Zum Schluss hatten sie mir es wirklich einfach gemacht: sie zogen Steuern ein und beriefen sich auf eine Mitgliedschaft, die ich nie beantragt hatte. Sie sabottierten Familienplanung, boykottierten Schwangerschaftsberatung, diskreditierten gleichgeschlechtliche Liebe, missbrauchten Kinder und ehrten Holocaustleugner, Faschisten und Mafiosi. Mein Kanal war gestrichen voll und schließlich reichte es, einen Zettel zu unterschreiben und ich war raus.  Viele Jahre lieferten sie mir dann noch regelmäßig Argumente für die damalige Richtigkeit meiner Abkehr.
Und dann kommt Papst Franziskus. Und trinkt Wasser, bevor er Wasser predigt.
Er wäscht Häftlingen die Füße, er wohnt im Gästezimmer, er fährt mit dem Bus, er besucht Bootsflüchtlinge auf Lampedusa, er exkommuniziert die Mafia, betet mit Opfern übergriffiger Pfarrer, er begrüßt hundertachtzig Synodenteilnehmer persönlich – er macht alles anders und gleicht seinem Religionsstifter mehr als dessen heiligem Vater im Himmel.
Und nun? In der Rückbesinnung auf maßgebliche Werte stabilisiert sich der existenzberechtigte Kern der katholischen Kirche, während sie mich in meiner Ablehnungshaltung ins Wanken bringt.
Ein schlauer Zug. Das heißt, nein, das wäre eine Unterstellung und das steht mir ausnahmsweise mal nicht zu. Es fühlt sich eher an wie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Gebot der Kongruenz, einer glaubwürdigen Übereinstimmung von Versprechen und Verhalten. Es lässt den Mut vermuten, Bequemlichkeiten, Privilegien und Machtpositionen öffentlich in Frage zu stellen um Vertrauen zurückzugewinnen. Es wirft einen mit peinlicher Berührung auf die eigene Fehlbarkeit zurück.
Dieser Beitrag erscheint im Blog einer führenden Kommunikationsagentur, weil sein Autor glaubt, dass nicht nur er von diesem Papst lernen kann. Werbungtreibende können es, Markenführer können es, Kreative können es – und jeder andere kann es auch. Man muss ja nicht gleich katholisch werden.