Christoph Everke

Christoph Everke

Managing Partner, Serviceplan Campaign

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Der Dialog Marketing Verband Österreich (DMVÖ) richtet am 11. September die „Insight Arena“ aus, bei der Christoph Everke, Kreativgeschäftsführer von Serviceplan Campaign, als Keynotespeaker auftreten wird. Im Vorfeld hat Christoph Everke für das österreichische Marketing-Magazin a3Boom! einen Gastbeitrag zum Thema „Die Schlacht um den Kunden“ verfasst – dieses ist auch am 11. September Schwerpunktthema.

Das Motto der Insight Arena (vormals DMVÖ Congress), die am 11. September über die Bühne gehen wird, ist eine recht martialische Parole, die danach klingt, als müssten wir nur den richtigen Schlachtplan entwickeln und dann gehört der Kunde uns. Hierbei gilt es aber drei Fragen näher zu erörtern. Erstens: Ist das tatsächlich so und kann man „den Kunden“ in eine Schlacht zwischen mehreren Parteien erobern – und welche Rolle spielt dabei der Kunde selbst? Zweitens: Was steckt hinter der ominösen Bezeichnung „der Kunde“? Und Drittens: Mit welchem Ergebnis kommt man nach Hause, wenn man in den Krieg zieht?

Ich bin kein echter Dialog Marketer, sondern ein echter Immigrant. Ein Werber, der irgendwann angefangen hat, über Dialogmaßnahmen als Bestandteil von 360-Grad-Kampagnen nachzudenken, als es so etwas noch gab. Trotzdem ist Dialog meine große Leidenschaft. Meine erste Jurysitzung beim ADC in Deutschland war in der Kategorie „Dialog“ und es war Liebe auf den ersten Blick. Es ist ein spannendes, unmittelbares und aufregendes Feld, das jede Menge Möglichkeiten bietet, um sich planerisch und kreativ auszutoben.

Die oberflächlichste und verführerischste Entdeckung war die Messbarkeit. Und daher scheint mir die dritte Frage die treibende Kraft hinter allem zu sein: Die Schlacht gewinnen, abschließen und Ergebnisse zu liefern. Die Faszination von Dialogmaßnahmen geht für mich zuerst von zählbaren Responseraten aus, dem Gefühl, „den Kunden“ im Griff zu haben. Eine Macht, die mit klassischen „One-to-many“-Wegen kaum gegeben ist. Das klingt großartig, führt aber – zumindest bei 99 % der Arbeiten, die ich bisher kennenlernen und auch beurteilen durfte – zu technischen, durchgefeilten, nutzenorientierten und optimierten (ein Lieblingswort unseres Geschäfts) Ergebnissen. Wenn die Frage nach dem Ergebnis dominiert, nimmt uns das schnell und zu oft die Freiheit, über den Weg nachzudenken. Es führt zwar zu planerischer Exaktheit. Allerdings bleibt die Lust am Spiel auf der Strecke. Wir bezwingen mit Langeweile, wo wir aus Effizienzgründen nicht verführen können.


Der Dialog entscheidet

Wenn wir uns aber auf das Spiel einlassen, unseren Kunden nicht „abzuschließen“, sondern zu gewinnen, dann entsteht für mich gleich die nächste Falle. Unmerklich, elegant und gefällig steht sie wie eine offene Tür vor jedem Kreativen (und Marketer), der sich ans Werk macht: Die Zielgruppe oder eben „der Kunde“.  Bei Frage zwei entsteht für mich fast schon ein Paradoxon. Denn wenn wir tatsächlich in einen Dialog treten und uns also auf ein Gegenüber einlassen, dann widerspricht es sich, dieses Gegenüber objektiv aus der Distanz zu betrachten. Die Abstraktion scheint von Vorteil, denn natürlich ist es effizienter mit Typologien zu arbeiten, die man einordnen, lesen, erforschen kann und deren Reaktionen geclustert und auf Abruf bereitliegen. Das Dumme ist nur, dass man genau in diesem Moment dem Anspruch eines echten Zwiegesprächs nicht mehr gerecht wird. Denn echte Nähe und eine emotionale  –  im wahrsten Sinne des Wortes bewegende  –  Ansprache, ist so kaum zu finden.

Die erste und gleichzeitig letzte Frage dreht sich für mich um die Art und Weise, wie wir über Dialog an sich denken. Ist es tatsächlich so, dass unser Gegenüber jemand ist, der erobert werden kann? In einem Kampf, den wir führen? Ich glaube, ein Dialog entsteht nicht, indem man den Gesprächspartner penetriert, um ihn kämpft, sozusagen argumentativ angreift – denn zu leicht wird erkennbar, dass man in Wahrheit gar nicht an ihm, sondern an sich selbst und dem eigenen Erfolg – nämlich der Eroberung – interessiert ist. Ein echter Dialog entsteht für mich, wenn man sich tatsächlich auf sein Gegenüber einlässt, fragt, sich aneinander abarbeitet, wenn man auch die Möglichkeit des Scheiterns immer präsent hat und schließlich ein emotionales Moment findet, auf das beide sich einlassen können.


Awards und Inspiration

Wir haben in Award-Jurys nicht immer, aber ab und zu, das große Glück, auf genau solche Arbeiten zu stoßen, sie entdecken zu dürfen und ihnen durch unsere Auszeichnung zu einer Öffentlichkeit außerhalb ihrer ursprünglichen Adressaten zu verhelfen. Meine Kunden fragen sich – wie die meisten – wozu denn genau Awards notwendig sind (außer um Eitelkeiten zu bedienen). Ich bin davon überzeugt, dass es genau das ist: Awards können ein Spotlight auf Außergewöhnliches, Vorbildliches und Inspirierendes setzen.

Im letzten Jahr war ich in Cannes Mitglied der Dialog-Jury. Zusammen mit 24 Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichsten Ländern, Agenturen und Kulturen. In vielen Jurys, so auch in Cannes, sitzen viele Werber, eher wenig „echte“ Dialoger. Demzufolge kamen natürlich auch immer wieder Diskussionen auf, was denn nun genau Dialog ist, wo die Unterschiede zur Promotion oder anderen Kategorien liegen etc. Am Ende konnten wir es so auf den Punkt bringen: Wir suchen Ideen, die wirklich etwas bewegen, die Menschen, bzw. ihre Sicht der Dinge und ihre Art zu leben, verändern. Arbeiten, an denen ich nicht vorbeilaufen kann, sondern die mich zum Innehalten bewegen, zum Einsteigen in einen Dialog – mit der Marke, mit anderen Menschen, mit anderen Kunden. Bis hin zum Königskriterium: Arbeiten, die man am liebsten sofort selbst einsetzen würde, da sie tatsächlich einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben können.

Um aus den über 2300 Einsendungen (dieses Jahr waren es wohl nochmal weit mehr) die Löwen zu wählen, hatten wir uns ein paar ganz einfache Regeln vorgenommen: Bronze ist eine Arbeit, die man eine Woche nach Cannes in der Agentur erzählt. Silber kann man seinem Team als Vorbild geben. Gold ist eine Arbeit, die man selber gerne gemacht hätte und ein Grand Prix ist eine Arbeit, die man sich nicht mal selber hätte ausdenken können. Oder auch: Eine Arbeit, die man nicht mehr vergisst.

Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse zu den wirklich großen Arbeiten ist leider eine unbequeme. Große Arbeiten entstehen nicht ad hoc. Sie brauchen Zeit, enorme Energie und Menschen, die an die Idee glauben und nicht aufhören, auch wenn es Widerstände gibt – in der Technik, im Unternehmen, am Markt.


Ausgezeichnete Kampagnen

Ein paar herausragende Kampagnenbeispiele, die sehr schnell und ohne große Worte das oben beschriebene auf den Punkt bringen, seien hier hervorzuheben: Der Grand Prix 2012 in der Kategorie “Direct” ging an die Kampagne „Small Business Saturdays“ für American Express. Ziel war es, AmEx bei kleinen Geschäften zu etablieren und bei Verbrauchern zu bewerben. Dafür hat die Agentur (Digitas/Crispin Porter + Bogusky, New York) ein Marketing-Programm und ein Paket entwickelt, mit dem kleine Geschäfte für einen besonderen Shopping-Tag werben konnten. Da dieser Tag normalerweise ein Feiertag ist, wurde gleichzeitig zwei Jahre lang politisch gearbeitet, bis Kommunen, die Regierung und letztendlich Präsident Obama die Initiative unterstützten und den Tag als offiziellen verkaufsoffenen „Small Business Saturday“ anerkannten. Eine Idee, die wirklich etwas verändert und bewirkt hat.

SMALL BUSINESS GETS AN OFFICIAL DAY

Eine weitere Grand-Prix-Idee war das Nike-Fuelband. Die Agentur (R/GA, New York) hat auch hier wieder keinen klassischen Medienkanal genutzt, sondern gemeinsam mit dem Kunden ein Produkt entwickelt, das außergewöhnlich ist und weit mehr bewirkt als eine Kampagne.

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Noch eine unvergessliche Arbeit und wieder keine Kampagne sondern etwas ganz Simples war ein Briefumschlag und ein Wattestäbchen. Das Ziel war, mehr Menschen zu Knochenmark-Klassifizierungen zu bewegen, um potenzielle Spender für den Kampf gegen Leukämie zu ermitteln. Die Wenigsten lassen sich klassifizieren und die Verfahren sind aufwändig und teuer. Die Idee der Agentur (Droga 5, New York) ist so bestechend, wie durchschlagend. Normalen Wundpflaster-Packungen wurde ein kleiner Rückumschlag und ein Wattestäbchen beigelegt mit der Bitte, sich beim nächsten Mal, wenn man sich beim Rasieren, in der Küche oder ähnlichem schneidet, eine Blutprobe zu nehmen, in den Umschlag zu stecken und abzuschicken. Ein gigantischer Rücklauf spricht für diese Idee, die tatsächlich viele Leben verändern kann.

HELP I WANT TO SAVE A LIFE

Wir hatten im letzten Jahr den Geschäftsbericht für Austria Solar im Rennen und wurden mit Gold und einem Grand Prix für einen mutigen Kunden und ein zähes Ringen um die technische Umsetzung belohnt. Diese war erst möglich, nachdem wir Farbe und Druckverfahren zusammen mit Hersteller und Drucker weiterentwickelt hatten. In diesem Jahr ist uns das zum zweiten Mal gelungen – diesmal mit einer ganz anderen Herangehensweise. Die Idee, über das Nachhaltigkeitsengagement der Supermarktkette Auchan so breitstreuend und nachhaltig zugleich zu berichten war schnell da. Allerdings hatten wir danach sehr viel Zeit in die Weiterentwicklung gesteckt, um schließlich zu einem sehr reduzierten und gleichzeitig schnellen Ergebnis zu kommen.

auchan_app

Diese und weitere inspirierende Cases werde ich bei der DMVÖ Insight Arena am 11. September in der Burg Perchtoldsdorf vorstellen. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie gewinnen, ohne in die Schlacht zu ziehen und finden in einen Dialog auf ungewöhnliche und überraschende Weise, selten auf dem direkten Weg, aber immer mitten ins Leben der Kunden – oder besser: der Gesprächspartner.


Info:
DMVÖ Insight Arena: Der Marketing-Event findet am 11. September in der Neuen Burg Perchtoldsdorf, Hyrtlgasse 4, 2380 Perchtoldsdorf, statt. Early Bird Tickets sind um 29.- online unter www.insightarena.at und beim DMVÖ unter 01/911 43 00 oder office@dmvoe.at erhältlich.