Schöne Menschen genießen Eiscreme, sie lachen ausgelassen über das, was sie auf dem Display eines Smartphones sehen, in ihren Haaren stecken Markensonnenbrillen, im Hintergrund erkennt man die Schaufenster eines Modehauses mit seiner Sommerkollektion. Wir erzeugen solche Bilder und wir verbreiten sie. Wie wirken sie angesichts der Realität sozialer Ungerechtigkeiten, bedrohter Umwelt und Krieg? Heilsam. Wer dem Reiz dieser Bilder erliegt, der mag damit die Realität verdrängen oder relativieren. Auf jeden Fall aber dienen die Illusion und das Erleben von Genuss und Sorglosigkeit der Erinnerung daran, was das Leben lebenswert macht. Selbst dann, wenn der Betrachter mehr auf eine Blumenwiese als auf eine Shoppingszene anspricht – Freude ist ansteckend und überwindet dabei auch kulturelle Gräben. Wenn es mich „kickt“, ein neues Smartphone zu kaufen, sollte ich mir diesen Glücksmoment genauso gönnen wie einen Tomatensalat, den ich mir mit Liebe zu mir selbst zubereite und in der Abendsonne auf meinem Balkon achtsam verspeise. Das tägliche kleine Glück – Neurologen können das aus den Konzentrationen verschiedener Hormone und Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin und dergleichen ablesen – ist eine Ressource. Und nur, wenn ich mich dieser Ressource bedienen kann, kann ich wirksam auch Defiziten begegnen und meinen Beitrag zur Beseitigung von Missständen leisten. Soll das heißen, dass mich erst der Verzehr einer Portion Chicken Wings meiner Lieblings-Fastfood-Kette mental in die Lage versetzt, der örtlichen Tafelorganisation eine nennenswerte Spende zukommen zu lassen? Das muss es nicht heißen, aber das kann es heißen. Denn das so genannte schlechte Gewissen allein ist mehr Bremse als Motor.
Angenommen, ich bin mir mal untreu geworden: als Vegetarier hätte ich mit Heißhunger einen Hamburger verputzt. Als Sohn des letzten Schuhmachers in meiner Stadt hätte ich mir amerikanische Turnschuhe gekauft. Ärztlichem Rat zum Trotz habe ich eine Zigarette geraucht. Selbstgeißelungen können dann höchstens das schlechte Gewissen befriedigen. Was geschehen ist, können sie nicht rückgängig machen, die Freude daran schon. Wie schade. Nein, ich sage mir: es gab wohl einen Grund, „schwach“ zu werden, es gab wohl einen Grund, dem augenblicklichen Genuss einen höheren Wert zuzumessen als den vorgeblich besseren Absichten. Ab jetzt geht es nur noch um die Zukunft: die Genusserinnerung auf der Habenseite verbuchen, mein Umfeld an meiner Freude darüber teilhaben lassen, das „Kapital“ an Lebensfreude nutzen, um Anderen Gutes zu tun.
Das so genannte Positive Denken wurde jahrzehntelang als esoterischer Hokuspokus betrachtet und seriöse Psychologen haben zurecht auf die Gefahr hingewiesen, die von einem Versprechen ausgeht, dass man alles erreichen könne, wenn man es nur wolle und fest genug daran glaube. Inzwischen wissen Hirnforscher wie klinische Therapeuten mehr über die Selbstheilungskräfte positiver Gedanken – die eben oft an Genusserlebnisse anknüpfen. Da! Ein 18/1 Großflächenplakat wirbt für das beste Bier der Region. Schon die Vorfreude hebt die Stimmung spürbar. Prost!