Der kleinste Flughafen, den ich jemals gesehen habe, liegt in der Namib Wüste. Er ist eigentlich gar kein Flughafen: Ein Weg, auf dem die größeren Steine entfernt wurden, dient als Piste. Eine ziemlich windschiefe Holzhütte bietet Schatten – für maximal zwei Personen, aber nur falls diese nicht zu korpulent sind. Und eine zerfledderte Windhose verrät den wenigen Piloten die ungefähre Windrichtung. Das war es dann schon auch. Der Flughafen München II „Franz Josef Strauss“ ist so ziemlich die Antithese des minimalistischen Wüstenflughafens. 48 Restaurants und 97 Läden erwarten die Besucher. Man kann dort niveauvoller einkaufen und angenehmer essen als in einer durchschnittlichen deutschen Kleinstadt. Die flughafentypischen Öffnungszeiten der Shops sind der Alptraum jedes Verdi-Funktionärs. Wenn man wollte, könnte man den Münchner Flughafen als eine Shoppingmall mit angeschlossener Start- und Landebahn sehen.

Die offizielle Fanpage der Flughafen München GmbH auf Facebook hat beachtliche 109.000 Fans. Wie ein gut gemanagtes Einkaufszentrum kommuniziert der Münchner Flughafen auf allen Kanälen. Allerdings hat der Flughafen München auch eine Menge ziemlich hysterischer Gegner, die kürzlich auf seiner Facebook-Page einen Shitstorm der absurderen Sorte losgetreten haben. Anlass der digitalen Empörungswelle war der sogenannte Wintermarkt des Flughafens, eine 600 Quadratmeter große Eisfläche samt Glühwein-  und Würstlbuden. Der Name Wintermarkt sei ein Einknicken gegenüber dem Islam, ein neuer Beweis dafür, wie Deutsche im eigenen Land diskriminiert würden, lautete der Kern des Vorwurfs. In über 15.000 Protest-Postings ließen offensichtlich aufgehetzte Wutbürger ihrem Ärger über die säkulare Namensgebung freien und ungehemmten Lauf. „Ist die Islamisierung in Deutschland schon so weit fortgeschritten, dass wir nicht mal mehr einen Weihnachtsmarkt haben dürfen?? Traurig!! Schämt euch!“, wurde gepöbelt. Ein anderer abendländischer Wutbürger fragt sich: „Was ist denn der Wintermarkt? Ist das ein muslimisches Fest?“

Was aber an einer temporären Eislaufbahn mit Verkaufsständen explizit christlich sein soll, bleibt das Geheimnis des rechten Mobs. Und was ist bitteschön überhaupt christlich an all diesen winterlichen Outdoor-Verkaufsveranstaltungen, selbst wenn sie Weihnachtsmarkt oder gar Christkindlmarkt heißen? Nichts. Der Namensgeber dieser Märkte persönlich hat übrigens schon vor 2.000 Jahren die Händler aus dem Jerusalemer Tempel geworfen, weil ihn die Kommerzialisierung des Glaubens störte. Man kann Weihnachtsmärkte mögen oder auch nicht – religiöse Elemente enthalten sie bestenfalls in homöopathischen Dosen. Historisch gehen die Weihnachtsmärkte zurück auf spätmittelalterliche Märkte, die den Bürgern zu Beginn der kalten Jahreszeit die Möglichkeit gaben, sich mit winterlichem Bedarf einzudecken. Im 14. Jahrhundert kam der Brauch auf, Handwerkern wie Spielzeugmachern, Korbflechtern oder Zuckerbäckern zu erlauben, Verkaufsstände auf dem Markt zu errichten. Religiöse Sinnstiftung war noch nie das Ziel der Weihnachtsmärkte. Im katholischen Worms wurde einem Pfarrer im Jahr 2014 sogar eine Bibellesung (!) auf dem Weihnachtsmarkt gerichtlich verboten. Die Lesung könne die Stimmung auf dem Weihnachtsmarkt stören, urteilte das zuständige Verwaltungsgericht.

Die Flughafen München GmbH hat auf den Shitstorm ziemlich nüchtern reagiert. Er verwies darauf, dass der Wintermarkt bereits seit dem Jahr 2006 diesen Namen trägt, weil er über die Weihnachtsfeiertage hinaus geöffnet habe. So viel zum Thema zunehmende Islamisierung des Abendlandes. Die Postings wurden getilgt.

Richtig so! Gegen die organisierte Hetze, die unter dem Deckmantel des Christentums blanken Hass predigt, hilft nur das digitale Hausrecht: Beiträge löschen, Autoren sperren. Und in der analogen Welt ist – in besonders krassen Fällen – der Gang zur Staatsanwaltschaft angezeigt. Im § 130  des Strafgesetzbuchs heißt es unter der Überschrift Volksverhetzung: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Den treffendsten Beitrag zum Thema hat der Münchner Bürgermeister Dieter Reiter, Aufsichtsrat der Flughafen München GmbH, geliefert. In den sozialen Netzwerken im Internet habe er jüngst eine  „seltene Größenordnung an Dummheit und Enthemmtheit“ ausgemacht, kommentierte der SPD Politiker. Er hat diese Wahrheit übrigens an einem sehr passenden Ort verkündet: von der Kanzel der Münchner Erlöserkirche.

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