Mit der Fachzeitschrift W&V sprach Matthias Harbeck, Geschäftsführer der Serviceplan Agenturholding, über den Einsatz von Dialekt in der Werbung.

  • Werbung in Mundart scheint angesagt zu sein: Eine New Yorker Modekette verkauft ihre Filiale auf der Stuttgarter Königstraße als „New Yörkle“, Seitenbacher-Chef Willi Pfannenschwarz plärrt ungefiltert auf Schwäbisch im Radio und Aldi bezeichnete sich während der Wiesn-Zeit selbst als „Oidi“. Kann man von einem neuen Trend sprechen, nimmt die Zahl an Mundart-Kampagnen zu?

    Matthias Harbeck: Von einem neuen Trend würde ich nicht sprechen. Flensburger und Astra etwa sind Kampagnen, die schon lange laufen. Beide sind auch nicht zufällig Biermarken, die oft versuchen ein regionales Heimatgefühl für sich zu nutzen. Aber es stimmt schon: Dialekt und Heimatbezug scheinen in der Werbung zuzunehmen. Warum? Ein Gegentrend zur Globalisierung. Je größer, anonymer und unübersichtlicher unsere Welt erscheint, desto stärker wird die Sehnsucht nach Heimat, Ursprünglichkeit und Authentizität. Das gilt übrigens auch für andere Lebensbereiche wie die Politik: Nach dem eher international orientierten Obama war Trumps „America first“ leider ein guter Schlachtruf für die vielen gefühlten Globalisierungsopfer in der amerikanischen Provinz.

  • Was können Werbungtreibende damit gewinnen? Wie profitieren Marken davon?

    Matthias Harbeck: Dialekt erzeugt Nähe und Identifikation, Dialekt baut Barrieren ab. Wer so spricht wie ich, dem bringe ich einen gewissen Vertrauensvorschuss entgegen. Marken können so schnell sympathisch werden und eine tiefe und lange Bindung erzeugen, selbst dann noch, wenn die Konsumenten aus einer anderen Dialekt-Region kommen. Die kreativ wirklich unsäglichen Seitenbacher-Spots etwa verströmen selbst für manchen Nicht-Schwaben eine verführerisch spießige Behaglichkeit. Das Schwäbische dünstet hier „Familienbetrieb“ aus, persönliche Anteilnahme, Fürsorge. Alles Attribute, mit denen sich ein Vertrauensprodukt wie ein Müsli gut verkaufen lässt.

  • Was müssen Kampagnen-Macher/Werbungtreibende unbedingt beachten, damit Mundart-Marketing nicht in die Hose geht? (Beispiel Shitstorm für Oidi/Aldi)

    Matthias Harbeck: Das entscheidende Kriterium ist Glaubwürdigkeit. Wenn Fehler in der Dialektsprache gemacht werden, weil man so oder so einfach nicht spricht, entlarvt sich Dialekt sofort als unlautere Anmachmasche und wird schroff abgelehnt. Also: Genau hingucken bzw. hinhören, liebe Texter. Dann: Je mehr eine Marke glaubwürdig eine regionale Haltung vertreten kann, umso besser. Regionale Marken haben es hier natürlich von vornherein leichter als international agierende Konzerne wie Aldi. Wenn sie’s geschickt anstellen, können aber auch überregionale Marken für kleine Dialekt-Schmunzler sorgen. Im Münchener Hauptbahnhof z.B. hing zur Wiesn-Zeit ein Plakat mit der Line „O’knackt is“. Jeder weiß natürlich, dass Ritter Sport keine Münchner Marke ist (und ahnt, dass in Frankfurt und Berlin zeitgleich Plakate mit Frankfurt- und Berlinbezug hängen), aber eine solche Spielerei nimmt ihr keiner übel. Im Gegenteil, zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Dosierung empfindet man es als charmant.

  • Welche Risiken birgt das Thema, wie können Marken sich beschädigen?

    Matthias Harbeck: Ein einmal erlittener Glaubwürdigkeitsverlust ist so schnell nicht wieder gut zu machen. Wie im echten Leben empfinden Menschen eine erschlichene, falsche Nähe schlimmer als einen Auftritt, der vielleicht eine Spur zu kühl daher kommt. Im Zweifelsfall also: Finger weg von anbiederndem Dialekt. Echt muss es sein. Und bitteschön auch echt lustig und leicht. Was wiederum nicht gerade leicht ist.