Weihnachten ist bekanntlich ein Anlass, zu dem man das Mobiltelefon mal für mehr als 15 Minuten aus der Hand legen könnte, um sich in der offline Welt so richtig wohl zu fühlen. Warum das allerdings ein schwerer Fehler wäre, erfahren Sie in den SEO-News für den Monat Dezember.

Draußen vor der Tür

Schon häufiger war an dieser Stelle von Googles Vision einer allgegenwärtigen Orientierungs-, Lösungs- und Komfortmaschine die Rede. Die Vermessung der Welt nach Entitäten als Grundlage zur echtzeitlichen Einordnung sämtlicher, individueller Befindlichkeiten ist ein Projekt, dessen Anspruch kaum größer sein könnte. Um die Bedürfnisse jedes einzelnen Individuums  kennen und bedienen zu können, muss man als Unternehmen aber auch ganz nah ran an den Menschen.

Für dieses Ansinnen ist der Kanal Search geradezu prädestiniert, denn er ist von Haus aus der ganz natürliche digitale Partner des Menschen. Dem Eingabefeld einer Suchmaschine vertraut ein Großteil der Menschen ihre intimsten Geheimnisse, größten Ängste und heimlichen Leidenschaften bedenkenlos an. Für Unternehmen, Webmaster und SEOs wird die Herausforderung, aus diesem sozialen Potential einen echten Nutzen zu generieren, allerdings immer größer. Bezahlte Anzeigen, Antwortboxen als Featured Snippet oder die beliebten „Nutzer fragen auch“-Fragen – ihnen allen ist gemeinsam, dass sie das klassische, organische Klickergebnis von den obersten Positionen der Suchergebnisseite verdrängen. Dies ist die Schattenseite Googles Metamorphose von einem Durchgangstor zu einem Portal für alle Lebensfragen und -lagen.

Die Chance der lokalen Suche

Eine goldene Ausnahme dieser aktuellen Entwicklung bildet jedoch die lokale Suche. Frisch gestärkt durch ein Algorithmus-Update zur besseren Erkennung lokaler Anfragen und dank seiner prominenten Darstellung mit Umgebungskarte, Routenplaner und Nutzerkritiken, mausert sich das sogenannte „Local Pack“ zum wichtigsten Inventar, welches die Suchmaschine aus Mountain View dem stationären Handel derzeit zu bieten hat. Doch als elektronische Visitenkarte hat das Local Pack noch viel mehr zu bieten. Als Filialbetreiber kann man in einem Chat direkt mit potenziellen Kunden kommunizieren, individuelle Fragen und Antworten bereitstellen sowie aktuelle Events und Unternehmensnachrichten als sogenannte „Posts“ publizieren. Als Schnittstelle dient nach wie vor der „Mybusiness“-Dienst. In Zukunft aber werden lokale Interaktionen mit echten Menschen wichtiger für das Ranking, denn auch in der lokalen Suche ist Spam kein Fremdwort.

Ein aktuelles Patent zeigt, dass Google neben online Check-Ins und Kritiken auch offline Verhalten von Usern mit in seine Qualitätsbewertung lokaler Unternehmen einbeziehen will. So sollen laut dem Papier insbesondere Bewegungsmuster individueller Nutzer oder EXIF-Daten aus hochgeladenen Fotos Rückschlüsse auf die Qualität und Relevanz der lokalen Einträge zulassen. Dies lässt viel Spielraum für die Fantasie, wie die klassische SEO-Arbeit am Computer sich zukünftig auch in die echte Welt verlagern könnte. Neben Optimierung von Technologie, Struktur und Inhalten auf der Website, sind künftig kluge Strategien für gute Signale aus der Offline-Welt Suche gefragt. Da wird die gratis Tasse Kaffee für einen längeren Aufenthalt im Laden an der Ecke schon sehr bald zum Instrumentarium des modernen Suchmaschinenoptimierers gehören.

Der besondere Blick

Damit auch der Ausblick am Jahresende nicht zu kurz kommt, schauen wir in den letzten SEO News des Jahres 2019 noch einmal ganz tief in die nächstbeste Handykamera. Hier entdecken wir ein kaltes, elektronisches Auge, hinter dem im Unterschied zu HAL 9000 aus Stanley Kubricks Film „2001“ jedoch kein Oberlehrer-Supercomputer steckt, sondern seit neuestem eine Suchmaschine. Bereits integriert in der aktuellen Generation von Android-Mobiltelefonen und getrieben von Konzernen wie Microsoft, Google, Amazon und Pinterest, werden wir im kommenden Jahr sehen, dass die schnellste Verbindung vom Hirn zum Portemonnaie des Nutzers weder Ohr noch Mund sind, sondern das Auge.

Die Ausbreitung von Technologien, die eine offene Suche mit Hilfe von visuellen Informationen ermöglichen, schreitet nun auch in Europa  und Nordamerika voran, einige Jahre nachdem chinesische Suchmaschinen wie Alibaba und Baidu auf diesem Gebiet wichtige Pionierarbeit geleistet haben. Durch den Fortschritt bei der Entwicklung künstlicher Intelligenzen und der Sammlung immer umfangreicherer Datenmengen, wird es für den Nutzer immer leichter, Suchanfragen durchzuführen, die mit Hilfe von Text oder auch Sprache nur schwer zum Ausdruck zu bringen wären.

Als wichtigster Treiber für Visual Search wird sich jedoch erweisen, dass die optische Suche der ideale Partner für den E-Commerce ist. Die US-amerikanische Modekette Forever 21 konnte den durchschnittlichen  Warenkorbwert im Onlinehandel mit dem Start ihres Visual Search Tools um rund 20% steigern. Das Inspirationsportal Pinterest gab jüngst bekannt, dass rund 80% seiner Nutzer ihre Shopping-Sitzung mit einer visuellen Suche beginnen. Die Verkürzung der Customer Journey in der jungen Zielgruppe von 18 bis 34 Jahre ist ein machtvoller Faktor im Kampf um Online-Umsätze. Der Weg vom „Ich will“ zum „Ich habe“ ist bald nur noch einen Kameraklick entfernt. Für die Suchmaschinenoptimierung bedeutet dies, dass man die Content Strategie um eine visuelle Dimension erweitern und die technische Bereitstellung von Bild- und Videodateien innerhalb digitaler Assets optimieren sollte. 2020 werden wir aber nicht nur die Ausbreitung der visuellen Suche erleben, sondern auch Zeuge der ersten Schritte auf dem Weg zu einer multimodalen Suchmatrix aus Text, Sprache, Kamera und (offline) Kontext werden. Bleiben Sie daher am Ball und unserer kleinen Kolumne gewogen und vor allem: Kommen Sie gut hinein ins neue Jahr.

Dieser Artikel erschien zuerst bei internetworld.de.

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