Die Dynamik in den großen Wachstumsmärkten ist kaum zu übertreffen. Denn vieles ändert sich gleichzeitig. Internationale Marken und neue lokale Champions jagen sich gegenseitig Marktanteile ab. Ganze Entwicklungssprünge bei Elektronik, Autos und Fintech wirbeln Märkte durcheinander. Hinzu kommen Verbraucher, die rasch dazulernen, wenig loyal sind und sich schon früh sicher genug fühlen, auch weniger bekannte Marken auszuprobieren. Das macht die Kundenbindung zu einem Problem. Klassische Kampagnen zur Markenbindung scheitern in den großen Schwellenmärkten häufig. Das hat auch damit zu tun, dass die Verbraucher auf der Premiumleiter rasch nach oben klettern. Sie schrauben ihre Erwartungen ständig in die Höhe und wollen ihren neuen Status zur Schau stellen.

Marketingmanager haben es mit äußerst beweglichen Zielgruppen zu tun. Die Markenbindung gibt ihnen oft Rätsel auf: Was veranlasst Kunden, ihrer aktuellen Marke treu zu bleiben? Spielt der kulturelle Hintergrund eine wichtige Rolle? Viele Fragen, aber nur eine Gewissheit: In einem Umfeld wie in den großen Wachstumsmärkten müssen Produkt- und Markenmanager ihre Kunden besonders genau kennen. Wichtige Tipps dazu geben Dr. Niklas Schaffmeister (Managing Partner Globeone) und Florian Haller (CEO Serviceplan Gruppe). Die Details dazu sind nachzulesen in der Springer-Neuerscheinung „Erfolgreicher Markenaufbau in den großen Emerging Markets“ der beiden Autoren.

1. Erst Poleposition, dann Plattfuß: Wie VW sich mit einer Portfoliodehnung aus der Schlinge zog

Volkswagen China ist ein gutes Beispiel, wie wichtig die Kundenbindung in den BRICS ist und welcher Druck auf ein Unternehmen entstehen kann. Nach dem Markteintritt in den 80er Jahren gelang es VW zunächst, mehr als 50 Prozent Anteil zu erobern. Doch nach der Öffnung des Marktes im Zuge des WTO-Beitritts 2001 sank der Marktanteil der Wolfsburger unter 20 Prozent. Trotzdem gelang es dem Unternehmen, die Nummer eins in China zu bleiben. Und das, obwohl die Zahl jener Käufer wächst, die bereit sind, sich größere Autos zu kaufen, oder mit anderen Marken zu experimentieren. Die Markenbindung erreicht in westlichen Automärkten etwa 80 Prozent. In China beträgt sie lediglich zehn Prozent. In China erwirbt inzwischen ein Drittel der Käufer das zweite oder dritte Auto. Das macht die Kundenbindung zu einer riesigen Herausforderung. VW hat darauf geantwortet, indem der Konzern sein Modellportfolio deutlich erweiterte, damit die Kunden eine größere Auswahl haben und sich von Kauf zu Kauf „verbessern“ können (Trading-up). Zudem wurde eine Bindungsstrategie entwickelt. Dazu gehört eine standardisierte Erfassung der wichtigsten Erwartungen und der Bindungstreiber. Zudem wurde eine Strategie für das After-Sales-Management (CRM) entwickelt und die Verbrauchermotive eingehend analysiert.

2. „Malina“ und der Kartentrick: Mit Kooperationen die Bindung steigern

Es gibt zahlreiche gelungene Beispiele für erfolgreiche Kundenbindungsprogramme in den BRICS-Ländern. Eines davon ist die „Malina“-Kampagne in Russland für fünf Partner, die alle Marktführer ihrer jeweiligen Produktgruppe waren. Teilnehmer waren unter anderem die Restaurantkette Rosinter, das Telekom-Unternehmen Vympelcom und die Tankstellenkette BP-TNK. Gemeinsam mit Visa Card gaben sie im Rahmen von Malina eine Kreditkarte heraus. Alle Familienmitglieder der Kartenbesitzer konnten Punkte auf einem gemeinsamen Konto sammeln und Prämien verdienen. Im ersten Jahr nach dem Start des Programms wurden 2,1 Millionen Karten ausgegeben. Nach zwei Jahren war Malina das führende Bindungsprogramm in Russland. Die Rosinter-Restaurants und TGI Friday’s, ein weiterer Partner der Initiative, erlebten einen zweistelligen prozentualen Anstieg des Transaktionsvolumens ihrer Karten

3. Besondere Vergünstigungen: Kunden genießen Privilegien

Laut einer Umfrage von EY ist die Loyalität von Kunden in Indien nur halb so groß wie in Europa und den USA. Wie also soll man wechselwillige Kunden halten? Die COLLOQUY Cross-Cultural Loyalty Study, ein globaler „Bindungskompass“, der Verbrauchereinstellungen in Australien, Kanada und den USA sowie in den aufstrebenden Ländern Brasilien, China und Indien untersuchte, liefert hilfreiche Erkenntnisse. Die Studie bestätigt, dass Konsumenten in den Emerging Markets drei Mal so häufig „besonderen Service“ wie Vergünstigungen und Privilegien verlangen. Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: fast drei Mal so viele Käufer in den Schwellenmärkten erklären, dass sich die Treue zu ihren bevorzugten Marken auszahlt. Das ist ein klarer Beweis für das Potenzial, das in Kundenbindungsprogrammen steckt. Vorzugsbehandlungen und Prämien werden von Kunden überall auf der Welt geschätzt. Aber nirgends ist der Wunsch nach dem VIP-Treatment so groß wie in den Wachstumsmärkten.

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