Nun hat es den ersten erwischt: Schlecker. Billig um jeden Preis scheint keinen so großen Absatzmarkt mehr zu haben. Die Berichterstattung der Medien und die Reaktion der Wettbewerber zeigen, dass alle sehr wohl erkannt haben, dass Schlecker letztlich an seiner unterirdischen Reputation gescheitert ist. Dass Reputation von Unternehmen mehr und mehr in das Bewertungsraster von Kunden Einzug hält und die Kaufentscheidung beeinflusst ist hier der Beweis. Auch andere Discounter erfahren dies schmerzlich und drehen kräftig an der Image-Schraube.
Längst ist der mündige Verbraucher nicht mehr eine Erfindung hipper Werbestrategen, sondern Realität. Es besteht schon fast so etwas wie eine Lust, sich in Foren zu organisieren, NGOs zu informieren oder eigene Blogs zu initiieren. www.wir-sind-einzelfall.de ist ein prägnantes Beispiel. Ein Kunde des Mobilfunkanbieters O2 hatte sich bei der Firma über Empfangsprobleme beschwert. Er bekam bei einer Reihe von verschiedenen Kontakten immer dieselbe Antwort: Er wäre ein Einzelfall. Wütend darüber launchte er die Seite www.wir-sind-einzelfall.de. Und siehe da, es fanden sich bis heute 8.000 Leidensgenossen desselben Anbieters, aber auch Menschen, die dieselbe Erfahrung mit anderen Unternehmen hatten. Und wie ging es weiter? O2 lenkte ein und informiert seitdem ausführlich über den geplanten Netzausbau.
Es kommt letztendlich darauf an, wie man damit umgeht. Eine Studie der Serviceplan Gruppe zeigt, dass Unternehmen, die nachhaltig agieren, besonders das Vertrauen der Kunden genießen. Aber fast noch wichtiger ist transparente, authentische Kommunikation. Tue Gutes und rede darüber aber vertusche auch nicht was du nicht gut machst sondern gehe damit souverän um.
Und jetzt Schlecker. Dass die Drogeriekette mit Mitarbeitern nicht zimperlich umging, war schon lange bekannt. Möglichst viel an allen Stellen sparen um Kostenführerschaft zu erlangen und damit der Billigste zu sein. Auch beim Sortiment. Zuletzt waren Sortimentslücken keine Seltenheit. Billig wurde nicht nur proklamiert, sondern sogar im Laden erlebt und eher als schäbig empfunden. Der Kunde merkte aber schnell, dass nicht alles billiger war. Damit war das Alleinstellungsmerkmal entzaubert. Und dann der ignorante Umgang mit seiner Zielgruppe. „Bei unseren Kunden handelt es sich um eine wenig gebildete Zielgruppe“ hieß es sinngemäß in einer Erklärung zum letzten Claim „for You vor Ort“.
Aber was lehrt uns das? Der Kunde ist nach wie vor König. Und derjenige hat den Markt- und Wettbewerbsvorteil, der Kundenbedürfnisse kennt und erfüllt. Wer den Kunden nicht ernst nimmt und Bedürfnisse ignoriert, verliert. Und billig um jeden Preis ist nicht mehr en Vogue.
Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen mehr und mehr an Bedeutung und müssen fester Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Das heißt nicht, dass jetzt jeder nur Bio anbieten muss, aber es müssen Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt und glaubwürdig vertreten werden. Und auch mit Missständen muss souverän und aufklärend umgegangen werden. Und Schlecker? Je nach Verlauf des Insolvenzverfahrens kann man nur auf eine Wende in der Unternehmenspolitik und -kommunikation hoffen. Die Chance besteht auf jeden Fall.

1 Antwort
  1. Bijan Peymani
    Bijan Peymani sagte:

    Der mündige Verbraucher war NIE eine Erfindung „hipper Werbestrategen“, wie Sie es formulieren. Die Reklame-Industrie hat ihn vielmehr viel zu lange für ein reizgesteuertes, multipel-schizophrenes Bedarfswesen gehalten.

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