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Nach dem Skandal ist vor dem Skandal: Joachim Schöpfer über das ewige Scheitern im Umgang mit dem Datenschutz
Wie lange ist es her, dass der Staatstrojaner das Top-Thema in den Medien war? Sechs Wochen? Oder schon acht? Sie wissen schon, das war die Geschichte mit den Münchner Staatsschützern, die nach bayrischer Art ohne Grundgesetz unter dem Arm spionierten. Und zwar mit verwanzten Computern, sprich mit Trojanern. Dass den Staatsschützern danach vor Schreck der Laptop in die Lederhose rutschte, ist dem Chaos Computer Club gedankt und dem Medienhype, der darauf folgte.
Der eine Datenskandal ist jetzt medial abgehakt, aber der nächste kommt bestimmt. Auch dann wird die Entrüstung wieder groß sein, bis sie allmählich wieder nachlässt. So war das beim Telekom-Daten-Skandal, beim Bahn-Daten-Skandal, bei Lidl und so weiter.
Im Moment ist das Thema gerade out. Der richtige Zeitpunkt, um mal etwas Grundsätzliches zu sagen: Die ganze Datenschutzdiskussion ist out. Auf sie trifft das zu, was Frank Zappa einmal so treffend über Jazz gesagt hatte: „It´s not dead, it just smells funny.“
Was lebt, ist das Ritual. Ein Skandal wird entdeckt, die Medien berichten, der Datenschutzbeauftrage fordert härtere Gesetze, alle geloben mehr Datenschutz.
Was dieses Ritual so ermüdend macht ist nicht die Tatsache, dass Skandale aufgedeckt werden. Wer gegen Gesetze verstößt, gehört an den Pranger und vor Gericht. Das Ermüdende ist die Forderung nach schärferen Gesetzen und mehr Datenschutz.
Wir leben in einer Welt, in der jeder Netzbewohner Daten über Daten hinterlässt, meistens sogar freiwillig. Dass Daten in falsche Hände geraten können, gehört zum digitalen Lebensrisiko wie der Autodieb zum Auto. Deshalb sollten Datenschützer ein ähnliches Verhältnis zum Datenmissbrauch haben, wie Polizisten zu Autodieben. Haben sie aber nicht. Datenschützer sind eine Mischung aus selbsternannten Volkserziehern und Jammerlappen. Unsere Datenschützer möchten auf Biegen und Brechen die schützen, die offensichtlich zu dumm sind, den Ernst der Lage zu begreifen. Am besten, indem man das Übel an der Wurzel packt und an jede Innovation schon mal ein Verboten-Schild klebt.
Beispiel gefällig? Nehmen wir die RFT-Technik. Das sind winzige Chips, die, an Produkten angebracht, alles über das Produkt wissen und per Funk auslesbar sind. Potentieller Vorteil: Es wäre z. B. möglich, Abfall viel sortenreiner zu sortieren. Potentieller Nachteil: Man kann herausfinden, wer das Produkt gekauft hat und möglicherweise wird dann vom Hacker in Facebook gepostet, dass Frau Müller sich einen Vibrator zugelegt hat. Die Reaktion der Datenschützer: Missbrauch lässt sich nicht ausschließen, also verbieten.
Mit der gleichen Argumentation hätte man auch soziale Netzwerke und Handys verbieten können. Mubarak, Ben-Ali und Gaddafi hätte das gefreut, denn dann wären sie heute noch an der Macht.
Und genau darin liegt die Crux des Datenschutzes heute: Missbrauchsbekämpfung wird als präventive Aufgabe gesehen. Man vermutet das Schlimmste und nimmt das als Legitimation, um vorauseilend und brachial durchzugreifen. Dass darin auch eine Einschränkung in der Freiheit besteht, ist den Datenschützern nicht bewusst.
Bürgernaher Datenschutz sollte sich darauf konzentrieren, konkreten Missbrauch zu stoppen. Spielverderber haben wir schon genug.