„Ich bin da, wo meine Füße stehen“
Ihre Leidenschaft fürs Kochen entdeckte sie eher zufällig. Heute ist Sarah Wiener die bekannteste Starköchin im deutschen Fernsehen, Gründerin einer Stiftung, die Kindern gesundes Essen näherbringt, und sie betreibt Bio-Landwirtschaft. Ein sehr persönlicher Essay über Erfolge, Fehlschläge und gute Vorsätze.
Ich habe ganz unkonventionell angefangen. Ohne Abitur und ohne Ausbildung bin ich erstmal ziemlich planlos durch Europa getourt. Von Zuhause, wo meine alleinerziehende Mutter gut zu tun hatte uns drei Geschwister durchzubringen, konnte ich dabei keine finanzielle Unterstützung erwarten. Meine Mutter hatte aber immer Vertrauen, dass ich meinen Weg gehen werde. Sie hat jede meiner Ideen unterstützt – wenn auch oft mit eingeschränkter Begeisterung.
Als ich mit 23 alleinerziehend mit einem Säugling in Berlin, wo ich inzwischen lebte, Sozialhilfe beantragen musste, hat mich das nachhaltig auf den Boden der Realität geschmissen, und ich wollte endlich mein chaotisches Leben in den Griff bekommen. Vor meiner Schwangerschaft hatte ich in den Berliner Künstlerrestaurants meines Vaters, dem „Exil“ und dem „Axbax“, als Küchenhilfe und Beiköchin gearbeitet. Das kam eigentlich eher zufällig, ich brauchte eben Geld. Da hatte ich mit Begeisterung nebenbei den Köchen und Bäckerinnen über die Schulter geschaut und enorm viel gefragt und gelernt. Und ich hatte gemerkt, dass mir beim Kochen und Backen, Abschmecken und Ausprobieren das Herz aufging.
Ich habe dann in zahlreichen anderen Küchen gearbeitet. Die Freude an Geschmack, an Gerüchen von Speisen, Gewürzen und guten Zutaten haben mich begeistert und gefesselt. Vor allen Dingen etwas eigenständig und kreativ zu erschaffen war eine große Befriedigung. Die enormen Arbeitszeiten und der Stress waren allerdings natürlich oft ermüdend.
Der Entschluss, ein Filmcatering zu gründen, war die Konsequenz einer Idee, ohne dass ich wusste, worauf ich mich da eigentlich einlasse. Ich habe von meinem ersten Kredit einen NVA-Laster gekauft, bin von Filmset zu Filmset gefahren und habe Tag und Nacht gekocht. So bin ich bisher fast alle meine Projekte angegangen. Eine gute Idee muss man haben, auf sein Bauchgefühl hören und alle Kraft dransetzen, das zu machen, wofür man Leidenschaft entwickelt. Ich kann es auch gar nicht anders; ich habe ja nicht gelernt, wie man Businesspläne schreibt und umsetzt. Ich bin eine Pragmatikerin.
Am wichtigsten sind die Menschen, mit denen man sich umgibt. Je größer die Unterfangen wurden, desto mehr helfende Hände und planende Köpfe sind zum Team dazugekommen. Meine wilde Entschlossenheit wurde oft mit Erfolg belohnt, oft aber auch nicht. Ich glaube, ich habe jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Mit den Mitarbeitern, mit Aufträgen, mit Einschätzungen und mit Geld. Das waren wilde, harte und aufregende Zeiten. Wie das Leben so ist.
Parallel passierte noch vieles andere, aber um alles zu erzählen, müsste ich einen Roman schreiben. Zum Beispiel habe ich vor zehn Jahren eine Stiftung gegründet: die Sarah Wiener Stiftung „Für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen“. Ziel der Stiftung ist es, Pädagogen die richtigen „Werkzeuge“ und das Know-How zur Verfügung zu stellen, damit sie Kindern in Schulen und Kitas das Kochen beibringen.
2015 habe ich gemeinsam mit zwei Partnern (und der Bank) Gut Kerkow, eine Biolandwirtschaft, erworben. Ich glaube, in mir steckte von Anfang an eine kleine Bäuerin. Zumindest eine Gärtnerin, die die Natur liebt, und die es braucht, in der Erde zu wühlen. Eigene Lebensmittel erzeugen zu können, ist für mich das höchste und befriedigendste Glück!
Beim Hof hat mich vor allem eines motiviert: Ich wollte in der besten aller Welten alles, was ich esse, selber anbauen. Und ich wollte das, was ich von anderen fordere, nämlich Landwirtschaft in Einklang mit der Natur, den Menschen und den Tieren, selbst in die Realität umsetzen, um ein Gegenbeispiel zur Agroindustrie zu schaffen, welche leider unser aller Zukunft durch Massentierhaltung, Bodenabnutzung und Grundwasserverschmutzung verunmöglicht.
Ich habe mich zu diesem Schritt entschlossen, weil ich es als wichtig empfunden habe und begeistert von der Aufgabe war. Anpacken, verändern, loslegen, learning by doing, aber auch: Von anderen lernen, abgeben und vertrauen. Ich habe nie Öko-Landbau studiert oder eine landwirtschaftliche Lehre gemacht, aber mir mit der Zeit eine Menge Theorie angeeignet. Dazu kommen meine Vorstellungen von richtig und falsch. Heute haben wir 100 Aberdeen-Angusrinder, 90 Milchkühe und 40 Sattelschweine. Wir schlachten eigenhändig auf dem Hof in einer Fleischerei und betreiben einen Hofladen sowie einen Online-Shop.
Vom Hof, meinen MitarbeiterInnen und den Tieren lerne ich auch eine neue Fähigkeit: Geduld! Also, ich versuche es zumindest. Der Hof ist ein Projekt, das mit den Jahreszeiten und der Natur in Einklang lebt. Keine schnellen E-Mails und Ad-hoc-Entscheidungen, die man virtuell zack zack umsetzen kann. Hier sind viele Faktoren involviert: das Wetter, meine Partner, Mitarbeiter, die Tiere, die Zyklen der Natur… Veränderungen brauchen hier einfach ihre Zeit.
Mein Mantra dieses Jahr lautet „Fokussierung, Klarheit und Konsequenz“. Und das lebe ich ganz praktisch. In meinem Büro habe ich zum Beispiel zusammen mit meiner Referentin und meiner Assistentin, die meinen geschäftlichen und privaten Alltag organisieren, einen medienfreien Nachmittag eingeführt. So hat man wenigstens einmal in der Woche Zeit, um sich über neue Anfragen, Projekte und Ideen auszutauschen.
Für mich selbst habe ich mir vorgenommen, nicht die Ansprüche anderer zu meinen eigenen zu machen. Dies diszipliniert durchzuhalten ist jedoch nicht immer einfach. Ich bekomme viele Anfragen, von denen ich denke, dass sie wichtig und interessant sind oder Spaß machen. Um Herrin meiner eigenen Zeit und Handlungen zu bleiben, darf ich allerdings nicht zu oft nachgeben. Nicht jedes Jahr wird ein neues Projekt von mir in den Zeitungen stehen. Ich werde keine Angst haben, dass jede Chance und Anfrage genutzt werden muss, weil man ja nie weiß, was morgen ist.
Ich finde gerade heraus, wer ich bin, und ob das deckungsgleich mit meinem Handeln ist. Das ist nicht immer so einfach. Oft sag ich mir dann: Ich bin da, wo meine Füße stehen – und das hilft auch schon.
Sarah Wiener beim „Roten Salon“
Sarah Wiener war in diesem Jahr Gast beim „10. Roten Salon“ in Berlin, einem Event-Format der Serviceplan Gruppe für Top-Managerinnen. Der „Rote Salon“, vor fünf Jahren von sechs engagierten Frauen der Serviceplan Gruppe initiiert, bietet Raum für geistvoll-gelassene Begegnungen in kleinstem Kreis und auf höchstem Niveau. Intellektuell anregend und kultiviert inspirierend. Überraschende, durchaus kontroverse Referentinnen aus anderen Welten und Berufen jenseits unserer marketinggetriebenen Alltagsprofessionalität sind eingeladen, uns – und das heißt einer weiblichen Führungselite im Bereich Marketing und Kommunikation – wertvolle Impulse zu geben, Perspektiven zu wechseln, in Verbindung zu kommen mit Menschen und Ideen, die uns neu herausfordern. Der Kreis der Teilnehmerinnen ist handverlesen und auf 30 Frauen pro Veranstaltung begrenzt, um dem Anspruch an Intimität und eine vertrauensvolle Atmosphäre gerecht zu werden.
Wer steht heute hinter dem „Roten Salon“?
Vier Führungskräfte aus dem Haus der Kommunikation, die an die Qualität des Menschlichen glauben und den Begegnungen in der Business-Welt einen anderen Charakter geben wollen:
Constanze Rohrmann
Leiterin Business Relations
Serviceplan Gruppe
Karin Maria Schertler
Geschäftsleiterin
Serviceplan Gruppe
Regina Schwob
Geschäftsführerin
Mediaplus Gruppe
Christiane Wolff
Chief Corporate Communications Officer
Serviceplan Gruppe
Sarah Wiener
Köchin und Unternehmerin
Starköchin Sarah Wiener verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Wien und lernte ihr Handwerk Ende der 70er-Jahre in den Künstlerrestaurants ihres Vaters in Berlin. Inzwischen führt sie ein erfolgreiches Catering-Unternehmen, ein Restaurant mit ausschließlich regionalen Zulieferern und eine Bio-Holzofenbäckerei. Neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit engagiert sich die Köchin auf vielen Gebieten. Kinder für gute Ernährung zu begeistern, ist ihr ein besonderes Anliegen. Mit ihrer Stiftung hat Sarah Wiener 2016 unter dem Motto „Ich kann kochen!“ Deutschlands größte Ernährungsinitiative im Rahmen des Präventionsgesetzes gestartet. Darüber hinaus tritt sie öffentlich für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen sowie für ein ethisch-ökologisches Ernährungsbewusstsein in unserer Gesellschaft ein. Um den Kreislauf vom Acker auf den Teller zu schließen, hat sich Sarah Wiener einen Jugendtraum erfüllt und ist gemeinsam mit Partnern auf dem uckermärkischen Gut Kerkow unter die Bauern gegangen.
Sarah Wiener war Speakerin beim 10. Roten Salon – einem Event-Format der Serviceplan Gruppe für Top-Managerinnen – in Berlin und erhielt für ihren sehr persönlichen Vortrag zum Thema „Zukunft gestalten“ viel Applaus.