Live-Streaming-Apps für Smartphones gehören zu den meistdiskutierten Digital-Trends des Jahres. Neben den beiden Vorreitern Meerkat und Periscope kamen zahlreiche Anbieter mit ähnlichen Konzepten auf den Markt und auch Facebook hat mobiles Live-Streaming inzwischen für sich entdeckt. Doch wie relevant sind die Apps wirklich und eignen sie sich für den Einsatz im Marketing?

Kernfunktionalität der Anwendungen ist das unkomplizierte Live-Streaming von Videoinhalten vom Smartphone aus direkt ins Netz. Teures Equipment und aufwendige Konfiguration entfallen. Jeder Nutzer kann so Live-Bilder seiner Umgebung mit seinen Freunden und Followern teilen.

Bescheidene Nutzerzahlen

Gemessen an dem Hype, den mobiles Streaming in der Digitalbranche ausgelöst hat, fallen die tatsächlichen Nutzerzahlen der Apps bisher sehr bescheiden aus. Laut „Global Web Index“-Befragung hat nur ein Prozent der Onliner in den USA Meerkat und Periscope im vergangenen Monat genutzt. Für Deutschland liegen die Werte sogar im nicht messbaren Bereich unter einem Prozent. Außerhalb der Early-Adopter-Kreise spielen die Angebote also bisher keine große Rolle.

Das Thema aufgrund solcher Zahlen nach nur wenigen Monaten wieder zu begraben, wäre allerdings sehr kurzsichtig. Denn Facebook könnte mit seiner Mentions-App für einen deutlichen Aufschwung sorgen: Seit dem Launch im Sommer steht Mentions bisher nur ausgewählten Nutzern mit verifizierten Fanpages – also vor allem Prominenten – zur Verfügung. Diese können damit einen Livestream starten, der dann in ihrem Facebook-Newsfeed erscheint. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate soll der Nutzerkreis aber stetig erweitert werden.

Facebook löst somit eines der Kernprobleme von Mobile Streaming – nämlich die Herausforderung, wie man möglichst schnell eine möglichst hohe Anzahl an Zuschauern in die Live-Übertragung bekommt. Mobile Streaming ist nicht auf stundenlange Sendungen zu festen Zeiten ausgelegt. Viel wichtiger ist es, spontan live gehen zu können. Dafür ist aber eine Anbindung an ein soziales Netzwerk mit vielen Kontakten notwendig.

Denn nur so erreicht man möglichst viele Freunde und Fans. Twitter eignet sich dafür bereits, Push-Nachrichten auf Facebook erweiterten die Reichweite aber nochmals deutlich, ohne dass mit viel Zeit- und Ressourceneinsatz ein Follower-Stamm auf einer weiteren Plattform aufgebaut werden muss.

Chancen von Periscope, Mentions und Co

Die Streaming-Apps passen konzeptionell gut zum Mediennutzungsverhalten junger Zielgruppen. Sie finden dort kurzen, schnell konsumierbaren Content für unterwegs; neue Inhalte werden lieber entdeckt statt gesucht, und im besten Fall sind sie auch noch exklusiv und einzigartig. Nicht umsonst gehören Prominente aus Sport und Unterhaltung aktuell zu den aktivsten Nutzern der Apps.

Per Livestream erhalten Fans exklusive Einblicke, sind live bei alltäglichen oder besonderen Ereignissen dabei und können mit ihren Idolen interagieren. Für Journalisten und Medien bieten die Apps neue Möglichkeiten, direkt und ungefiltert Breaking News und aktuelle Entwicklungen zu begleiten, noch bevor die TV-Crews vor Ort sind.

Borussia Dortmund und Schalke 04 liegen vorne

Zu den beliebtesten Periscope-Streams in Deutschland zählen übrigens die von Bundesliga-Vereinen, allen voran Borussia Dortmund und Schalke 04. Sie bieten den Fans Live-Übertragungen von Pressekonferenzen, kurze Interviews mit den Spielern und Einblicke ins Training.

Ähnliche Einsatzszenarien sind auch im Marketing spannend: Treue Fans an Events teilnehmen zu lassen, Einblicke hinter die Kulissen einer Marke zu gewähren, und die Interaktion mit Markenbotschaftern gehören zu bereits erfolgreich erprobten Konzepten und erhöhen die Markenbindung.

Solange die Plattformen noch überschaubare Reichweite haben, eignen sie sich sehr gut für Experimente. Es ist allerdings wichtig, eigene Konzepte für den mobilen Live-Kanal zu entwickeln. Was im TV oder On-Demand-Diensten funktioniert, ist nicht zwingend auch live-tauglich und auf die besondere Nutzungssituation dieser Apps ausgerichtet. Zudem kann ein Smartphone eben kein professionelles Kamerateam mit entsprechender Beleuchtung und Tontechnik ersetzen. Mut zur Improvisation in unerwarteten Situationen ist gefragt, denn mit dem Live-Erlebnis kommt untrennbar auch immer ein gewisser Grad an Kontrollverlust.

Live-Content im Netz bleibt mit Sicherheit auch 2016 ein spannendes Thema. Die Gaming-Plattform Twitch.tv experimentiert mit einer behutsamen Erweiterung in Unterhaltungsformate, auch bei Youtube sind Live-Inhalte schon seit einiger Zeit ein relevantes Feld und bei Twitter passen die Livestreams gut in die neue Wachstumsstrategie, über kuratierte Tweets, Bilder und Videos relevante Ereignisse auf der Plattform aufzubereiten und so neue Nutzer anzuziehen.

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