Dass Geschäftsmodelle, die vor zehn Jahren den Bach runter gingen, heute funktionieren, ist kein Geheimnis. Ob Internet über den Fernseher oder Online-Supermarkt – mit innovativen Ideen scheiterten nicht nur Metabox und Webvan. Die gesamte Branche um Telekommunikation, Internet und neue Medien erlag ihrer Unerfahrenheit, überzogenen Wachstumserwartungen und unrealistischen Zielen. Aber die Branche hat gelernt und Experten prognostizieren, dass bis 2020 sogar jeder fünfte Euro Umsatz im Einzelhandel online erzielt wird. Die Zeit ist reif für das e-Commerce. Bei einer Reichweite von fast 80 Prozent ist das Internet der Marktplatz des 21. Jahrhunderts. e-Business funktioniert heute aus mehrerlei Gründen: Die Netzinfrastruktur ist wesentlich besser ausgebaut, als noch vor zehn Jahren. Die Webpräsenzen der Händler, die Affinität der Nutzer zu den neuen Medien einerseits und deren Interaktivität untereinander andererseits ist in den vergangenen Jahren massiv angestiegen. Und der Trend geht weiter: Für 2011 rechnet die Branche damit, dass 40 Prozent der Handys als Smartphones verkauft werden – und Android wird Apple dabei abhängen.

Die Mobilität des Internets wird zu weiteren strukturellen Veränderungen des Marketings, des Vertriebs und der Produktentwicklung führen. Angesichts der Vergleichbarkeit aller Informationen und Preise bekommen Marketing und Kommunikation wieder oberste Priorität in den großen Unternehmen. Die Gründe dafür sind simpel: Zum Beispiel haben sich Konsum und Nutzung der Medien drastisch verändert. Diese Verschiebung wirkt sich natürlich auch auf die Marktanteile, die Marktstrategien und selbst die Produktentwicklung aus. Die Ergebnisse, die in den vergangenen Jahren durch die Controller oder die Einkäufer in Vertragsgesprächen mit Agenturen erzielt wurden, reichen den Unternehmen längst nicht mehr aus, um die Effizienz des Marketingbudgets zu steigern. Mittlerweile dämmert auch dem letzten Marketingvorstand, dass das Medienangebot einerseits und die Agenturstruktur andererseits in der Zusammenarbeit mit den Unternehmen wesentliche Faktoren für die Effizienzsteigerung sind. Die Konsequenz daraus ist, dass komplexere Aufgabenspektren intern oft nicht mehr bewältigt werden können und die Agenturen den Integrationsjob immer stärker übernehmen müssen. Bei sinkenden Agenturhonoraren schließt es sich grundsätzlich aber aus, die personelle Quantität und Qualität zu erhöhen, wenn die Erträge geringer werden. 60 Prozent der Agenturkosten sind nun mal Personalkosten. Dass ein Zusammenhang zwischen Personal Cost Quotes und der Agenturleistung besteht, ist mittlerweile auch in den Einkaufsabteilungen angekommen.

Zusätzlich haben die CMO’s mehr Fragen als Antworten: Welche Kommunikationskonzepte greifen überhaupt? Was wirkt in Verbindung mit digitalen Medien? Und wie lassen sich diese Konzepte messen und bewerten? Was steigert generell die Effizienz? Wie kann man Medialeistungswerte on- und offline seriös bewerten? Welche Kundengruppen können wir über welche Kanäle effizient ansprechen? Und hier schließt sich der Kreis: Die Vorstände und Berater, die in der Regel einen hohen Einfluss haben, erkennen langsam, dass man sich des Themas Kommunikation noch einmal neu und grundsätzlich widmen muss. Denn die aktuellen Entwicklungen bieten einerseits erhebliche Gefahren aber natürlich auch riesige Chancen.

Agenturen müssen heute Kommunikationsarchitekten sein. Sie haben aktuell die Chance, wieder die Konstrukteure des Kommunikationshauses zu werden und nicht länger die Handwerker zu bleiben, die einzelne Gewerke liefern. Das hört sich leichter an, als es in der Praxis tatsächlich umsetzbar ist. Denn einerseits ist ein breites Leistungsspektrum erforderlich und andererseits sind strukturelle Veränderungen in der Agentur nötig. Integriertes Arbeiten funktioniert nur dann, wenn die einzelnen Bereiche gleichberechtigt sind. Klassische Werber müssen bei vielen Aufgabenstellungen akzeptieren, dass Onliner oder Dialogverantwortliche im „drivers seat“ sitzen und die Richtung vorgeben. Das ist die kulturelle Herausforderung und erfordert eine Umstellung in der täglichen Zusammenarbeit. Vor allem, wenn man als Kreativer in seinem bisherigen Berufsleben daran gemessen wurde, goldene Löwen für TV-Spots in Cannes zu holen und nun einsehen muss, dass die Benchmark für den Kunden nicht mehr nur die kreative Idee eines Einzelnen sondern die integrierte Teamleistung des Agenturpartners ist.

Ein zentraler Erfolgspunkt ist das Vergütungssystem des Managements. Agenturen, die es nicht schaffen, disziplinübergreifend integriertes Arbeiten zu entlohnen, werden nicht erfolgreich sein. Da kann es schon mal sein, um in der Architektensprache zu bleiben, dass ein Agenturgebäude in puncto Vergütungssysteme eingerissen und neu aufgebaut werden muss.