Folarin Ayomide

Copy Writer, Serviceplan Middle East

Posts

Niemand möchte das Schicksal von Kodak erleiden. Das Unternehmen galt in seiner Branche als unangefochtener Marktführer, verpasste es dann aber, auf der Höhe neuer Entwicklungen zu bleiben. Kodak gilt als Paradebeispiel dafür, wie man als Unternehmen nicht agieren sollte. Und während sich auch heute noch viele Firmen beharrlich weigern, Konzepte zu entwickeln, um nicht eines Tages ebenfalls auf dem Abstellgleis zu landen, haben sich viele das Scheitern von Kodak zu Herzen genommen.

So etwa auch Instagram: Als Vine bei den Social Media immer mehr Marktanteile gewann, hielt Instagram mit einer eigenen Video-Funktion dagegen. Und da nun Snapchat mit täglich schätzungsweise 100 Mio. Nutzern, von denen 65 % aktiv Inhalte posten, den Höhepunkt seiner Beliebtheit erreicht, bietet Instagram mit Instagram Stories ein Feature an, das sich an der Hauptfunktion des Konkurrenten orientiert.

Auf den ersten Blick ist das natürlich fraglos eine sinnvolle Antwort. Der Umsatz einer kostenlosen Social-Media-App ist von den Möglichkeiten abhängig, den Nutzern möglichst viele Werbeanzeigen zu präsentieren. Dies erfordert natürlich eine regelmäßige Nutzung der App. Es gilt alle Hindernisse für eine Interaktion mit dem Programm zu beseitigen. Laut Kevin Systrom, Mitbegründer und CEO von Instagram, wurde dem Instagram-Feed mit einer gewissen respektvollen Zurückhaltung begegnet, was einer regelmäßigen aktiven Nutzung entgegenstand. Dies führte zum so genannten Finstagram-Trend. Viele Nutzer – vor allem junge Frauen – legten Zweitaccount an, über die sie Inhalte regelmäßiger und weniger auf Präsentation bedacht mit einem engeren Kreis teilen.

Instagram Stories wurde also ins Leben gerufen, weil Systrom und sein Team einige ungeschriebene Regeln umgehen mussten, die die Nutzer von regelmäßigen Posts abhielten. Mit einer Funktion, die sich so stark an der Ungezwungenheit von Snapchat orientiert, können Nutzer laut Systrom

„… ihrer Kreativität in diesem neuen Format freien Lauf lassen. Wenn es bei Instagram darum geht, Höhepunkte ins perfekte Licht zu rücken, füllen wir mit diesem Angebot nun die vorhandene Lücke. Alle Augenblicke sollen eingefangen werden, nicht nur die besten.“

Doch genau das könnte problematisch werden. Einerseits wird so dem Problem der sinkenden Zahlen durchschnittlicher Posts pro Nutzer begegnet, andererseits könnte die Lösung dieses Problems auf Kosten von dem gehen, was die Attraktivität von Instagram vor allem ausmacht. Die Beliebtheit der App gründet darauf, dass man dort schöne, perfekt komponierte Bilder von kreativen professionellen wie auch Hobby-Nutzern findet. Dank zahlreicher Filter kann sich mithilfe dieser App jeder Smartphonebesitzer als Künstler, Fotograf oder Model fühlen – oder dazu werden. Die App inspiriert in besonderem Maße zu künstlerischen Ambitionen.

Stories könnte jedoch der Anfang vom Ende werden, auch wenn es sich nur um ein Feature der App handelt. Es könnte der Punkt sein, ab dem über Instagram nur noch beständig banale Inhalte verbreitet werden. Die Kernnutzer von Instagram könnten sich daher auf lange Sicht von der Plattform abwenden.

Aber das sind alles nur Vermutungen. Zu erwähnen ist hierbei, dass es natürlich nicht zum ersten Mal grundlegende Veränderungen an den Funktionen des Produkts gibt. Anfangs hieß die Anwendung Burbn und diente vor allem als Location-Check-In-App. Aber nach längerer Beobachtung des Nutzungsverhaltens bemerkte das Erfinder-Team etwas Interessantes: Es wurde weniger die Check-In-Funktion als vielmehr die Funktion zum Teilen von Fotos genutzt. Daraus entwickelte sich schließlich Instagram, wie wir es heute kennen. So gesehen bleibt man sich bei Instagram durch die jüngste Neuausrichtung treu.

Schließlich sind Nutzer auch wankelmütig, und so werden heute noch beliebte Social-Media-Apps möglicherweise schon wenig später mit Missachtung gestraft und sorgen nur noch für gleichgültiges Achselzucken. So fristet beispielsweise Bebo schon seit langem ein vergessenes Dasein in der Anonymität des Internet, ein Schicksal, das auch Myspace ereilte, weil das Potenzial der Musikfunktionen der Plattform trotz der Unterstützung von Superstar Justin Timberlake nicht genutzt werden konnte. Sogar die beiden Säulen moderner Social Media bleiben von dieser Entwicklung nicht verschont: Facebook laufen Berichten zufolge die jungen Nutzer davon und der Wachstumsstopp von Twitter löst Panik bei den Investoren aus. Und viele der neuen Akteure wie Ello und Medium haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich eine einfache Frage: Ist es besser, sich anzupassen, um möglichst viele Nutzer zu erreichen? Oder sollte man sich lieber darauf konzentrieren, das weiterzuentwickeln, was einen überhaupt erst erfolgreich gemacht hat?

Leider kenne ich auch die Antwort nicht. Wir werden wohl abwarten müssen, wie diese Geschichte ausgeht.

Dieser Artikel wurde auch als Gastbeitrag bei W&V veröffentlicht.

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