Es ist immer wieder ein schönes Spektakel, wenn Themen-Tsunamis über Märkte und Branchen hereinbrechen. Denn ganz ähnlich wie die unheilvollen Wassersäulen der Meere kommt auch eine solche Welle selten alleine. Nachdem man als unbedarfter Beobachter inzwischen den Eindruck bekommen haben dürfte, dass es ohne Content nicht mehr geht, es aber vor allem bis 2015 überhaupt keinen Content gab (wie haben das die alten Werbe-Germanen eigentlich gemacht?), darf auch digitale Transformation neuerdings nicht fehlen. Diese scheint es in den Erdzeiten bis inklusive 2014 auch noch nicht gegeben zu haben.

Das ist umso erstaunlicher, als doch gerade die digitale Transformation die Lebenswirklichkeiten der vergangenen zehn bis fünfzehn Jahre mehr geprägt hat als alles andere. Oder waren Sie um die Jahrtausendwende schon passionierter Online-Shopper, mobiler Dauersurfer in der U-Bahn und haben ihre Bücher auf E-Readern gelesen?

Und ähnliches gilt auch aus Unternehmenssicht: Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass früher bei Problemen mit dem Rechner der IT-Support persönlich vorbeischaute, dass Aufträge per Fax verschickt wurden und dass es behördliche Formulare nur auf dem Amt gab.

Die bloße Feststellung, dass Veränderung stattfindet und man mit der Zeit gehen muss, klingt aber einfach nicht so toll wie digitale Transformation – und ich gestehe, dass auch wir jedwede Form von konvergenter Planung unter den Sammelbegriff „Digital Transformation Planning“ zusammengefasst haben. Kurz und knapp verstehen wir darunter, dass es zu jeder „klassischen“ Mediengattung ein digitales Pendant gibt und jede Mediaplanung entsprechend crossmedial gedacht werden muss. Die einzelnen Bestandteile in Form synergetischer Mediaplanungsmodelle sind dabei nicht neu. Integrierte Bewegtbildkampagnen waren schon vor fünf Jahren eine angewandte Planungsvariante. Neu ist allerdings, dass programmatische Einkaufs- und Steuerungsmodelle gewisse Spielarten wie zeitlich synchronisierte TV- und Online-Kampagnen erst praktikabel machen.

Programmatic Advertising könnte man übrigens auch als digitale Transformation bezeichnen, wenn sie nicht schon im digitalen Raum stattfände beziehungsweise momentan noch weitestgehend darauf beschränkt wäre. Und man muss auch kein Hellseher sein, um zu der Einsicht zu gelangen, dass sich auch Werbeflächen „klassischer“ Medien in nicht allzu ferner Zukunft programmatisch aussteuern lassen. Ganz real wird an vielen Stellen bereits mit entsprechenden Modellen experimentiert, wie diverse aktuelle Ansätze im Bereich Out of Home, Radio, TV und Print zeigen.

Fest steht: Klassische Medien bleiben auch weiterhin ein wichtiger Bestandteil werblicher Kommunikation – auch wenn die digitale Nutzung und damit auch Werbung künftig natürlich weiter zunehmen werden. Denn nur weil es zu allen Gattungen eine digitale Alternative gibt, sagt dies noch nichts über den Budget-Split aus. Es muss im Einzelfall entschieden werden, mit welchem Verhältnis die höchste Mediaeffizienz erreicht wird und ob somit die Ausrichtung einen digitalen oder analogen Schwerpunkt hat.

Irgendwann werden wir einfach keine Klassifizierung mehr nach „alt“ und „neu“, „klassisch“ und „online“ oder „digital“ und „analog“ vornehmen. Prozessual gesprochen werden die digitalen und klassischen Planungen weiter zusammenwachsen und ein stetiger kreativer Umgang mit den sich weiterentwickelnden Möglichkeiten der Schlüssel zum Erfolg sein.

Zur Beruhigung all derer, die glauben, was verpasst zu haben, sei gesagt, dass die Veränderungen zumeist nicht von heute auf morgen die Welt auf den Kopf stellen, sondern schleichenden Fußes daherkommen. Nur ignorieren sollte man sie dauerhaft nicht (außer man will hauptberuflich mediale Untergänge prognostizieren). Und so ist es vielleicht ganz gut, wenn Buzzwords die Runde machen. Sie sensibilisieren und öffnen im Idealfall den Blickwinkel oder füllen im nicht so idealen Fall zumindest das Phrasenschwein.

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