Ich habe inzwischen zu viele erstaunliche Studien und Veröffentlichungen in meinem beruflichen Leben gesehen, um noch ernsthaft überrascht zu werden. Aber bei der Überschrift Wird Native Advertising zum Totengräber der Display-Ad? wurde ich dann doch mal wieder neugierig.

Meine Erwartungen wurden allerdings ziemlich enttäuscht: Die Untersuchung basiert auf einer Befragung von 300 Teilnehmern des Native Ad Camps. Die wiederum sind mehrheitlich der Meinung, dass Native Ads die Zukunft gehört und sich deren Anteil am digitalen Werbemarkt bis 2020 um 150 Prozent steigern wird. Abgesehen von der Tatsache, dass man nicht erfährt, von welchem Ausgangswert wir sprechen, kann ich interessehalber auch 300 Pinguine befragen, was sie am liebsten essen – und es wird Sie überraschen: Die Antwort wird nicht Veggie-Burger oder Wiener Schnitzel sein.

Doch genug der Polemik hin zu den sachlichen Einschätzungen. Native Ads sind eine Bereicherung in der Mediaplanung und existieren seit mindestens zehn Jahren, wenn auch ohne konkreten Gattungsbegriff. In der Praxis bewährt haben sich eine Vielzahl an Variationen von Bild/Video oder Text eingebettet im Content der Seite, welche bei Interesse auf mehr oder minder glücklich gestaltete Landingpages verlinken.

Hinzu gekommen ist in Zeiten der abnehmenden Werblichkeit nunmehr eine Renaissance des Modells „Advertorial“ und allerlei anderslautender gutklingender Namen, bei denen Content des Werbungtreibenden auf Partnerseiten eingebunden wird und dann beispielsweise via Teaser, soziale Kanäle oder Einbindung in die Navigation seine Leserschaft finden soll.

Das kann funktionieren, aber wenn wir uns die aktuellen Angebote am Markt anschauen, dürfte die Ernüchterung größer als die Euphorie sein. Denn unter medialen Aspekten sind viele Angebote schlichtweg nicht wirtschaftlich. Wenn mich der Traffic auf einer solchen Seite einen Euro pro Aufruf kostet (und das kommt beim genauen Durchrechnen gar nicht so selten vor), dann ist das ein TKP von 1.000 Euro. Und da brauchen Sie dann schon sehr große Teaser-Pakete (mit entsprechender Eigenwirkung) oder sehr viele Wiederkehrer bzw. Folgeaufrufe, um eine plausible Rechtfertigung zu konstruieren. Dagegen sind Video-Seeding-Konzepte mit ungewissem Ausgang glatt ein Schnäppchen, unterliegen aber genau der gleichen Zwickmühle: Verbreitet sich egal welcher Content nach einem ersten medialen Impuls selbständig, entsteht Wirtschaftlichkeit. Im Regelfall passiert dies aber eben nicht und dann kommt man zu der Erkenntnis, dass eine Verlagerung des inhaltlichen Risikos vom Werbeträger zum Werbungtreibenden nur bedingt eine schlaue Idee war.

Für mich erwächst daraus die Bitte, genau in diesem Bereich die mediale Brille wieder stärker aufzusetzen und Konzepte zu entwerfen, die nicht nur im Salesfolder hübsch aussehen. Hierdurch entstünde dann Nachhaltigkeit und es wäre für Kunden und Agenturen leichter, sich noch stärker auf native Werbeformen einzulassen. Die können dann von mir aus 75 Prozent der Gesamtumsätze ausmachen, sich verdoppeln oder quadrieren. Die Hauptsache ist, dass sie einer Mediaeffizienz-Betrachtung standhalten.

Erschienen in Lead Digital