszeit ergaben: Morgens wird in erster Linie gerne gelesen, vor allem Nachrichten. Die am häufigsten genutzten Apps sind hier Spiegel Online (21 %), n-tv (14 %) und Bild (16 %). Hoch im Kurs stehen aber auch iBooks und Amazon Kindle (15 %). Abends dagegen ist Entspannung angesagt: Kommunikations-Apps wie WhatsApp (67 %) oder der Facebook Messenger (15 %) liegen hier vorn, ebenso YouTube und andere Musik-Apps. Am Wochenende ist die App-Nutzung relativ gleichmäßig über den Tag verteilt.
Dies alles sind für Werbungtreibende und Agenturen gleichermaßen relevante Ergebnisse.
Mindestens ebenso wichtig aber ist die Erkenntnis, dass die befragten Pendler In-App-Werbung in hohem Maße ablehnen. Rund 70%, unter den 18- bis 35-Jährigen sogar knapp 80% stören sich an Werbung, die in Apps eingeblendet wird. Gut, man darf natürlich nicht vergessen, dass Menschen in Befragungen häufig dazu neigen, Werbung als störend zu bezeichnen und dann letztlich doch auf die eine oder andere Weise mit Werbung interagieren. Gleichzeitig aber sollte man diese deutliche Abwehrhaltung auch ernst nehmen: Gerade bei In-App-Werbung besteht derzeit noch ein deutliches Entwicklungspotential, was innovative und kreative Werbeformen betrifft.
Es gilt also, hier an neuen Konzepten zu arbeiten. Und dabei sollte man nicht ausschließlich in einzelnen Kanälen denken, sondern crossmedial, denn wie unsere Ergebnisse zeigen, lassen sich Pendler beispielsweise stark von anderen klassischen Werbeträgern inspirieren:
OoH- und TV-Werbung aktivieren Mobile-Nutzer dabei am stärksten: Zweidrittel der Befragten (65%) gaben an, dass Out-of-Home-Werbung sie bereits dazu veranlasst hat, mit ihrem mobilen Gerät nach dem Abgebildeten zu suchen. Mit 58% folgt TV-Werbung, Zeitschriften bringen es auf 48%, Tageszeitungen und Schaufenster auf 36 bzw. auf 35%.
Während der „Couchtime“ nutzen viele ihren „Second Screen“, um Weiteres über die gesehenen Marken herauszufinden – TV und vor allem Out-of-Home-Werbung bieten ideale crossmediale Anknüpfungspunkte für die Kommunikation mit Pendlern.
Eine einfach zu nutzende Brücke zwischen Analog und Digital sind beispielsweise QR-Codes, die immerhin ein Drittel der Befragten inzwischen regelmäßig mit ihren Geräten abscannt. Unter denjenigen, die sich von Außenwerbung inspirieren lassen, beträgt die Nutzung sogar 40%. Allerdings wurde auch jeder Vierte schon einmal von QR-Codes enttäuscht. Einen Code aufs Plakat zu drucken, um lediglich auf die im schlimmsten Fall nicht einmal mobile-optimierte Website zu verweisen, führt definitiv nicht ans Ziel. QR-Codes müssen zu relevanten Inhalten führen, die den Nutzern idealerweise einen Mehrwert bieten – nur dann haben sie ein markenrelevantes Aktivierungspotential.
Apropos Aktivierung: Auf welchem Weg Werbungtreibende Pendler am besten adressieren und wie sie sie am besten aktivieren, ist unterschiedlich. Denn es gibt nicht DEN EINEN Typ Pendler, sondern unseren Ergebnissen zufolge sechs verschiedene Typen (mehr dazu unter http://sp-url.com/pendler).
Wenn es also darum geht, technische, kreative, mediale oder sonst wie geartete Angebote für eine Zielgruppe zu kreieren, gilt es, die Bedürfnisse der Menschen zu kennen, ihre Erwartungshaltung einzuschätzen und ihr Verhalten verstehen zu können.
Das Unsichbare sichtbar machen
Dies alles wird häufig mittels Marktforschungsmethoden eruiert. Gängiges Hilfsmittel sind dabei klassische Befragungen (egal, ob online, telefonisch oder persönlich). Und das ist in vielen Fällen auch völlig legitim, das haben wir bei unserer Pendlerstudie ebenfalls so gehandhabt.
Doch vor allem, wenn es darum geht, unbewusst ablaufende Prozesse abzubilden, stoßen die expliziten Erhebungsverfahren an ihre Grenzen. Denn wie sollen wir im Rahmen einer Befragung in Worte fassen, worüber wir uns selbst nicht einmal bewusst sind? Und selbst wenn wir unser Denken und Handeln noch so ernsthaft und kritisch hinterfragen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir nicht bis zum tatsächlichen Kern vorstoßen, denn unsere Wahrnehmung trügt uns. Und das nicht selten.
Um also herauszufinden, was sich tatsächlich in unseren Köpfen abspielt, von dem wir nichts wissen, benötigt es implizite (Mess-)Methoden – die Neuroforschung. Mit neurowissenschaftlichen Verfahren lässt sich heute in relativ entspannten Testumgebungen überprüfen, wie gut etwa eine (Werbe-)Botschaft beim Konsumenten ankommt, ob sie persönliche Relevanz erzeugt und den gewünschten emotionalen Effekt erzielt. Außerdem kann gezeigt werden, wie aufmerksam das Gesehene verarbeitet wird und wie stark es Eingang ins Langzeitgedächtnis der Zuschauer findet.
Auf die Weise können wir zum einen herausfinden, ob und wie gesehene Inhalte vom Gehirn verarbeitet werden und zum anderen, ob ein und dasselbe Gesehene je nach Kontext unterschiedlich wahrgenommen wird (ein Spot in unterschiedlichen Senderumfeldern zum Beispiel). Ein und derselbe Spot kann auf verschiedene Personengruppen nämlich sehr unterschiedlich wirken. Humor wirkt beispielsweise nur dann, wenn er wirklich gut zur Zielgruppe passt.
Mit der Neuroforschung lassen sich also unsichtbar ablaufende (Denk-)Prozesse sichtbar machen. Apropos Unsichtbares sichtbar machen: Der irische Schriftsteller Jonathan Swift, aus dessen Feder unter anderem der Roman „Gullivers Reisen“ stammt, äußerte sich einst über Visionen. Konkret soll er Folgendes gesagt haben: „Vision ist die Kunst, Unsichtbares zu sehen.“
Wenn wir uns also, und das ist ja auch eines unserer heutigen Ziele, darüber Gedanken machen, wie sich die mobilen Medien in Zukunft entwickeln werden, welche Veränderungen und welche Chancen daraus resultieren werden, dann sollten wir zweierlei tun:
Zum einen sollten wir uns ganz genau anschauen, was um uns herum passiert:
- Wie sich unsere Gesellschaft (strukturell) entwickelt, und zwar national und global; welches Verhalten die Menschen an den Tag legen, wie sich ihre Bedürfnisse und Erwartungen verändern; aber auch, wie sich Technologien bzw. technische Möglichkeiten entwickeln.
- Zum anderen sollten wir uns auf die Suche nach dem Begeben, das hinter dem Sichtbaren verborgen liegt. Dazu bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten. Vielmehr gilt es, einen Blick „hinter die Kulissen“ zu wagen, sich zu überlegen, warum die Menschen tun, was sie tun.
Denn, wenn uns gelingt, die Hintergründe zu erfassen, dann wird es uns auch gelingen, klarer zu sehen, wohin für uns alle die Reise geht, welche Angebote den Nerv der Zeit treffen und eine Erfolgsgeschichte schreiben werden.
Eines ist dabei klar: Smartphones und Phablets verkaufen sich weiterhin glänzend – im Gegensatz zu Tablets oder Notebooks. Klar, schließlich werden die Menschen künftig noch mobiler werden. Insbesondere, wenn sich der Zuzug in die Ballungsräume weiter verstärkt, wird auch das Pendeln noch mehr Zeit (und Raum) in Anspruch nehmen als heute.
Wir werden die Vorzüge mobiler Endgeräte und mobiler Medien(angebote) noch mehr zu nutzen wissen. Der technologische Fortschritt und eine – hoffentlich weiterhin – steigende (Daten-)Sicherheit werden Barrieren abbauen. Auch Marken bzw. Werbungtreibende, Medienhäuser oder Verlage sollten sich von alten Mustern lösen und Mobile als Chance erkennen. Das bedeutet ganz neue Möglichkeiten, erfordert aber auch ein Bewusstsein darüber, dass sie damit den persönlich(st)en Lebensraum der Konsumenten betreten. Wichtig ist also ein verantwortungsvoller Umgang mit der Nähe zu den Menschen und ihren Daten. Schließlich ist das Smartphone unser „intimster medialer Begleiter“ und das am intensivsten genutzte Mittel zur Kommunikation.
Mobile Medien nämlich verbinden uns dabei weit mehr als sie uns trennen: Dank Apps wie dem Facebook Messenger, WhatsApp, Threema, Telegram, Google Hangouts oder Skype etc. tauschen sich Menschen viel häufiger aus als früher. Dieser digitale Austausch kann die persönliche Begegnung nicht ersetzen, aber die Trennungen durch das moderne, mobile Leben angenehmer und unterhaltsamer machen. Wir sind schon mobil. Die Zukunft ist Mobile.