Nahezu jeder zehnte Euro wird heute im Netz erwirtschaftet. Visionäre, die das vor zwanzig Jahren, als der E-Commerce noch in den Kinderschuhen steckte, so oder so ähnlich prophezeit hatten, wurden nur müde belächelt. Mittlerweile setzt der B2C-Online-Handel in Deutschland mehr als 40 Milliarden Euro im Jahr um. Tendenz steigend. 2020 soll der Umsatz des deutschen Online-Handels schon bei 150 Milliarden Euro liegen.

Online-Shopping ist so normal geworden, dass wir uns heute kaum mehr vorstellen können, wie es damals in den 1990er-Jahren war – als mit otto.de der erste Online-Shop Deutschlands an den Start ging und Amazon nach Deutschland kam. Als es noch besonders und aufregend war, online Waren zu bestellen. Als wir uns noch über das Modem einwählen mussten, mit bangen Blicken auf die Uhr, ob das Surfen nicht schon zu teuer geworden ist, und als man sich ohne Probleme einen Kaffee machen konnte, während die Seite langsam lud.

Von einem angenehmen Shopping-Erlebnis, das heute alle fordern, konnte keine Rede sein – aber das war uns auch nicht wichtig. Es war auch nicht wichtig, wie die Seite aussah. Es ging primär darum, Produkte zu präsentieren und diese kaufen zu können. Erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts und der Optimierung von Verwaltungsfunktionalitäten, Ordermanagement, Produktdatenbanken und Content-Management-Systemen öffnete sich die Tür für den heutigen Online-Handel.

Mittlerweile kaufen 30 Millionen Deutsche online ein, von Windeln bis Waschmaschinen ist alles erhältlich. Unser Einkaufsverhalten hat sich in nur zwei Jahrzehnten drastisch verändert. Doch nicht nur das: Unser Alltag – beruflich wie privat – hat sich zu großen Teilen ins Netz verlagert hat. 55 Millionen Deutsche sind online – viele von uns rund um die Uhr. Das Internet ist ein fester Bestandteil unseres Lebens. Die analoge Welt ist abgelöst. Die Digitalisierung der Gesellschaft hat den Erfolg des E-Commerce genau genommen sogar erst ermöglicht.

Die wichtigsten Treiber waren zum einen das Mobiletelefon – in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Smartphones in Deutschland von sechs Millionen auf mehr als 45 Millionen fast verachtfacht! 2014 hat die mobile Internetnutzung die stationäre erstmals überholt. Und auf den E-Commerce bezogen eröffnet das mobile Shoppen über Tablets und Smartphones völlig neue Wege. Zum anderen und damit einhergehend hat die Digitalisierung der Kommunikation eine wichtige Rolle gespielt. Die erste SMS wurde 1992 verschickt, 1998 kam der Messaging-Dienst ICQ auf den Markt, elf Jahre später WhatsApp. Seitdem wird getextet, was das Zeug hält.

Der Online-Handel ist erwachsen

Der E-Commerce, der nun 20 Jahre alt ist, hat sich seither gut entwickelt: Bereits fünf Jahre nach dem Start des ersten Online-Shops in Deutschland konnte die Branche einen Umsatz von ca. 2,5 Milliarden Euro erzielen. Im Jahr 2010, nur fünfzehn Jahre nach Einführung des ersten Web-Shops, waren es knapp 24 Milliarden Euro. Otto, dessen ersten Online-Shop wir damals mitgestaltet haben, bestreitet heute 85 Prozent seines Gesamtumsatzes online. Und die jährlichen Wachstumsraten legen den Schluss nahe, dass das goldene Zeitalter noch nicht vorbei ist.

Doch mit dem Voranschreiten der Technik und den immer neuen Möglichkeiten, die sich uns bieten, ist der Online-Handel natürlich auch komplizierter geworden. Konsumenten sind anspruchsvoller und kritischer – und, obwohl viele von ihnen immer und überall online sind, für Händler schwerer erreichbar. Eine Frage, die viele Unternehmer heute umtreibt ist folgende:

Wie erreiche ich meine (potenziellen) Kunden?

Spätestens mit dem Siegeszug der Online-Chats wie ICQ oder MSN entstand ein Phänomen, das wir heute alle kennen: Es gibt Parallelgesellschaften, in denen sich Teile der Bevölkerungen zu Hause fühlen. Der Rest kennt sich dort allerdings wenig bis gar nicht aus. Für die Jungen, die Smart Natives, findet diese Parallelgesellschaft in Snapchat und Instagram statt, für die mittlere Generation, die Berufstätigen, ist es Facebook. Und die Älteren? Die entdecken gerade WhatsApp für sich, das sie benötigen, wenn sie weiterhin mit ihrer Familie in Kontakt bleiben möchten, sind aber von der digitalisierten Welt oftmals überfordert. Gleichzeitig ist es in unserer individualisierten Gesellschaft schwer bis unmöglich geworden, demographische Zielgruppen zu definieren.

Für Händler, aber auch für Werbungtreibende wird es damit immer schwieriger, alle potenziellen Kunden anzusprechen. Denn sie müssen individuell über ihren präferierten Kanal und in ihrer Sprache adressiert werden. Technologisch ist das möglich. Die Daten, die Nutzer online hinterlassen, geben uns Auskunft über ihre Vorlieben und Interessen. Doch hier kommt gleich die nächste Schwierigkeit:

Wir müssen sensibel mit diesen Daten umgehen!

Nach den Datenschutzskandalen der vergangenen Jahre sind die Nutzer verängstigt. Die Vorteile, die ihnen personalisierte Kommunikation, die auf ihren Nutzerdaten basiert, bietet, sind vielen nicht transparent genug. Das müssen wir immer im Hinterkopf haben. Digitaler Handel ist ein Balanceakt zwischen technischen Möglichkeiten und Datenschutz. In Zukunft werden diejenigen Händler zu den Gewinnern gehören, denen zweierlei gelingt:

Zum einen müssen sie Daten gewinnbringend, sensibel und gleichzeitig kontextsensitiv nutzen – also kurzum so, dass der Nutzer sich über relevante Angebot freut und sich nicht davon belästigt fühlt. Denn wer es schafft, dem Kunden individualisierte Angebote zu unterbreiten, wird langfristig auch seine Conversion Rate erhöhen.

Zum anderen muss er mit Hilfe der Informationen, die ihm über seine Kunden zur Verfügung stehen, ein durchdachtes hybrides System aus Online-Shopping und stationärem Handel schaffen, das den Nutzern das bietet, was sie erwartet.

Konsumenten wünschen sich ein nahtloses Einkaufserlebnis.

Statt E-Commerce wollen sie einen Connected Commerce: Es spielt für sie keine Rolle mehr, ob sie zu Hause am PC, unterwegs über das Smartphone, das Smart Wearable oder direkt am Point of Sale sind. Was sie erwarten ist eine Seamless Customer Journey. Wenn der Einkauf über das Smartphone begonnen hat, muss er nahtlos auf dem Desktop weitergeführt werden können. Und will der Kunde die Ware dann doch im Store einmal anprobieren, muss auch das möglich sein.

Früher waren wir alle froh, wenn wir mit unserer Tasse Kaffee vor dem PC saßen und eine gefühlte Stunde später am Schluss eine Bestellbestätigung erhalten haben. Diese Zeiten sind längst vorbei. Für uns als E-Commerce-Branche ist das großartig! Eröffnen uns technische Innovationen doch beinahe täglich Chancen, uns weiterzuentwickeln und neu zu erfinden. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Lösungen zu entwickeln, die Kunden glücklich machen – denn nur darum geht es.