Braucht man Feuerwehrleute? Klar. Friseure? Auch. Staubsaugervertreter? Hm. Wahrscheinlich. Werber? Unbedingt! Eine Gesellschaft, die sich für eine Volkswirtschaft des Wettbewerbs entschieden hat, braucht Leute, die sagen und zeigen, was wozu gut sein soll: Werber.

Aber viele Menschen finden Werber doof, ausweislich regelmäßiger Erhebung zum Ansehen der Berufe. Warum finden Menschen Werber doof? Vielleicht, weil sie sich nicht gerne zugeben, was sie selbst für eine Schwäche halten: Menschen wollen verführt werden, denn sie sehnen sich nach emotionalen Mehrwerten. Und genau das ist nun mal die vornehmste Aufgabe der Werber, von denen sich aber viele in einer Schicksalsgemeinschaft mit ebenfalls unbeliebten Politikern, Bankern und Fernsehmoderatoren wähnen, aber Letztere mit bis zu siebenstelligen Jahresgagen dann doch über Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen (irgendwo da schließt sich der Kreis) bezahlen. Diese paradoxe Mechanik ist keine Erfindung der Moderne, auch Prostituierte und Henker wurden schon im Mittelalter als Angehörige so genannter „unehrlicher Berufe“ ausgegrenzt. Wobei die Unehrlichkeit auch in diesen Fällen oft genug bei der Gesellschaft selbst lag.

Fatal wäre es, wenn ich mir als Werber die Geringschätzung eines Teils der Gesellschaft zu eigen machte. Klar, wenn Schönfärberei zur Lüge wird, sollte ich an der Richtigkeit meines Tuns zweifeln. So wie der höchst angesehen Arzt, der krank macht, anstatt zu heilen. Und selbst das soll ja schon vorgekommen sein. Ach ja, Ärzte: Die absoluten Spitzenreiter im Prestigeranking der Bevölkerung verdienen im Schnitt auch nicht mehr als Werber und das Pflegepersonal in Krankenhäusern davon wiederum gerade mal die Hälfte. Die großen Ansehensunterschiede spiegeln sich also eher im spontanen Antwortverhalten bei Umfragen wider als in konkreter Wertschätzung.
Eine weitere Falle für das Selbstwertgefühl des Werbers ist eine gefühlte Bedeutungslosigkeit. Was, wenn ich Kommunikationsgeschichte schreiben will, aber im Kundenauftrag über ordentliche Anzeigenkreation nicht hinauskomme? Wie schön, dass ich auch in der Werbeagentur immer wieder kreative Entfaltungsfelder besetzen darf, in denen es um mehr geht, als um Marken, Produkte und Rabatte: Mit einer preiswürdigen Goldidee wirke ich mit bei der Befreiung politischer Gefangener! Und gleichzeitig setze ich einen Footprint innovativer Kommunikation! Doch aufgepasst: Auch wenn das deine Berufung ist – dein Beruf ist es nicht. Denn die versprochene geldwerte Leistung des Werbers ist Werbung im Dienst werbungtreibender Auftraggeber. Und das muss man mögen.

Und wenn mir das auch nach eingehender Selbstbefragung zuwider ist, dann sollte ich MICH fragen, ob ich den – jawohl – ehrenwerten Beruf des Werbers dauerhaft ausüben sollte. Wenn ich das nur gegen innere Widerstände machte, z.B. weil ich keine andere Möglichkeit des Broterwerbs sehe, kann das leider bedeuten:
•    Ich werde auf Dauer kein guter Werber sein können.
•    Ich komme in die Gefahr, an inneren Konflikten zu zerbrechen.
•    Ich besetze unfairerweise einen Platz, den ein anderer liebend gerne einnehmen würde und könnte.

Aber vielleicht hilft es ja, sich an Beispiele geglückter werblicher Kommunikation zum Nutzen vieler Beteiligter zu erinnern. Mal angenommen, ein Werbekunde bringt ein neues Hybridauto auf den Markt und der Werber überzeugt den Kunden von seiner Idee. Die Kreation bringt tatsächlich den Absatz in Schwung, die Konsumenten sind mit dem Produkt zufrieden, der Kunde ist mit der Agentur zufrieden und die Agentur mit dem Werber. Was soll daran falsch sein?
Ja, es ist gut, sich ab und zu zu fragen, ob das alles so Sinn macht. Wobei die Frage nach dem „ob“ die Möglichkeit des „ja“ impliziert. Das sollte man sich nicht und von niemandem nehmen lassen.