In einer Zeit, in der Fake News und Fake Faces die sozialen Medien dominieren, erleben wir einen neuen Trend: Fake Out-Of-Home-Kampagnen. Die faszinierenden, ausschließlich digitalen Inszenierungen tauchen immer häufiger in den sozialen Netzwerken auf. Tino Reinecke, Managing Partner bei Mediaplus Köln, ordnet den Trend ein: Ist der WOW-Effekt der Fake-Kampagnen schon vorbei, bevor er wirklich angefangen hat? 

Überdimensionale Wimpern auf dem Dach einer U-Bahn werden beim Einfahren des Zuges von einer riesigen Mascara-Bürste getuscht. Ein Autobahntunnel saugt wie ein großer Staubsauger alle Autos an, die in ihn hineinfahren. Die Bitburger-Flasche, die kurz nach dem EM-Finale aus dem Berliner Olympiastadion schießt, zeigt die spanische Flagge – versehen mit Glückwünschen: Die Fortschritte von 3D- und CGI-Technologien (Computer Generated Imagery) haben das Spielfeld der Außenwerbung revolutioniert.

Inzwischen können wir scheinbar Out-Of-Home-Kampagnen umsetzen, die früher technisch oder rechtlich nicht möglich gewesen wären. Doch was heißt FOOH überhaupt? „Fake Out of Home“ bezeichnet digitale Werbung, die vorgibt, im öffentlichen Raum zu sein, obwohl sie nur virtuell existiert. Anzeigen werden mittels Bildbearbeitung oder CGI in Bilder oder Videos integriert und oft in sozialen Medien geteilt, um virale Effekte zu erzielen. Das Ganze hat Vor-, aber auch Nachteile.

Was Fake-Kampagnen können

Die Neuheit und Einzigartigkeit sind der Reiz von FOOH-Kampagnen. Marken nutzen diese Art der Inszenierung, um als First Mover Aufmerksamkeit zu erregen und auf Social Media virale Diskussionen auszulösen, ob die Kampagnen wirklich echt sind. Das wiederum führt zu mehr Reichweite und steigert die Werbeerinnerung.

Außerdem können beispielsweise historische Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, oder Veranstaltungsstätten mit FOOH digital in Werbekampagnen einbezogen werden, ohne dass physische Veränderungen notwendig sind. So können Marketer die Besonderheiten ikonischer Orte für einen starken Erinnerungswert der Kampagne nutzen, ohne in die reale Welt einzugreifen. Zudem kann eine Fake-OOH-Kampagne sofort gestoppt werden, wenn sie negativ polarisiert – klassische 18/1-Plakatwände müssen erst neu tapeziert werden und das wird bei einer großflächigen Plakatierung teuer.

Die geringeren Kosten von Fake-Out-of-Home-Inszenierungen – vor allem im Gegensatz zu traditionellen Methoden – machen sie für eine breitere Palette von Marken und Budgets zugänglich. Denn wenn die Installation in der Realität nicht existiert, muss auch keine Werbefläche gebucht werden – wobei es durchaus Sinn macht, eine Fake-OOH-Umsetzung mit klassischen OOH-Flächen zu ergänzen, um die Werbewirkung zu erhöhen.

Herausforderungen für Marketer

Dennoch ist die Frage nach Authentizität und ethischen Grenzen bei Fake-Kampagnen ein zentrales Thema. Die Nutzung historischer Gebäude, um bei diesem Beispiel zu bleiben, erfordert eine sorgfältige Abwägung – je nach Marke und Thematik. Passen die Themen oder Marken nicht zum Ort, besteht das Risiko, dass nicht nur der gewünschte Effekt verloren geht, sondern auch negative Konsequenzen entstehen wie Imageverlust oder starke Kritik an der Marke.

Auch wenn sie für viel Aufsehen sorgt, reicht eine isolierte FOOH-Installation letztendlich nicht aus, um die volle Wirkung einer Kampagne zu entfalten. Sie muss mit anderen Kanälen, insbesondere digitalen Medien wie Social Media, Blogs, Online-Foren und Communities, Websites etc. verbunden werden – für eine breitere und intensivere Interaktion mit der Zielgruppe. So fangen Brands das Interesse an der Kampagne ein, fördern die Kaufaktivierung und Informationsverbreitung. Eine erfolgreiche Kampagne setzt also auf eine Kombination aus verschiedenen Medien, um maximale Aufmerksamkeit und Engagement zu erzielen.  

Ein entscheidender Faktor für die Bekanntheit einer Fake-Kampagne ist die verstärkte Reichweite durch soziale Medien. Sie potenzieren die Wirkung von Fake-Außenwerbung, indem sie User:innen ermöglichen, zu interagieren – Kampagnen weiterzutragen und online darüber zu diskutieren, um sie im besten Fall viral gehen zu lassen. So wie bei Bitburger. Flankierend zur FOOH-Maßnahme, bei der die überdimensionale Bierflasche aus dem Olympiastadion schießt, griff eine weitreichende Social-Media-Kampagne die Euphorie der WM auf. Das Ergebnis: 10,6 Millionen Views und das in nur wenigen Tagen.

Klingt einfach zu realisieren? Die Umsetzung einer FOOH-Kampagne erfordert nichtsdestotrotz einen anspruchsvollen und präzisen Prozess, der modernste CGI-Technologie, kreative Ideen und strategische Planung vereint. Von der Konzeption und Planung über das Filmen authentischer Aufnahmen des Originalschauplatzes aus verschiedenen Blickwinkeln bis hin zur 3D-Modellierung, Animation und Postproduktion – der Weg zum fertigen Endprodukt ist lang und detailreich. Doch mit einem guten Team, kreativen Ideen und dem technischen Know-how sind die Möglichkeiten von FOOH praktisch grenzenlos.

Zukunft der Außenwerbung oder kurzlebiger Hype?

Die ersten Umsetzungen haben noch überrascht, mittlerweile hat Fake OOH allerdings seinen News-Faktor verloren. Der Wow-Effekt bleibt aus, da viele Kampagnen bereits bekannt sind und derzeit ähnlich gestaltet werden. Kampagnen, wie die Bitburger-Flasche oder Maybellines Mascara-Bürste, blieben jedoch in den Köpfen hängen, indem sie mit Unterstützung von Onlinewerbung und Social Media viral gingen.

In Zukunft könnten FOOH-Kampagnen durch den Einsatz von Augmented Reality (AR) noch interaktiver und personalisierter werden. Passant:innen könnten dann über ihre Smartphones mit den Installationen interagieren und dabei – unterstützt durch Daten und KI – maßgeschneiderte Inhalte erleben. Globalen Marken wäre es somit möglich, ihre FOOH-Kampagnen gleichzeitig in mehreren Städten zu starten, um weltweit ein konsistentes Markenerlebnis zu schaffen.

Obwohl FOOH also kein Megatrend der Außenwerbung ist, hat die kreative Werbeform das Potenzial, ein wichtiger Bestandteil von Onlinewerbung zu werden – vor allem in Kombination mit anderen Werbeformen. Sie vereint die intelligente Integration moderner Trends und aktueller Technologien. Zudem bricht sie mit Konventionen und schafft dadurch hohe Aufmerksamkeit für Produkte oder Marken.

Dieser Artikel erschien zuerst im OOH Magazin.

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